VwGH 96/03/0338

VwGH96/03/033820.10.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Gruber und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des WS in Wien, vertreten durch Dr. Erich Proksch und Dr. Diethard Schimmer, Rechtsanwälte in 1130 Wien, Auhofstraße 1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. August 1996, Zl. VI/4-J-65, betreffend Entziehung der Jagdkarte, zu Recht erkannt:

Normen

JagdG NÖ 1974 §61 Abs1 Z8;
JagdG NÖ 1974 §62;
JagdRallg;
KFG 1967 §66;
StGB §81 Z2;
StGB §89;
VwRallg;
JagdG NÖ 1974 §61 Abs1 Z8;
JagdG NÖ 1974 §62;
JagdRallg;
KFG 1967 §66;
StGB §81 Z2;
StGB §89;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die dem Beschwerdeführer ausgestellte NÖ Jagdkarte für ungültig erklärt und auf die Dauer von drei Jahren ab Rechtskraft dieses Bescheides entzogen.

Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 27. Mai 1994 mit einem Jagdgewehr in einem näher bezeichneten Jagdrevier aus ca. 130 m Entfernung auf einen Rehbock geschossen, obwohl durch den Geländeabfall zu einer Ortschaft hin kein Kugelfang gegeben gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe den Bock verfehlt und das Geschoss habe in einer Entfernung von ca. 500 m in einem näher bezeichneten Ortsgebiet bei einem Familienhaus das dreifach verglaste Kinderzimmerfenster, den Vorhang sowie den Kasten durchschlagen. In weiterer Folge seien der Geschoßkern bzw. Geschoss-Splitter ca. 50 cm oberhalb vom Bett in die Tapetenwand und von dort auf das innere Türblatt der Kinderzimmertür geprallt. Deshalb sei der Beschwerdeführer vom Bezirksgericht Stockerau mit Strafverfügung rechtskräftig wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (§ 81 Z. 2) StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen a S 300,-- verurteilt worden.

Wie es in der Begründung weiters heißt, handle es sich beim gegenständlichen Vorfall um eine äußerst unvorsichtige Anwendung der Jagdwaffe, wie der jagdfachliche Amtssachverständige in seinem Gutachten näher ausgeführt habe. Dieses bisherige Verhalten lasse gemäß § 61 Abs. 1 Z. 8 NÖ Jagdgesetz 1974 besorgen, dass der Beschwerdeführer auch in Zukunft mit Jagdwaffen unvorsichtig umgehen werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 61 Abs. 1 Z. 8, 11 und 13 des NÖ Jagdgesetzes 1974, LGBl. 6500-8, ist die Ausstellung einer Jagdkarte Personen "zu

verweigern,

...

8. deren bisheriges Verhalten besorgen lässt, dass sie Jagdwaffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden, oder dass sie mit Jagdwaffen unvorsichtig und unsachgemäß umgehen werden oder dass sie Jagdwaffen nicht sorgfältig verwahren werden,

...

11. die wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt worden sind, sofern und solange dies wegen der Art der strafbaren Handlung und der Persönlichkeit des Verurteilten erforderlich erscheint. Die Ausstellung der Jagdkarte kann bis zur Tilgung der Verurteilung verweigert werden,

...

13. die nach ihrem bisherigen Verhalten keine Gewähr für eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Ausübung der Jagd bieten, für längstens fünf Jahre,

..."

Gemäß § 61 Abs. 2 NÖ Jagdgesetz 1974 hat die Verweigerung oder Entziehung der Jagdkarte mindestens auf ein Jahr zu erfolgen.

Wenn Tatsachen, derentwegen die Ausstellung einer Jagdkarte zu verweigern ist, erst nach der Ausstellung eintreten oder der Behörde, welche die Jagdkarte ausgestellt hat, nachträglich bekannt werden, ist die Behörde gemäß § 62 NÖ Jagdgesetz 1974 verpflichtet, die Jagdkarte für ungültig zu erklären und diese unter Festsetzung der Entziehungsdauer einzuziehen.

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, dass das Parteiengehör verletzt worden sei, weil ihm zwar das Recht zur Stellungnahme eingeräumt worden sei, er diese Gelegenheit auch genützt habe, aber auf seine Vorsprache keine Rücksicht genommen worden sei. Seine Stellungnahme sei nicht abgewartet worden. Der Bescheid sei (vielmehr) schon fertig und die Aufforderung zur Stellungnahme offenbar "nur Schein" gewesen. Die Behörde habe das Parteiengehör nicht wahren wollen.

Der Beschwerdeführer verkennt dabei, dass sich das Parteiengehör darin erschöpft, dass der Partei Gelegenheit gegeben wird, zu dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. In dem Umstand, dass sich die Behörde mit einem bestimmten Parteienvorbringen nicht auseinander gesetzt hat, kann ein wesentlicher Begründungsmangel gelegen sein (vgl. schon das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. März 1956, Slg. Nr. 4007/A). Es wäre Sache des Beschwerdeführers gewesen, die Wesentlichkeit eines allfälligen Begründungsmangels aufzuzeigen. Davon abgesehen hat die belangte Behörde - der Beschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang auch geltend, seine "weiteren Beweisanträge" seien in keiner Weise berücksichtigt und es sei auch nicht begründet worden, warum diesen nicht entsprochen worden sei - die Nichtdurchführung der vom Beschwerdeführer geforderten Ermittlungen damit begründet, dass sie den Sachverhalt auf Grund der ihr vorliegenden Ermittlungsergebnisse als ausreichend angesehen habe.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, im erstinstanzlichen Bescheid sei die Entziehung der Jagdkarte mit § 61 Abs. 1 Z. 8 und Z. 11 NÖ Jagdgesetz 1974 begründet worden. Im angefochtenen Bescheid habe sich die belangte Behörde lediglich "auf die Begründung des § 61 Zif. 8 und Zif. 13" NÖ Jagdgesetz 1974 gestützt. Der Beschwerdeführer zieht daraus den Schluss, dass § 61 Abs. 1 Z. 11 NÖ Jagdgesetz 1974 im gegenständlichen Fall nicht heranzuziehen sei, weil zwar eine rechtskräftige Bestrafung vorliege, die Art der strafbaren Handlung und der Persönlichkeit des Verurteilten die Maßnahme des Entzugs der Jagdkarte aber nicht als erforderlich erscheinen lasse.

Für den Verwaltungsgerichtshof ist nicht erkennbar, welchen rechtlichen Schluss der Beschwerdeführer aus diesen Ausführungen zu ziehen sucht. Dass die Verweigerung der Ausstellung der Jagdkarte bzw. der Entzug der Jagdkarte in einem Fall wie dem vorliegenden ausschließlich auf § 61 Abs. 1 Z. 8 NÖ Jagdgesetz 1974 gestützt werden könnte, wird vom Beschwerdeführer gar nicht in Zweifel gezogen.

Der Beschwerdeführer legt das Schwergewicht seiner Argumentation darauf, dass die jagdliche Zuverlässigkeit so zu sehen sei wie die Verkehrszuverlässigkeit und die in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur erarbeiteten (in der Beschwerde näher ausgeführten) Grundsätze hinsichtlich der Verkehrszuverlässigkeit im Beschwerdefall heranzuziehen seien.

Dazu ist zunächst festzustellen, dass die Wertungskriterien des § 61 Abs. 1 Z. 8 NÖ Jagdgesetz 1974 nicht mit jenen der "Verkehrszuverlässigkeit" im Sinne des vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten § 66 KFG 1967 gleichgesetzt werden können. Geht es nach Abs. 1 der letztgenannten Vorschrift doch darum, dass eine Person nur dann als verkehrszuverlässig gilt, "wenn angenommen werden muss, dass sie auf Grund ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen der in Betracht kommenden Gruppe

a) die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder durch einen durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

b) sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird".

Bei der Prüfung der Verkehrszuverlässigkeit geht es also nur um die Frage, wie sich eine Person voraussichtlich im Verkehr verhalten wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 1980, Zl. 1070/79). Davon ist die Prognoseentscheidung über die Verwendung und Verwahrung einer Jagdwaffe - nach den Kriterien des § 61 Abs. 1 Z. 8 NÖ Jagdgesetz 1974 - zu unterscheiden.

Im Hinblick auf die zu beachtenden, spezifischen Schutzzwecke des NÖ Jagdgesetzes 1974 kann der belangten Behörde aber auch vor dem Hintergrund der vom Beschwerdeführer angesprochenen Grundsätze nicht entgegengetreten werden, wenn sie zu ihrer Prognoseentscheidung über die Verwendung und Verwahrung einer Jagdwaffe im Grunde des § 61 Abs. 1 Z. 8 NÖ Jagdgesetz 1974 bereits auf Grund einer einmaligen - jedoch gravierenden - Tathandlung gelangte. Für den Verwaltungsgerichtshof ist auch nicht zu finden, dass die belangte Behörde von dieser Prämisse - nämlich einmalige, jedoch gravierende Tathandlung - nicht hätte ausgehen dürfen:

Der Beschwerdeführer bringt dazu vor, die belangte Behörde habe eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zitiert (nämlich das Erkenntnis vom 9. November 1994, Zl. 92/03/0241), demzufolge auch wegen eines einmaligen Vorfalls die zukünftige "Verlässlichkeit" des Beschwerdeführers zu bezweifeln sei; sie habe im gegenständlichen Fall jedoch nicht schlüssig begründet, worauf sie ihre angeblichen Zweifel stütze. Der Fall sei nicht präjudiziell, weil ganz andere Voraussetzungen und Tatbestandsmerkmale vorgelegen seien.

Der Beschwerdeführer ist damit insofern im Recht, als das zitierte Erkenntnis zur Rechtslage nach dem OÖ Jagdgesetz ergangen ist. Ein Vergleich mit der diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Rechtslage im Einzelnen erübrigt sich jedoch, weil der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung ist, dass auch eine einzige Handlung als "bisheriges Verhalten" im Sinne des § 61 Abs. 1 Z. 8 NÖ Jagdgesetz 1974 gewertet werden kann (vgl. auch Gürtler/Döltl,

Das niederösterreichische Jagdrecht4, Anm. 6 zu § 61 NÖ Jagdgesetz 1974).

Auf dem Boden des Beschwerdevorbringens ist es dabei weiters für den Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde - dem Gutachten des jagdfachlichen Amtssachverständigen folgend - die Auffassung vertrat, beim gegenständlichen Vorfall habe es sich um eine äußerst unvorsichtige Anwendung der Jagdwaffe gehandelt, und daraus ihre Prognoseentscheidung traf, der Beschwerdeführer werde auch in Zukunft mit Jagdwaffen unvorsichtig umgehen.

Der Vorfall, wie er von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt wurde, wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Auch besteht insofern Bindung an die rechtskräftige Bestrafung, als damit die Tatsache der Handlungen oder Unterlassungen, derentwegen die Bestrafung erfolgte, feststeht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/03/0161). Damit ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht ein wesentlicher Verfahrensmangel zu erkennen, wenn in der Beschwerde ohne nähere Konkretisierung vorgebracht wird, der Sachverhalt sei nicht erschöpfend geprüft worden.

Inwiefern schließlich eine Aktenwidrigkeit darin gelegen sein soll, "dass die Empfehlung des Bezirksjagdbeirates mir die Jagdkarte zwei Jahre nach dem mir zur Last gelegten Vorfall erfolgte", ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und Art. 6 Abs. 1 MRK dem nicht entgegensteht, konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 20. Oktober 1999

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