VwGH 96/04/0094

VwGH96/04/00943.9.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. Februar 1996, Zl. MA 63 - T 5/96 , betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §78 Abs2;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3;
GewO 1994 §78 Abs2;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. Februar 1996 wurde der Beschwerdeführerin im Instanzenzug die ihr zustehende Gewerbeberechtigung "Gastgewerbe in der Betriebsart eines Kaffee-Restaurants mit den Berechtigungen nach § 189 Abs. 1 GewO 1973 Z. 2 Verabreichung von Speisen jeder Art und Verkauf von warmen und angerichteten kalten Speisen; Z. 3 Ausschank von alkoholischen Getränken und der Verkauf dieser Getränke in unverschlossenen Gefäßen; Z. 4 Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und der Verkauf dieser Getränke in unverschlossenen Gefäßen; beschränkt auf die in der Planskizze, die einen Bestandteil des Konzessionsdekretes bildet, bezeichneten Betriebsräume und Betriebsflächen" an einem näher bezeichneten Standort in Wien gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 entzogen. Nach der Begründung dieses Bescheides wurden über die Beschwerdeführerin in der Zeit zwischen Juni 1992 und 23. Mai 1995 insgesamt 16 (im einzelnen dargestellte) Verwaltungsstrafen rechtskräftig verhängt. Zehn dieser Verurteilungen erfolgten nach § 367 Z. 26 GewO 1973, weil die Beschwerdeführerin beim Betrieb ihrer gastgewerblichen Betriebsanlage verschiedene Auflagen des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides nicht eingehalten habe. Zwei Bestrafungen hätten Übertretungen nach § 99 Abs. 3 lit. d iVm § 82 Abs. 1 StVO 1960 (unerlaubtes Anbringen von Werbematerial) betroffen. Eine weitere Bestrafung sei nach § 368 Z. 10 iVm § 157 Abs. 2 GewO 1973 und nach § 1 Abs. 1 lit. f der (Wiener) Sperrstundenverordnung 1982 erfolgt. Ferner sei die Beschwerdeführerin nach § 74 Abs. 5 Z. 3 des Lebensmittelgesetzes 1975 iVm § 20 leg. cit. wegen der Verletzung einer Reihe von Hygienevorschriften bestraft worden. Eine weitere Bestrafung sei nach § 368 Z. 14 iVm § 150 Abs. 1 GewO 1994 erfolgt, weil die Beschwerdeführerin beim Betrieb ihres Gastgewerbebetriebes keine Sorte eines kalten nichtalkoholischen Getränkes zu einem nicht höheren Preis ausgeschänkt habe, als das am billigsten angebotene kalte alkoholische Getränk. Schließlich sei die Beschwerdeführerin nach § 3 der Verordnung zum Bazillenausscheidergesetz iVm § 9 des Bazillenausscheidergesetzes bestraft worden, weil sie in dem von ihr geführten Gastgewerbebetrieb eine Kellnerin und einen Koch und Kellner mit der Abgabe von zum unmittelbar menschlichen Genuß dienenden Nahrungsmitteln beschäftigt habe, ohne daß durch ein gültiges amtsärztliches Zeugnis nachgewiesen worden wäre, daß gegen diese Beschäftigung keine Bedenken obwalteten. Bei diesen Verurteilungen handle es sich durchwegs um Übertretungen solcher Rechtsvorschriften, die nach ihrem Regelungsgegenstand die im Zusammenhang mit der Ausübung von Gastgewerben zu beachtenden öffentlichen Interessen bestimmten bzw. mitbestimmten. In diesem Zusammenhang habe die Behörde erster Instanz zutreffend ausgeführt, daß es sich gerade bei den Bestimmungen des Lebensmittel- und Bazillenausscheidergesetzes um Rechtsvorschriften handle, die bei Ausübung des Gastgewerbes besonders im Lichte einer Hintanhaltung von gesundheitlichen Gefährdungen von Gästen zu beachten seien. Auch die Verurteilungen nach der Straßenverkehrsordnung seien für das gegenständliche Gewerbeentziehungsverfahren relevant, da den diesbezüglichen Verwaltungsstrafakten eindeutig zu entnehmen sei, daß die Verwaltungsübertretungen im Zusammenhang mit der Gewerbeausübung begangen worden seien, weil Werbezettel für das verfahrensgegenständliche Cafe-Restaurant auf den in der Nähe dieser Betriebsanlage abgestellten Kraftfahrzeugen hinterlegt worden seien. Die sich aus diesen verwaltungsstrafbehördlich geahndeten Verfehlungen manifestierende Vorgangsweise der Beschwerdeführeirn und das daraus zu gewinnende Persönlichkeitsbild ließen jedenfalls die Befürchtung gerechtfertigt erscheinen, daß die Beschwerdeführerin auch hinkünftig bei Ausübung ihres Gastgewerbes gegen die dabei zu beachtenden öffentlichen Interessen verstoßen werde. Diese Befürchtung werde durch den Inhalt der Verwaltungsstrafakten und den teilweise darin enthaltenen Polizeiberichten bzw. Marktamtserhebungen, gegen deren Glaubwürdigkeit keine Bedenken bestünden, wonach auch erhebliche hygienische Mißstände im Gastgewerbelokal der Beschwerdeführerin vorlägen, bestätigt. Auch rechtfertige die wiederholte Nichteinhaltung von Bescheidauflagen, die dem Schutz der Nachbarn vor Immissionen durch Lärm aus dem Gastgarten und der Betriebsanlage dienten, die Annahme, daß auch hinkünftig bei Ausübung des Gastgewerbes durch die Beschwerdeführerin das öffentliche Interesse am Schutz der Nachbarn vor nachteiligen Einflüssen (z.B. Lärm) und Gefahren, die mit dem Betrieb einer Betriebsanlage verbunden seien, keine Berücksichtigung finden würden. Ein schwerwiegender Verstoß gegen die die Interessen im Sinne des § 87 Abs. 3 Z. 3 GewO 1994 sichernden Rechtsvorschriften sei zwar nicht schon im Falle einer geringfügigen Verwaltungsübertretung, wohl aber, wie im vorliegenden Fall, dann gegeben, wenn durch eine Vielzahl geringer Übertretungen ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten des Gewerbeinhabers zu befürchten sei. Die Behörde sei bei der Beurteilung, ob die Gewerbeinhaberin die erforderliche Zuverlässigkeit besitze oder nicht, an rechtskräftige Bestrafungen zwar insofern gebunden, als damit die Tatsache der Handlungen oder Unterlassungen, deretwegen die Bestrafung erfolgt sei, feststünden, sie habe aber im Entziehungsverfahren unabhängig davon das sich ergebende Persönlichkeitsbild des Gewerbeinhabers zu untersuchen. In diesem Zusammenhang könne den Ausführungen der Beschwerdeführerin, wonach für die den Gegenstand dieses Verfahrens bildenden Rechtsfragen bloß jene Verwaltungsstrafverfahren heranzuziehen seien, deren Gegenstand einen Verstoß gegen nach wie vor aufrechte Auflagen des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides bildeten, nicht gefolgt werden, da rechtskräftig vorgeschriebene Auflagen während des Betriebs der Betriebsanlage einzuhalten seien. Eine nachträgliche Änderung von Bescheidauflagen ändere nichts an der Tatsache, daß im Geltungszeitraum der ursprünglichen Auflagen diese nicht eingehalten worden seien. Alle zitierten Verwaltungsstrafverfahren seien daher bei Beurteilung der Zuverlässigkeit der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen gewesen. Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes sei die Zuverlässigkeit der Beschwerdeführerin für die Ausübung des in Rede stehenden Gastgewerbes nicht mehr gegeben, weshalb gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 die Entziehung der Gewerbeberechtigung zu verfügen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Unterbleiben der Entziehung ihrer Gewerbeberechtigung verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes macht sie geltend, die belangte Behörde votiere ihren Einwand, zahlreiche Auflagen, deretwegen die Beschwerdeführerin verfolgt und bestraft worden sei, seien auch von der Gewerbebehörde für unsinnig oder unpraktikabel gehalten und daher in der Folge aufgehoben worden, mit dem lapidaren Hinweis ab, rechtskräftig vorgeschriebene Auflagen seien während des Betriebes der Betriebsanlage einzuhalten. Eine derart formalistische Betrachtungsweise sei entschieden abzulehen. Die belangte Behörde hätte vielmehr auf den Inhalt der Strafverfahren einzugehen gehabt, um das Persönlichkeitsbild der Beschwerdeführerin beurteilen zu können. Daß unpraktikable, unsinnige oder nicht erfüllbare Auflagen weit eher zur Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens, in dem die Sinnhaftigkeit einer derartigen Auflage nicht zu prüfen sei, und daher auch zu einer Bestrafung eines Gewerbeberechtigten führen könnten, als vernünftige Auflagen, liege auf der Hand. Ein Indiz dafür, ob Auflagen vernünftig, praktikabel und einhaltbar seien, sei jedenfalls auch deren Bestanddauer. Der Verstoß gegen eine Auflage, die bloß Selbstzweck sei und von deren Berücksichtigung gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1994 von der Behörde Abstand zu nehmen sei, könne wohl unter keinen Umständen als schwerwiegender Verstoß im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 qualifiziert werden. Die belangte Behörde wäre daher verhalten gewesen, jedenfalls den Inhalt des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides und die dazu ergangenen Bescheide im Sinne des § 78 Abs. 2 GewO 1994 festzustellen. Sie wäre dann zu dem Ergebnis gekommen, daß einige (näher dargestellte) Auflagen entfallen bzw. durch andere Auflagen ersetzt worden seien. Von schwerwiegenden Verstößen könne bei der Nichteinhaltung dieser Auflagen daher nicht gesprochen werden. Dies umso weniger, als alle diese Verfahren auf Initiative eines Nachbarn eingeleitet worden seien, der auch vom unabhängigen Verwaltungssenat Wien in vorsichtiger Weise als der Beschwerdeführerin gehässig qualifiziert worden sei. Unter diesem Gesichtspunkt seien auch die Verstöße gegen die Sperrstunde zu sehen, von denen drei das Nichteinhalten der Sperrstunde für den Schanigarten und ein Verfahren den nicht rechtzeitigen Abschluß der Aufräumarbeiten im Schanigarten beträfen. Bloß ein einziges Mal sei wegen Überschreitung der Sperrstunde ein Verwaltungsstrafverfahren gegen die Beschwerdeführerin eingeleitet worden, das zwar rechtskräftig abgeschlossen worden sei, aber dennoch flagrant rechtswidrig gewesen sei. Berücksichtige man schließlich, daß die Verletzungen der Sperrstunde in die Jahre 1992 und 1993 sowie Anfang 1994 zurückreichten und die Beschwerdeführerin seit nunmehr mehr als zwei Jahren keine vergleichbaren Delikte zu verantworten habe, könne es wohl nicht angehen, aus dem zweimaligen Verteilen von Werbematerial, einem Verstoß gegen das Lebensmittelgesetz und das Bazillenausscheidergesetz sowie einem Verstoß gegen die "exotisch" anmutende Bestimmung über das Ausschenken eines kalten nichtalkoholischen Getränkes zu einem nicht höheren Preis als das am billigsten angebotene kalte alkoholische Getränk, Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der Beschwerdeführerin abzuleiten, die ihre gewerberechtliche Unzuverlässigkeit begründen könnten. Schon gar nicht könne es angehen, daß die belangte Behörde für diese "Persönlichkeitsbeurteilung" angeblich zehn derzeit anhängige Verfahren heranziehe, zumal dann nicht, wenn sie sich mit dem Inhalt dieser noch nicht rechtskräftig erledigten Verfahren nicht einmal auseinandersetze. Die Berücksichtigung solcher Verfahren verbiete sich allein schon im Hinblick auf die vom UVS Wien zutreffend erkannten Gehässigkeiten des genannten Nachbarn.

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung in Ansehung des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt. Schutzinteressen im Sinne dieser Gesetzesstelle sind nach dem Schlußsatz des § 87 Abs. 1 leg. cit. insbesondere die Hinanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs sowie der illegalen Prostitution.

Durch die Einschränkung auf "schwerwiegende" Verstöße soll, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. März 1996, Zl. 94/04/0193, ausgesprochen hat, sichergestellt werden, daß nicht schon jede geringfügige Verletzung der bei Ausübung des Gewerbes zu beachtenden Rechtsvorschriften zur Entziehung der Gewerbeberechtigung führen kann. So liegt - abgesehen von an sich als schwerwiegend zu wertenden Verstößen - ein solcher zwar nicht schon im Fall jeder geringfügigen Verwaltungsübertretung vor, wohl aber dann, wenn durch eine Vielzahl geringfügiger Übertretungen ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten des Gewerbeinhabers zu befürchten ist.

Ausgehend von dem so zu verstehenden normativen Gehalt der "erforderlichen Zuverlässigkeit" kann die Beurteilung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin besitze im Hinblick auf die beträchtliche Anzahl einschlägiger (rechtskräftiger) Verwaltungsstrafen nicht mehr die für die Ausübung des Gastgewerbes erforderliche Zuverlässigkeit, aus der Sicht des Beschwerdefalles aber nicht als rechtswidrig erkannt werden. Denn unabhängig vom Gewicht der einzelnen Verurteilungen vermag der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick darauf, daß über die Beschwerdeführerin innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren insgesamt 16 Verwaltungsstrafen wegen im Zusammenhang mit der Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes begangener Straftaten rechtskräftig verhängt wurden, die Annahme der belangten Behörde, es sei auch in Hinkunft ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten der Beschwerdeführerin zu befürchten, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Dies umso weniger, als dem Beschwerdevorbringen die Einstellung der Beschwerdeführerin zu entnehmen ist, nach eigener Beurteilung zu entscheiden, welche Vorschriften einer Beachtung wert sind und welche als unsinnig und daher als unbeachtlich zu werten sind. Die Beschwerdeführerin irrt nämlich, wenn sie meint, daß allein deshalb, weil eine Reihe von Auflagen, wegen deren Nichtbeachtung sie bestraft wurde, in der Folge in Anwendung der Bestimmung des § 78 Abs. 2 GewO 1994 beseitigt wurden, diese Verurteilungen bei Beurteilung ihrer Zuverlässigkeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 nicht zu berücksichtigen seien. Auch kommt es nicht darauf an, über wessen Veranlassung das letztlich zu einer Verurteilung führende Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet wurde.

Der Vorwurf, die belangte Behörde habe ihrer Beurteilung der Zuverlässigkeit der Beschwerdeführerin auch noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Verwaltungsstrafverfahren zugrundegelegt, ist schließlich ebenso aktenwidrig, wie die Behauptung, die belangte Behörde habe sich mit den den einzelnen Verurteilungen zugrundeliegenden Straftaten nicht auseinandergesetzt. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich vielmehr, daß die belangte Behörde ihre Entscheidung einerseits nur auf bereits rechtskräftig abgeschlossene Verwaltungsstrafverfahren stützte und andererseits jede der dieser Verurteilungen zugrundeligenden Straftaten im Detail darlegte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhang mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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