VwGH 96/08/0146

VwGH96/08/014618.3.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek sowie den Senatspräsidenten Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der U in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 14. Juni 1995, Zl. 12/7022/7100 B, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs3 litf;
AlVG 1977 §12 Abs4;
AlVG 1977 idF 1993/817;
AlVG 1977 §12 Abs3 litf;
AlVG 1977 §12 Abs4;
AlVG 1977 idF 1993/817;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 9. Februar 1995 beim Arbeitsmarktservice Angestellte Wien die Zuerkennung von Arbeitslosengeld. Sie studiere seit dem Sommersemester 1990 an der Technischen Universität Wien als ordentliche Hörerin Architektur. Nach der vorgelegten Arbeitsbescheinigung des Österreichischen Filmmuseums sei sie vom 11. Oktober 1993 bis 31. Mai 1994 und vom 23. September 1994 bis 31. Dezember 1994 arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Das letzte Beschäftigungsverhältnis habe durch Kündigung seitens des Dienstgebers geendet.

Mit Bescheid vom 1. März 1995 gab das Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste Wien dem Antrag mit der Begründung keine Folge, daß die Beschwerdeführerin an der Technischen Universität Wien Architektur studiere.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. In einer niederschriftlichen Einvernahme während des Berufungsverfahrens gab sie an, vom 11. Oktober 1993 bis 31. Dezember 1994 beim selben Dienstgeber beschäftigt gewesen zu sein. Das Dienstverhältnis sei deshalb vom 1. Juni 1994 bis 22. September 1994 unterbrochen worden, weil das Österreichische Filmmuseum aus internen Gründen in dieser Zeit keinen Spielbetrieb abhalte. Am letzten Tag vor der Unterbrechung werde zumeist mündlich vereinbart, daß nach der Spielpause die Arbeitnehmer wieder eingestellt würden. Es handle sich daher nach Auffassung der Beschwerdeführerin um eine Karenzierung, sodaß die Dienstnehmer nach der Sommerpause nicht neu eingestellt würden, sondern ihre nur unterbrochene Tätigkeit wieder aufnähmen. Dazu teilte das Österreichische Filmmuseum mit, "daß es sich bei den gegenständlichen Arbeitsverhältnissen (der Beschwerdeführerin) mit dem Österreichischen Filmmuseum stets um voneinander getrennte Dienstverhältnisse gehandelt hat und auch die jeweiligen aliquoten Sonderzahlungen am 31.5.1994 und am 31.12.1994 verrechnet und ausbezahlt wurden." Die Beschwerdeführerin erklärte zu dieser Mitteilung, es bestehe ihrer Auffassung nach zwischen ihrem Vorbringen, daß im vorliegenden Fall ein einheitliches Dienstverhältnis vorgelegen sei, das nur deshalb unterbrochen worden sei, weil das Filmmuseum als Dienstgeber von Juni bis September keinen Spielbetrieb abhalte, und der Mitteilung des Filmmuseums, wonach es sich um zwei, je voneinander getrennte Dienstverhältnisse gehandelt habe, kein Widerspruch. Tatsache sei, daß das Filmmuseum im genannten Zeitraum keinen Spielbetrieb abhalte und daher - ohne Zutun der Beschwerdeführerin - auch das Dienstverhältnis nicht habe aufrecht erhalten werden können. Aus der Tatsache heraus, daß der Dienstgeber vom arbeitsrechtlichen Standpunkt aus die Lösung gewählt habe, die Beschwerdeführerin abzumelden und mit ihr nach der Sommerpause ein neues Dienstverhältnis zu begründen, vermöge der Standpunkt im Berufungsverfahren nicht erschüttert zu werden. Sie habe aufgrund ihrer Berufstätigkeit in Parallelität zu ihrem Studium durchaus dargetan, daß sich beides über einen längeren Zeitraum hindurch vereinbaren lasse.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Begründend wurde ausgeführt, daß nach Auffassung der belangten Behörde die von § 12 Abs. 4 AlVG geforderte Parallelität von Studium und Dienstverhältnissen restriktiv zu sehen sei, nämlich eingeschränkt auf das letzte Dienstverhältnis vor Eintritt der Arbeitslosigkeit (arg.: "... während des Dienstverhältnisses, das der Arbeitslosigkeit unmittelbar vorangegangen ist"). Aufgrund der Auskunft des Österreichischen Filmmuseums habe die belangte Behörde demnach nur die Beschäftigung der Beschwerdeführerin vom 23. September bis 31. Dezember 1994 als das letzte Dienstverhältnis vor Eintritt der Arbeitslosigkeit gewertet. Da dieses Dienstverhältnis kein halbes Jahr gedauert habe, sei keine Ausnahmegenehmigung gemäß § 12 Abs. 4 AlVG zu erteilen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter anderem in diesem Beschwerdeverfahren mit Beschluß vom 5. September 1995, Zl. A 129/95, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, näher angeführte Satzteile des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG in der Stammfassung, BGBl. Nr. 609/1977, und des § 12 Abs. 4 idF der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 als verfassungswidrig aufzuheben.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 7. März 1996, Zlen. G 72/95 u.a., diesen Bedenken nicht angeschlossen und demgemäß unter anderem den gegenständlichen Antrag abgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125 - unter Einbeziehung der Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes, aufgrund derer er die verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes nicht geteilt hat - ausführlich mit der Interpretation des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG in der Stammfassung und des § 12 Abs. 4 leg. cit. idF der Novellen BGBl. Nr. 817/1993 und 314/1994 befaßt und ist dabei (soweit dies im Beschwerdefall von Bedeutung ist) zum Ergebnis gelangt, daß - bezogen auf einem dem "Studium" im Sinne des § 12 Abs. 4 AlVG obliegenden Arbeitslosen - für die Dauer seines Studiums die (nicht im Ermessen der Behörde stehende) Zulassung einer Ausnahme (vom Ausschluß des Arbeitslosengeldes nach § 12 Abs. 3 lit. f AlVG) gemäß § 12 Abs. 4 leg. cit. die Parallelität von Studium und arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung in mehr als 18 Wochen, grundsätzlich in den letzten 52 Wochen vor Eintritt der Arbeitslosigkeit, voraussetzt. Unter dem für eine Ausnahme nach § 12 Abs. 4 AlVG maßgebenden Gesichtspunkt des Erweises einer objektiven Vereinbarkeit von Studium und Beschäftigung durch die genannte Parallelität ist nicht unbedingt eine solche eines Studiums und einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung unmittelbar vor Eintritt der Arbeitslosigkeit erforderlich; es genügt vielmehr auch ein Werkstudium während mehrerer, im wesentlichen ununterbrochener arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG - unter Hinweis auf § 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965 - verwiesen.

Unter Zugrundelegung dieser Interpretation kommt es im Beschwerdefall für den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Arbeitslosengeld ab dem Tag der Geltendmachung am 9. Februar 1995 darauf an, ob sie (grundsätzlich) in den letzten 52 Wochen vor Eintritt ihrer Arbeitslosigkeit mit Ablauf des 31. Dezember 1994 (vgl. zum Begriff der Arbeitslosigkeit im Regelfall das Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/08/0134) in mehr als 18 Wochen eine Parallelität von Studium und

arbeitslosenversicherungspflichtigem Beschäftigungsverhältnis (mehrerer im wesentlichen ununterbrochener arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse) aufzuweisen hat.

In diesem Zeitraum stand die Beschwerdeführerin unstrittig in zwei arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen zum selben Dienstgeber, nämlich in jener vom 1. Jänner 1994 bis 31. Mai 1994 und vom 23. September 1994 bis 31. Dezember 1994. (Das wäre auch dann so, wenn das erste Dienstverhältnis nicht zum 31. Mai 1994 gelöst, sondern die Beschwerdeführerin nur für die Zeit vom 1. Juni 1994 bis 22. September 1994 gegen Entfall der Bezüge karenziert worden wäre, weil auch dann - ungeachtet der Frage des Vorliegens eines Dienstverhältnisses oder zweier Dienstverhältnisse im arbeitsrechtlichen Sinn - im zuletzt genannten Zeitraum kein arbeitslosenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen wäre: vgl. dazu das Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/08/0141). Wäre, wie die belangte Behörde meint, für die Beurteilung der für die Zulassung einer Ausnahme nach § 12 Abs. 4 AlVG erforderlichen Parallelität nur das letzte Beschäftigungsverhältnis in der Dauer von etwas mehr als 14 Wochen heranzuziehen, so hätte die Beschwerdeführerin diese Parallelität nicht erfüllt. Es ist daher zu prüfen, ob es sich - unter dem für § 12 Abs. 4 AlVG entscheidenden Gesichtspunkt des Erweises einer objektiven Vereinbarkeit von Studium und Beschäftigung - bei den beiden Beschäftigungsverhältnissen um "im wesentlichen ununterbrochene Beschäftigungsverhältnisse" gehandelt hat. Dies ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes deshalb zu bejahen, weil vom Unterbrechungszeitraum der größte Teil auf die Hauptferien entfallen ist, die aber - nach den näheren Darlegungen im schon genannten Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125 - bei der Beurteilung eines solchen Erweises nicht zu berücksichtigen sind. Ist aber demnach in die Beurteilung der Parallelität auch das Beschäftigungsverhältnis vom 1. Jänner 1994 bis 31. Mai 1994 einzubeziehen, so hat die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für eine Zulassung einer Ausnahme nach § 12 Abs. 4 AlVG (im Sinne der Darlegungen im eingangs genannten Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125) erfüllt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl Nr. 416/1994.

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