VwGH 96/05/0211

VwGH96/05/021121.1.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Dr. HE und der Dr. EE, beide in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. Dezember 1994, Zl. MD-VfR - B XXIII - 51/91, betreffend Erteilung eines Bauauftrages, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs1;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 litb;
BauO Wr §9 Abs1 lita;
BauRallg;
VwRallg;
AVG §45 Abs1;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 litb;
BauO Wr §9 Abs1 lita;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 15. Mai 1991 wurde den Beschwerdeführern als Eigentümern des Hauses Wien 23, R-Gasse 48, auf der Liegenschaft EZ nn, KG X, gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien der Auftrag erteilt, innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides den ohne vorher erwirkte Baubewilligung errichteten vollflächigen Holzzaun in einer Länge von ca. 18 m und einer Höhe von ca. 1,80 m bis 2,20 m mit dazwischenliegenden Holzständern in Abständen von ca. 2 m und einer Höhe von ca. 2,50 m zu beseitigen. Dieser Auftrag gelte nicht, wenn innerhalb derselben Frist um nachträgliche Baubewilligung angesucht und diese in der Folge erwirkt werde. In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, daß nach dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplandokument Nr. 6133 die Einfriedung an seitlichen und hinteren Grundgrenzen 2 m nicht überragen und ab einer Höhe von 0,50 m den freien Durchblick nicht hindern dürfe.

Mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. Dezember 1994 wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Im wesentlichen wurde dies damit begründet, daß der vom Bauauftrag umfaßte Zaun erst im September 1990 an jener Stelle errichtet worden sei, an der er sich derzeit befinde. Ein allenfalls vorhandener Konsens für einen früheren, an einer anderen Stelle errichteten Zaun wäre durch die Verschiebung verloren gegangen und es hätte eine neue Baubewilligung beantragt werden müssen. Es bestehe kein Grund anzunehmen, daß der vom Auftrag betroffene Holzzaun auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer nicht von diesen hergestellt worden und deren Eigentum sei. Stelle der Zaun, wie die erstinstanzliche Behörde angenommen habe, eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage dar, dann seien die Beschwerdeführer als Eigentümer der Anlage verpflichtet, den gesetzmäßigen Konsens durch Beseitigung des konsenslosen Bauwerkes wiederherzustellen. Erforderlich sei eine Baubewilligung für Einfriedungen, wenn zu ihrer Herstellung ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich sei, sie mit dem Boden in eine kraftschlüssige Verbindung gebracht würden und wegen ihrer Beschaffenheit geeignet seien, öffentliche Rücksichten zu berühren. Grundvoraussetzung für die Bewilligungspflicht sei somit die Notwendigkeit eines wesentlichen Maßes an bautechnischen Kenntnissen für die Errichtung der Anlage. Dieses Erfordernis sei bei der Herstellung eines vollflächigen, 18 m langen Holzzaunes mit einer Höhe zwischen 1,80 m und 2,20 m zu bejahen, da bei dieser Fläche wegen der zu berücksichtigenden Windkräfte Mindestanforderungen an die Verankerung im Boden zu stellen seien. Der Umstand, daß der Zaun bei Schrägansicht nicht vollflächig erscheine, sondern einen gewissen Durchblick ermögliche, ändere daran nichts. Es sei durchaus denkbar, daß die Beschwerdeführer die für die Errichtung des Zaunes notwendigen wesentlichen bautechnischen Kenntnisse schnell und leicht durch das Studium entsprechender Fachliteratur hätten erlangen können und dann in der Lage gewesen wären, den Zaun selbst herzustellen. Dadurch werde die Notwendigkeit der Kenntnisse aber nicht ausgeschlossen. Das öffentliche Interesse werde bei der Herstellung der Einfriedung nicht bloß wegen des Sicherheitsaspektes berührt, sondern auch wegen der Wirkung im örtlichen Stadtbild. Dies komme deutlich im Beschluß des Wiener Gemeinderates vom 2. März 1990, Pr.Zl. 103/90, Plandokument Nr. 6133, zum Ausdruck, welches besondere Anordnungen für die Ausführung von Einfriedungen treffe. Der Zaun könnte in der vorhandenen Form nicht bewilligt werden. Auch als bewilligungsfreie Einfriedung müßte er dem genannten Plandokument entsprechen und daher in einigen Teilen durch Verringerung seiner Höhe, überall aber durch Beseitigung der Durchsichtshindernisse geändert werden. Ein Zaun, der - wie es die Beschwerdeführer selbst treffend ausdrückten - "bei Schrägsicht durchblickbar ist", erfülle nicht die Forderung des Bebauungsplanes, den freien Durchblick nicht zu hindern. Der vom Bebauungsplan mit dieser Anordnung angestrebte Zweck, ungeachtet der Aufteilung auf einzelne Gärten den Eindruck zusammenhängender größerer Grünflächen zu vermitteln, werde mit einer Konstruktion, die nur unter einem ganz bestimmten Blickwinkel gerade noch den Durchblick ermögliche, nicht erreicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 11. Juni 1996, B 363/95-7, nach Ablehnung ihrer Behandlung an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid ihrem Vorbringen zufolge in dem Recht auf Nichterteilung eines Bauauftrages verletzt, weil der vom Bauauftrag umfaßte Zaun nicht bewilligungspflichtig sei. Er erfordere zur Herstellung kein wesentliches Maß an bautechnischer Kenntnis.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 18/1976 (BO), sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen.

Die Anwendung des § 129 Abs. 10 BO setzt einen bewilligungspflichtigen Bau voraus. Eine bauliche Änderung ist nur dann als konsenswidrig zu qualifizieren, wenn für sie nach der jeweils geltenden Bauordnung eine baubehördliche Bewilligung erforderlich war (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 94/05/0250). Vorschriftswidrig ist somit jeder Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung eine baubehördliche Bewilligung erforderlich war und weiterhin erforderlich ist und für den aber eine Baubewilligung nicht vorliegt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. März 1996, Zl. 93/05/0236).

Gemäß § 60 Abs. 1 lit. b BO ist vor Beginn der Errichtung baulicher Anlagen über und unter der Erde, zu deren Herstellung ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist, die mit dem Boden in eine kraftschlüssige Verbindung gebracht werden und wegen ihrer Beschaffenheit geeignet sind, öffentliche Rücksichten zu berühren, die Bewilligung der Behörde zu erwirken. Öffentliche Rücksichten werden jedenfalls berührt, wenn Einfriedungen gegen Verkehrsflächen, Friedhöfe und Grundflächen für öffentliche Zwecke errichtet werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1988, Zl. 88/05/0184, BauSlg. Nr. 1.197).

Die im § 60 Abs. 1 lit. b BO für das Vorliegen der Bewilligungspflicht sonstiger Anlagen normierten Tatbestandsvoraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Ob eine Einfriedung der hier zu beurteilenden Art bewilligungspflichtig ist, hängt somit jedenfalls auch davon ab, ob zu deren Herstellung ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist. Dabei kommt es nicht auf die subjektiven Fachkenntnisse des Bauführers, sondern darauf an, ob die Errichtung der baulichen Anlage objektiv das Vorliegen eines wesentlichen Maßes bautechnischer Kenntnisse verlangt (vgl. auch hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1988, Zl. 88/05/0184, BauSlg. Nr. 1.197). Für die Errichtung von Einfriedungsmauern und Mauerpfeilern in einer bestimmten Höhe wurde ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse im Sinne des § 45 Abs. 1 AVG offenkundig deshalb für erforderlich angesehen, weil bei nicht sachgemäßer Herstellung eine Einsturzgefahr und sohin eine Gefährdung von Personen und Sachen gegeben ist (vgl. hiezu nochmals das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1988, BauSlg. Nr. 1.197). Aus diesem Grunde wurde auch die Errichtung einer fundierten Einfriedung an der Baulinie für bewilligungspflichtig angesehen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. September 1988, Zl. 88/05/0116, BauSlg. Nr. 1.168). Grundsätzlich kann bei fundierten Einfriedungen, für die auch eine Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen (§ 9 Abs. 1 lit. a BO) erforderlich ist, eine Bewilligungspflicht im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. b angenommen werden (vgl. hiezu Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften, 2. Auflage, Anm. 8 zu § 60 BO). Fundierte Einfriedungen sind solche, zu deren ordnungsgemäßer Herstellung die Errichtung von Fundamenten, sei es als durchlaufendes Streifenfundament oder als Einzelfundament für Säulen (Steher), erforderlich ist (vgl. hiezu Geuder-Hauer, a.a.O., Anm. 3 zu § 9 BO).

Daß im vorliegenden Fall für die ordnungsgemäße Herstellung des vom Bauauftrag betroffenen, offensichtlich an der hinteren Grundgrenze des Grundstückes der Beschwerdeführer errichteten Zaunes angesichts seines Ausmaßes ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse in bezug auf die Gewährleistung der Standsicherheit erforderlich ist, konnte die belangte Behörde schon wegen der zu erwartenden Beanspruchung durch Windkräfte als offenkundig im Sinne des § 45 Abs. 1 AVG annehmen. Ein unsachgemäß errichteter Zaun der hier in Rede stehenden Art stellt im Hinblick auf seine Lage und Größe eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit von Personen dar. Der vorliegende Zaun ist somit auch geeignet, die gemäß § 60 Abs. 1 lit. b BO für die Bewilligungspflicht auch geforderten öffentlichen Rücksichten zu berühren (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 31. Jänner 1980, Zl. 2769/79, und vom 12. September 1989, Zl. 89/05/0089). Daß dieser Zaun baubehördlich nicht bewilligt worden ist, wurde von der belangten Behörde im Ermittlungsverfahren erhoben. Die Beschwerdeführer haben den Nachweis für ihre gegenteiligen Behauptungen nicht erbracht. Die in der mündlichen Verhandlung namhaft gemachten Zeugen sollten nur die ordnungsgemäße Errichtung des Zaunes bestätigen.

Warum das Plandokument Nr. 6.133, auf welches sich die Behörden gestützt haben, nicht anwendbar sein soll, vermögen die Beschwerdeführer nicht einsichtig darzulegen. Im Punkt 3.1.6. dieses vom Gemeinderat der Stadt Wien am 2. März 1990 zu Pr.Z. 103/90 beschlossenen Dokumentes wird angeordnet, daß im Bereich des gesamten Plangebietes - wovon auch die hier gegenständliche Liegenschaft betroffen ist - Einfriedungen an seitlichen und hinteren Grundgrenzen 2,0 m nicht überragen und ab einer Höhe von 0,5 m den freien Durchblick nicht hindern dürfen. Den vorgelegten Verwaltungsakten - insbesondere den darin befindlichen Lichtbildern - ist eindeutig zu entnehmen, daß der hier zu beurteilende Zaun diesen Anforderungen nicht entspricht. Jedenfalls wird der geforderte freie Durchblick verhindert. Das vorzitierte, insoweit auf § 5 Abs. 4 BO gestützte Plandokument verdrängt bezüglich des hier zu beurteilenden Zaunes die Anwendbarkeit des § 86 BO (vgl. § 86 Abs. 3 BO). Für einen Verordnungsprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof - wie in der Beschwerde angeregt - sieht der Verwaltungsgerichtshof keinen Anhaltspunkt.

Ob das entscheidende Organ der Baubehörde erster Instanz befangen war, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Berufungsbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof ohne Relevanz. Insoweit die Beschwerdeführer eine Widersprüchlichkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen versuchen, beziehen sie sich in ihren Ausführungen auf Begründungselemente in einem nicht beschwerdegegenständlichen Berufungsbescheid der belangten Behörde. Warum der hier angefochtene Bescheid aber in seiner Begründung widersprüchlich und damit mangelhaft sein soll, führen die Beschwerdeführer nicht aus.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

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