Normen
AlVG 1977 §36 Abs2;
NotstandshilfeV §2 Abs2;
AlVG 1977 §36 Abs2;
NotstandshilfeV §2 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 14. August 1995 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Perg aus, für den Zeitraum vom 5. Februar 1994 bis zum 8. März 1995 werde der Bezug (gemeint: die Zuerkennung) der der Beschwerdeführerin gewährten Notstandshilfe "widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt" und die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe im Gesamtbetrag von S 92.173,-- verpflichtet. Das Ermittlungsverfahren habe Folgendes ergeben:
"Da die Scheidungsklage nur eingebracht wurde, um der Anrechnung zu entgehen, Sie die Scheidung jedoch nicht wirklich betrieben haben, ist die Anrechnung des Einkommens Ihres Gatten trotzdem vorzunehmen."
In ihrer Berufung gegen diese Entscheidung machte die Beschwerdeführerin u.a. geltend, sie lebe seit 1986 von ihrem Ehegatten, dessen Einkommen nur unter der Voraussetzung eines gemeinsamen Haushaltes zur Beurteilung der Notlage der Beschwerdeführerin heranzuziehen sei, getrennt.
In einer am 21. September 1995 mit dem Ehegatten der Beschwerdeführerin aufgenommenen Niederschrift gab dieser an, es sei 1985 oder 1986 zu einer endgültigen Trennung zwischen ihm und der Beschwerdeführerin gekommen, er und die Beschwerdeführerin hätten sich seither nie gegenseitig finanziell unterstützt und sähen sich "höchstens bei Begräbnissen".
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge. Die belangte Behörde ging davon aus, der Ehegatte der Beschwerdeführerin habe 1994 und 1995 ein monatliches Einkommen von S 12.435,-- gehabt, wovon die Freigrenze von (1994) S 5.345,-- bzw. (1995) S 5.495,-- sowie - auf Grund der nachgewiesenen getrennten Haushaltsführung - im Wege einer maximalen Freigrenzenerhöhung weitere 50 % des Abzugsbetrages, also (1994) S 2.672,50 bzw. (1995) S 2.747,50 monatlich abzuziehen seien. Hieraus ergebe sich ein verbleibender Anrechnungsbetrag von (1994) S 4.417,50 monatlich (täglich S 145,20) bzw. (1995) S 4.192,50 monatlich (täglich S 137,80). Die der Beschwerdeführerin zustehende Notstandshilfe sei daher für die Zeit vom 5. Februar 1994 bis zum 31. Dezember 1994 von täglich S 381,30 auf täglich S 236,10 und für die Zeit vom 1. Jänner 1995 bis zum 8. März 1995 von täglich S 381,30 auf täglich S 243,50 zu berichtigen, woraus sich ein Rückforderungsbetrag von insgesamt S 57.149,-- ergebe.
Zur Einkommensanrechnung trotz getrennter Haushaltsführung gab die belangte Behörde hinsichtlich der von ihr anzuwendenden und im angefochtenen Bescheid auch wiedergegebenen Vorschrift, wonach bei der Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des (der) Arbeitslosen selbst "sowie des mit dem Arbeitslosen (der Arbeitslosen) im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners" zu berücksichtigen seien, Folgendes zu bedenken:
"In einer aufrechten Ehe hat der Partner die Pflicht, den anderen Partner bei der Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes zu unterstützen. Das monatliche Einkommen Ihres Gatten war daher bei Beurteilung der Notlage heranzuziehen."
Des Weiteren begründete die belangte Behörde ihre Ansicht, die Beschwerdeführerin habe durch ein (ihren Angaben zufolge) nur auf Anraten einer Mitarbeiterin des Arbeitsmarktservice eingeleitetes Scheidungsverfahren und die Hinweise darauf bei der Antragstellung "unwahre Angaben" gemacht, weil sie nicht offen gelegt habe, dass "die Einreichung der Scheidung nur gemacht worden war, um der Anrechnung ... zu entgehen". Nähere Rechtsausführungen dazu, auf Grund welcher Vorschriften es - bei getrennter Lebensführung - auf ein anhängiges Scheidungsverfahren und die diesem (nicht der getrennten Lebensführung) zu Grunde liegenden Motive ankomme, enthält die Bescheidbegründung nicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Gemäß § 2 Abs. 2 der Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 388/1989, sind bei der Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des (der) Arbeitslosen selbst sowie des mit dem Arbeitslosen (der Arbeitslosen) im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) zu berücksichtigen. Durch eine vorübergehende Abwesenheit (Kur-, Krankenhausaufenthalt, Arbeitsverrichtung an einem anderen Ort u. ä.) wird der gemeinsame Haushalt nicht aufgelöst. Gleiches gilt, wenn der (die) Arbeitslose die Hausgemeinschaft mit dem Ehepartner (Lebensgefährte bzw. der Lebensgefährtin) nur deshalb aufgegeben hat oder ihr ferngeblieben ist, um der Anrechnung des Einkommens zu entgehen.
Im vorliegenden Fall kann nach den Feststellungen der belangten Behörde nicht davon die Rede sein, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin nur vorübergehend - etwa zu einem Kur- oder Krankenhausaufenthalt oder zu einer Arbeitsverrichtung an einem anderen Ort - abwesend gewesen sei oder die Beschwerdeführerin die Hausgemeinschaft mit ihm nur aufgegeben habe, um der Anrechnung des Einkommens zu entgehen. Die Voraussetzungen der von der belangten Behörde vorgenommenen Einkommensanrechnung lagen daher nicht vor (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 17. Februar 1998, Zl. 96/08/0342). Die rechtspolitischen Überlegungen, mit denen sich die belangte Behörde - auch in der Gegenschrift - über den insoweit klaren Inhalt der von ihr anzuwendenden Rechtsvorschrift hinwegzusetzen versucht, vermögen zu keinem anderen Ergebnis zu führen. Es ist nämlich einerseits zu berücksichtigen, dass es sich bei der Notstandshilfe um eine Versicherungsleistung handelt, auf die sich sozialhilferechtliche Argumentationsmuster nicht in stärkerem Maße, als dies in den die Notstandshilfe regelnden Vorschriften Deckung findet, übertragen lassen, und andererseits nicht erkennbar, wie der von der belangten Behörde vermutete, von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemachte Anspruch auf Geldunterhalt - der nur unter dem Gesichtspunkt des Einkommens der Beschwerdeführerin selbst von Bedeutung sein könnte - zu der von der belangten Behörde vorgenommenen (unmittelbaren) Anrechnung des Einkommens des Ehegatten führen sollte.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. November 2000
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