VwGH 96/03/0017

VwGH96/03/001717.4.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des J in K, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 21. November 1995, Zl. 11/107-3/1995, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §52 lita Z10a;
VStG §32 Abs2;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §52 lita Z10a;
VStG §32 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 27. Juni 1995 wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 bestraft, weil er am 5. Dezember 1994 um 10.39 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in Innsbruck an einer näher bezeichneten Örtlichkeit gelenkt und dabei die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 32 km/h überschritten habe.

Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm den §§ 24, 51 Abs. 1 und 51e Abs. 1 VStG "mit der Maßnahme als unbegründet abgewiesen, daß eine Übertretung nach § 52 lit. a Ziff. 10a StVO zum Vorwurf gemacht wird. Zugleich wird der Spruch dahingehend abgeändert, daß statt der Wortfolge "und dabei die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h" die Wortfolge "und dabei die durch Verkehrszeichen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h" zu setzen ist".

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichthof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer macht - unter anderem - den Eintritt der Verfolgungsverjährung geltend, weil eine die Verjährung unterbrechende, alle Sachverhaltselemente der behaupteten Verwaltungsübertretung beinhaltende Verfolgungshandlung nicht vorgelegen habe. Damit ist er im Recht:

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Die Verjährungsfrist beträgt bei Übertretungen der StVO 1960 zufolge des § 31 Abs. 2 VStG sechs Monate. Diese Frist ist ab dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

Gemäß § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Im Beschwerdefall begann die sechsmonatige Verjährungsfrist ab dem 5. Dezember 1994, dem Tatzeitpunkt, zu laufen; sie endete am 5. Juni 1995. Innerhalb dieser Frist erging als Verfolgungshandlung lediglich die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 6. März 1995, in der dem Beschwerdeführer die Begehung der in der Folge im Straferkenntnis vom 27. Juni 1995 umschriebenen Tat angelastet wurde.

Dieser Tatvorwurf bezog sich auf eine Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO 1960, nicht aber auf eine Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a Z. 10a leg. cit. Der Tatbestand der letzteren Verwaltungsübertretung besteht nämlich im Überschreiten einer durch Vorschriftszeichen kundgemachten Höchstgeschwindigkeit.

Ein dahingehender Tatvorwurf wurde gegen den Beschwerdeführer - außer in der der nicht als Verfolgungshandlung zu qualifizierenden Anzeige (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 894, angeführte Judikatur) - erst in der Verhandlung vor der belangten Behörde am 21. November 1995 im Zuge der zeugenschaftlichen Vernehmung des Meldungslegers erhoben.

Die - mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene - Auswechslung wesentlicher Teile des Sachverhaltes nach Ablauf der Verjährungsfrist ist aber unzulässig, wenn dem Beschuldigten dieses Verhalten - wie hier - nicht innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen wurde (vgl. die bei Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze II, 305, zitierte Rechtsprechung).

Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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