Normen
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Der Antragsteller begründet seinen Wiedereinsetzungsantrag im wesentlichen damit, er habe am 23. Juli 1996 die Kanzlei seines Vertreters aufgesucht und einem dort schon seit 1. August 1994 beschäftigten Konzipienten den verfahrensgegenständlichen Bescheid, der ihm am 18. Juni 1996 zugestellt worden sei, zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof übergeben. Der Konzipient seines Vertreters habe sich schon in einem bestimmten anderen Verfahren des Antragstellers als äußerst zuverlässiger und genauer Bearbeiter erwiesen. In fremdenrechtlichen Angelegenheiten arbeite der Konzipient insbesondere aufgrund seiner bisher geleisteten zuverlässigen Arbeit weitgehend selbständig und unterliege nur der stichprobenartigen Kontrolle seines Vertreters. Am 23. Juli 1996 habe der Konzipient jedoch wegen eines unvorhergesehen eintretenden Ereignisses die Veranlassung der Eintragung der Frist zur Beschwerdeerhebung, welche am 30. Juli 1996 geendet habe, unterlassen. Am Nachmittag dieses Tages sei nämlich der Vertreter des Antragstellers von seiner Frau angerufen worden, daß bei seinem zweijährigen Kind ein plötzlicher, besorgniserregender Fieberschock eingetreten sei. Der Vertreter des Antragstellers sei sofort nach Hause geeilt, um nach dem Kind zu sehen. Infolge dieses Ereignisses habe der Konzipient des Vertreters neben der ursprünglich für ihn vorgesehenen Arbeit auch noch die Arbeit des Vertreters übernehmen müssen. Zwar habe der Vertreter noch einen zweiten Konzipienten, doch absolviere dieser aufgrund der üblicherweise in den Sommermonaten geringer anfallenden Arbeit in dieser Zeit das Gerichtspraktikum. Aufgrund des unerwartet eintretenden Ereignisses, der Erkrankung des Kindes des Vertreters, sei der Konzipient ganz auf sich alleine gestellt gewesen und habe den in den Sommermonaten normalerweise nicht auftretenden Arbeitsanfall in eigener Verantwortung bewältigen müssen. Dabei habe der Konzipient die Eintragung der den Antragsteller betreffenden Frist übersehen. Ungeachtet der bisher zuverlässigen Arbeitsweise des Konzipienten, der weitgehend selbständig Fremdenrechtsangelegenheiten führe, unterliege er doch immer wieder der stichprobenartigen Überwachung durch den Vertreter im Rahmen der Rechtsanwaltsausbildung. Die punktuellen Kontrollen hätten noch niemals einen Grund zu irgendeiner Beanstandung ergeben. Umso mehr habe den Vertreter des Antragstellers die Unterlassung der Eintragung der Frist überrascht. Das Versäumnis des Konzipienten stelle ein unvorhergesehenes Ereignis im Sinne des § 46 VwGG dar. Es liege auch kein Verschulden des Vertreters vor, da er trotz der äußerst zuverlässigen Arbeitsweise des Konzipienten diesen immer wieder stichprobenartig überwacht und bis zu diesem Vorfall keinerlei Grund zur Beanstandung gehabt habe. Das Fristversäumnis sei am 7. August 1996 bemerkt worden.
Zugleich mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist wurde die versäumte Handlung nachgeholt und die Beschwerde gegen den genannten Bescheid des Bundesministers für Inneres erhoben. Antrag und Beschwerde wurden am 16. August 1996 zur Post gegeben.
Nach dem Antragsvorbringen ist der verfahrensgegenständliche Bescheid des Bundesministers für Inneres am 18. Juni 1996 zugestellt worden. Die sechswöchige Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war daher am 30. Juli 1996 abgelaufen.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Stellung von Wiedereinsetzungsanträgen in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist. Die Folgen eines Versehens eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem als Verschulden anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muß den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Insbesondere muß der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, daß die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozeßhandlungen sichergestellt ist. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. April 1994, Zl. 93/07/0037, u.a.). Das gilt grundsätzlich auch hinsichtlich der Verwendung eines bei einem Rechtsanwalt tätigen Rechtsanwaltsanwärters, dessen Verwendung ja unter der Verantwortung dieses Rechtsanwaltes erfolgt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 1984, Slg. Nr. 11.439/A).
Als Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG ist jedes Geschehen ohne jede Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen. Gehindert wird eine Person durch eine Erkrankung wie durch eine Naturkatastrophe, durch eine eigene menschliche Unzulänglichkeit ebenso wie durch Gewaltanwendungen von außen. Unvorhergesehen ist aber ein Ereignis dann, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme von zumutbarer Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 94/09/0218).
Im vorliegenden Fall übergab der Antragsteller nach seinem Vorbringen am 23. Juli 1996 den ihm schon am 18. Juni 1996 zugestellten Bescheid des Bundesministers für Inneres zur Abfassung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Nach dem Vorbringen im Antrag war am Nachmittag des 23. Juli 1996 in der Kanzlei des Vertreters des Antragstellers insofern eine außerordentliche Situation entstanden, als der Vertreter von seiner Frau über eine plötzliche, besorgniserregende Erkrankung seines zweijährigen Kindes informiert worden war. Nachdem der Vertreter des Antragstellers die Kanzlei verlassen hatte und zu seiner Tochter geeilt war, kam es infolge der unerwarteten und plötzlichen Mehrbelastung des Konzipienten zu einem Unterlassen der Eintragung des fristgebundenen behördlichen Schriftstücks in den Fristenkalender.
Es mag zwar zutreffen, daß die durch die plötzliche Erkrankung der Tochter des Vertreters bewirkte Abwesenheit des Vertreters in der Kanzlei und die damit verbundene unerwartete Mehrbelastung des anwesenden Konzipienten, der die Eintragung des übernommenen Bescheides in den Fristenkalender unterließ, ein unvorhergesehens und unabwendbares Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG darstellt. Allerdings fand dieses Ereignis nach dem Vorbringen des Antragstellers am 23. Juli 1996, also sieben Tage vor dem Ende der Beschwerdefrist, statt. Es wird im Antrag auch nicht in Abrede gestellt, daß durch die geschilderte besondere Situation in der Kanzlei Fehlleistungen und Irrtümer auftreten konnten. Daraus ergibt sich aber für einen rechtskundigen Parteienvertreter, an dessen Sorgfalt ein strengerer Maßstab als an einen Rechtsunkundigen anzulegen ist, daß er - nach dem Wegfall dieser außergewöhnlichen Situation - eine erhöhte Kontrollpflicht hinsichtlich der Maßnahmen und Vorgänge hat, die während dieses Zeitraumes vorgenommen wurden bzw. aufgetreten sind.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß ein minderer Grad des Versehens, der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht hindert, nur dann vorliegt, wenn ein Fehler begangen wird, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterläuft.
Aufgrund der besonderen Umstände am 23. Juli 1996 wäre es dem Rechtsvertreter des Antragstellers zumutbar gewesen, die an diesem Tag erforderlichen Fristeintragungen entsprechend genau zu kontrollieren. Selbst wenn der Vertreter des Antragstellers bislang aufgrund seiner stichprobenartigen Kontrollen seines Konzipienten diesen als zuverlässigen und genauen Bearbeiter einschätzen konnte, hatte er doch aufgrund der geschilderten außerordentlichen Situation Anlaß, seiner Kontrollpflicht wegen der Mehrbelastung des Konzipienten verstärkt nachzukommen. Wie das Antragsvorbringen, demzufolge das Fristversäumnis am 7. August 1996 bemerkt wurde, zeigt, sah sich der Vertreter des Antragstellers bis zu diesem Zeitpunkt nicht veranlaßt, die Fristvormerkungen vom 23. Juli 1996 zu kontrollieren. Daß eine Überprüfung der Vormerkungen ihm nicht möglich gewesen wäre, wurde im Antrag nicht vorgebracht.
Da an die Kontrollpflicht und die Aufmerksamkeit des Vertreters hinsichtlich der Wahrung von Fristen gerade bei Vorliegen besonderer Umstände entsprechend höhere Anforderungen zu stellen sind, kann die Vernachlässigung dieser Pflicht bei den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen auch nicht als bloß minderer Grad des Versehens angesehen werden.
Aus diesem Grund war dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattzugeben.
Da sich folglich die am 16. August 1996 zur Post gegebene und zur Zl. 96/01/0726 protokollierte Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid des Bundesministers für Inneres, der nach dem Vorbringen des Antragstellers ihm am 18. Juni 1996 zugestellt wurde, als verspätet erweist, war sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)