VwGH 96/03/0368

VwGH96/03/036816.4.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des C in K, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 10. Oktober 1996, Zl. 15/152-4/1996, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
StVO 1960 §5 Abs1;
VStG §29a;
AVG §56;
StVO 1960 §5 Abs1;
VStG §29a;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der an die Bezirkshauptmannschaft Kufstein erstatteten Anzeige vom 12. April 1996 wurde dem Beschwerdeführer eine am 11. April 1996 an einer näher bezeichneten Örtlichkeit in Kufstein begangene Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 zur Last gelegt. Als Beschäftigung des Beschwerdeführers wurde "dzt Wehrmann, gelernter Tischler", als Anschrift "K" angegeben. Mit Schreiben vom 16. April 1996 trat die Bezirkshauptmannschaft Kufstein den Akt "gem. § 29a VStG und § 76 Abs. 4 KFG" der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel ab.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 10. Mai 1996 wurde der Beschwerdeführer wegen der ihm in der Anzeige angelasteten Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von S 10.000,-- bestraft. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der u.a. geltend machte, daß das Straferkenntnis von einer unzuständigen Behörde erlassen worden sei. Die Abtretung des Aktes an die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel sei rechtswidrig gewesen, weil die Voraussetzungen des § 29a VStG nicht vorgelegen hätten. Der Beschwerdeführer sei nämlich "zum Zeitpunkt des verfahrensgegenständlichen Ereignisses" als Präsenzdiener in der Kaserne in Kufstein stationiert gewesen und werde dies auch noch bis zum 29. August 1996 sein.

Diese Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde u.a. ausgeführt, daß die Zuständigkeitsübertragung zu Recht erfolgt sei, weil "im Gegenstandsfall" als Wohnort des Beschwerdeführers K angegeben sei, "zugleich als Beschäftigung - derzeit Wehrmann - jedoch ohne Ortsangabe ausgeführt werde".

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer macht unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend, daß die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel zur Erlassung des Straferkenntnisses vom 10. Mai 1996 nicht zuständig gewesen sei, zumal die Veraussetzungen des § 29a VStG auf Übertragung der Zuständigkeit nicht vorgelegen seien. Aus der Anzeige sei nämlich für die Bezirkshauptmannschaft Kufstein erkennbar gewesen, daß der Beschwerdeführer zum seinerzeitigen Zeitpunkt Präsenzdiener in der Kaserne in Kufstein gewesen sei. Darüber hinaus seien auch die amtshandelnden Personen, die als Zeugen in Frage gekommen seien, im Bezirk Kufstein wohnhaft gewesen.

Gemäß § 29a VStG kann die zuständige Behörde das Strafverfahren an die sachlich zuständige Behörde übertragen, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, wenn hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 31. Mai 1985, Zl. 85/18/0211) ist die Übertragung nach § 29a VStG kein Bescheid, sondern eine verfahrensrechtliche Anordnung. Als solche unterliegt sie keiner abgesonderten Anfechtung und, mangels Bescheidcharakters, auch keiner Bekämpfung vor dem Verwaltungsgerichtshof. Ist die verfahrensrechtliche Anordnung mit Rechtswidrigkeit behaftet, so kann diese bei Anfechtung des ihr folgenden Bescheides geltend gemacht werden. Bei Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Übertragung nach § 29a VStG ist darauf Bedacht zu nehmen, ob nach der Aktenlage im Zeitpunkt der Übertragung zu erwarten war, daß das Verfahren hiedurch "wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird".

Für diese Annahme bot die Aktenlage im Zeitpunkt der Übertragung im Beschwerdefall keine zureichende Grundlage. Aus der zum damaligen Zeitpunkt den einzigen Aktenbestandteil bildenden Anzeige ging hervor, daß es sich beim Beschuldigten, dem Beschwerdeführer, um einen den Präsenzdienst leistenden Soldaten mit einer Heimatanschrift in der im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel gelegenen Gemeinde K handelte. In einem solchen Fall konnte im Hinblick auf den durch eine Kasernierung bestimmten Aufenthalt des Soldaten nur dann erwartet werden, daß das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer durch die Übertragung an die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel wesentlich vereinfacht oder beschleunigt würde, wenn der Beschwerdeführer nicht oder nur noch kurze Zeit außerhalb des Sprengels dieser Bezirkshauptmannschaft kaserniert wäre. Da hiefür nicht die geringsten Anhaltspunkte vorlagen, mangelte der Übertragung gemäß § 29a VStG die gesetzliche Grundlage.

Dies verkannte die belangte Behörde, sodaß der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war. Ein Eingehen auf das weitere Vorbringen in der Beschwerde erübrigte sich.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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