VwGH 96/04/0190

VwGH96/04/019028.1.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, in der Beschwerdesache 1.) der S in W, 2.) der M in G, 3.) des P in W und 4.) der X-Gesellschaft m.b.H. in W, alle vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. Juni 1996, Zl. MA 63-A 293/95, betreffend Verfahren gemäß § 77 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: A-Gesellschaft m.b.H. in W), den Beschluß gefaßt:

Normen

GewO 1994 §75 Abs2;
GewO 1994 §75 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei stellte am 26. Mai 1994 den Antrag auf Erteilung der Genehmigung zur Errichtung einer Transportbetonmischanlage samt allen Nebenanlagen auf einem näher bezeichneten Standort in Wien. Mit Kundmachung vom 20. Juni 1994 beraumte die Erstbehörde darüber die mündliche Augenscheinsverhandlung für den 26. Juli 1994 an.

Mit Schriftsatz vom 25. Juli 1994 erhoben die Beschwerdeführer gegen die Genehmigung der in Rede stehenden Betriebsanlage Einwendungen und machten darin geltend, die Erst- bis Drittbeschwerdeführer seien Eigentümer einer an die Betriebsliegenschaft angrenzenden Liegenschaft. Sie seien überdies Gesellschafter der Viertbeschwerdeführerin, welche auf dieser Nachbarliegenschaft "eine stadtbekannte Verkaufsstelle von Neu- und Gebrauchtwagen der Marke M samt angeschlossenem Lager und Reparaturwerkstätte" betreibe. Zentrale Baulichkeit dieser Betriebsstätte sei ein sogenannter Rundbau, in welchem sich u.a. die Ausstellräume für Neuwagen befänden. Entsprechend ausnehmend sei daher die Schaufensterfläche. Auf dem Betriebsgelände befänden sich im Freien ständig mehrere Dutzend ausgestellte Gebrauchtwagen, unter diesen viele seinerzeitige Probefahrzeuge mit entsprechend geringem Kilometerstand, sowie ebenfalls ständig rund 20 bis 30 zur Wartung bzw. zum Service eingestellte Fahrzeuge von Kunden. Durch die Errichtung und den Betrieb der verfahrensgegenständlichen Kiesanlage würden erhebliche Mengen von Staub- und Feinsand emittiert. Verbunden mit der erheblichen Verkehrsbelastung von 200 bis

400 Lkw-Transporten täglich sei mit erheblichem Schmutz, Staub, Lärm und Abgasen zu rechnen. Gleiches gelte für die Zementladetätigkeit. Die Entleerung erfolge erfahrungsgemäß lautstark und unter erheblicher Staubbelastung. Dies gelte auch für Ladevorgänge unter Zuhilfenahme von Preßluft. All dies führe zum einen zu einer unakzeptablen Gesundheitsgefährdung und -beeinträchtigung der im Betrieb der Viertbeschwerdeführerin beschäftigten Dienstnehmer, und zwar insbesondere durch die zu erwartende Lärm-, Geruchs- und Staubentwicklung. Zum anderen sei auf Grund des im Betrieb der Viertbeschwerdeführerin stattfindenden Handels samt Wartung und Reparatur von M-Fahrzeugen, also Fahrzeugen der gehobenen Wagenklasse, davon auszugehen, daß das Zielpublikum dieser Ware entsprechende Ansprüche an das Verkaufsambiente stelle. Ständig verstaubte Ausstellungsfahrzeuge sowie Schaufenster, hohe Lärmentwicklung infolge großer Dichte von Lkw-Transporten sowie die damit einhergehende faktische Verkehrsdichte könnten auf das genannte Zielpublikum nur abschreckend wirken. Die Viertbeschwerdeführerin rechne im Falle der Genehmigung der Betriebsanlage daher mit gravierenden Geschäftseinbußen. Eine weitere Eigentumsbeeinträchtigung liege darin, daß der durch den Betrieb der in Rede stehenden Betriebsanlage zu erwartende feine Staub und Flugsand sich auf den im Freien befindlichen Fahrzeugen festsetze und die hohe Gefahr bestehe, daß deren Lack dadurch Schäden nehme. Dies gelte nicht nur für im Eigentum der Viertbeschwerdeführerin stehende, dem Verkauf zuzuführende Fahrzeuge, sondern auch für Fahrzeuge von Kunden, die sich zu Zwecken der Wartung oder Reparatur auf dem Betriebsgelände im Freien befänden. Die Gefahr der damit einhergehenden Vermögensnachteile lasse sich gar nicht hoch genug beziffern.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. Juni 1996 wurde der mitbeteiligten Partei die Genehmigung der in Rede stehenden Betriebsanlage gemäß §§ 74 und 77 Abs. 1 GewO 1994 unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Die Beschwerde erweist sich aus folgenden Gründen als nicht zulässig.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

  1. 1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; ...
  2. 2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

    ...

Gemäß § 75 Abs. 1 leg. cit. ist unter Gefährdung des Eigentums im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes des Eigentums nicht zu verstehen.

Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen sind Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Absatzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.

Gemäß § 356 Abs. 3 leg. cit. sind in einem Betriebsanlagengenehmigungsverfahren, unbeschadet der Regelung des hier nicht in Betracht kommenden zweiten Satzes dieses Absatzes, nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.

Eine Einwendung muß, um auf Grund des § 356 Abs. 3 leg. cit. zu bewirken, daß ein Nachbar Parteistellung erlangt, somit auf einen oder mehrere der Tatbestände des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 leg. cit., im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 auf einen oder mehrere der dort vorgesehenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder eine "in anderer Weise" auftretende Einwirkung) abgestellt sein. Nur wer eine solche Einwendung rechtzeitig erhebt, erlangt im Rahmen dieser Einwendung als Nachbar Parteistellung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1995, Zl. 94/04/0196).

Der Inhalt der oben wiedergegebenen Einwendungen der Beschwerdeführer in ihrem zur mündlichen Augenscheinsverhandlung erster Instanz erstatteten Schriftsatz läßt sich dahin zusammenfassen, daß einerseits eine Gefährdung des Eigentums der Viertbeschwerdeführerin in Form von "gravierenden Geschäftseinbußen" als Folge der Verstaubung der zum Verkauf angebotenen Fahrzeuge und der Schaufenster sowie einer Beschädigung des Lacks der im Freien befindlichen Fahrzeuge durch den Staub und andererseits eine "Gesundheitsgefährdung und -beeinträchtigung" der im Betrieb der Viertbeschwerdeführerin beschäftigten Dienstnehmer durch Lärm, Geruch und Staubentwicklung geltend gemacht wird. Ausgehend von der oben dargestellten Rechtslage war dieses Vorbringen nicht geeignet, den Beschwerdeführern in dem über den Genehmigungsantrag der mitbeteiligten Partei abgeführten Verwaltungsverfahren Parteistellung zu verschaffen. Insoweit darin nämlich eine Eigentumsgefährdung geltend gemacht wird, ist aus dem dazu erstatteten Sachverhaltsvorbringen die Behauptung einer die bloße Möglichkeit einer Minderung des Verkehrswertes übersteigenden Beeinträchtigung der Substanz des Eigentums auch nur einer der beschwerdeführenden Parteien nicht erkennbar. Nach der Regelung des § 75 Abs. 1 GewO 1994 wird mit diesem Vorbringen somit die Gefahr einer Gefährdung des Eigentums der Beschwerdeführer im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 nicht dargetan.

Soweit die Beschwerdeführer aber eine Gefährdung der Gesundheit oder eine Belästigung der Dienstnehmer der Viertbeschwerdeführerin geltend machten, kann dieses Vorbringen deshalb nicht als Einwendung eines Nachbarn im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 qualifiziert werden, weil es einerseits keine persönliche Gefährdung der Erst- bis Drittbeschwerdeführer (eine solche der Viertbeschwerdeführerin kommt infolge ihrer Eigenschaft als juristische Person nicht in Betracht) zum Gegenstand hat und den Beschwerdeführern andererseits nicht die Stellung eines Inhabers einer Einrichtung im Sinne des § 75 Abs. 2 letzter Satz GewO 1994 und damit auch nicht eine auf diesen Tatbestand gestützte Nachbareigenschaft zukommt. Wie sich der beispielsweisen Aufzählung "Beherbergungsbetriebe, Krankenanstalten, Heime" entnehmen läßt, sind nämlich unter "Einrichtungen" im Sinne dieser Gesetzesstelle nur solche zu verstehen, in denen der vorübergehende Aufenthalt von Personen durch eine für derartige "Einrichtungen" typische Art der Inanspruchnahme gekennzeichnet ist (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1995, Zl. 94/04/0196). Der Aufenthalt von Dienstnehmern eines Handels- und Reparaturbetriebes für Kraftfahrzeuge in diesem Betrieb ist aber mit der Art des Aufenthaltes der Insassen bzw. Kunden in den im § 75 Abs. 2 letzter Satz GewO 1994 beispielsweise aufgezählten Einrichtungen nicht vergleichbar.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß das Vorbringen der Beschwerdeführer in ihrem an die Erstbehörde gerichteten Schriftsatz vom 25. Juli 1994 nicht als Einwendungen von Nachbarn im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 qualifiziert werden kann, sodaß sie dadurch auch nicht die Stellung von Parteien in dem dem Verwaltungsgerichtshof zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren erworben haben.

Im Grunde des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde - nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges - wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde (nur) erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Dabei kommt es lediglich darauf an, ob der Beschwerdeführer nach der Lage des Falles in einem Recht verletzt sein konnte und nicht etwa darauf, ob ihm in dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren die Stellung einer Partei eingeräumt wurde (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 4. Juli 1968, Slg. N. F. Nr. 7387/A).

In den in der Gewerbeordnung 1994 festgelegten Nachbarrechten können Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 leg. cit. durch einen nach § 77 ergehenden Genehmigungsbescheid nur im Rahmen ihrer nach § 356 Abs. 3 leg. cit. rechtzeitig erhobenen Einwendungen, mit denen sie ihre Parteistellung im Genehmigungsverfahren begründet haben, verletzt werden. Da die Beschwerdeführer, wie oben dargelegt wurde, mangels Erhebung geeigneter qualifizierter Einwendungen keine Parteirechte in dem über das Genehmigungsansuchen der mitbeteiligten Partei abgeführten Verwaltungsverfahren erwarben, konnten sie somit auch durch den angefochtenen Bescheid nicht in diesbezüglichen Rechten verletzt sein.

Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführer zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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