VwGH 95/21/1014

VwGH95/21/10142.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 3. März 1995, Zl. IV-589.520/FrB/95, betreffend Ladung als Partei in einer Angelegenheit des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §19 Abs1;
AVG §19 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §27 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §19 Abs1;
AVG §19 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §27 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den zur vorliegenden Beschwerde vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich folgender Sachverhalt:

Aufgrund einer an die Fremdenpolizei in Wien gerichteten anonymen Anzeige gegen den Beschwerdeführer leitete die Bundespolizeidirektion Wien (belangte Behörde) im Jänner 1995 gegen den Beschwerdeführer ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Hinblick darauf ein, daß er am 20. März 1990 mit einer österreichischen Staatsbürgerin gegen die Bezahlung einer Geldsumme eine Ehe mißbräuchlich zum Zweck des Erwerbs von fremdenrechtlich bedeutsamen Berechtigungen geschlossen habe. Der Beschwerdeführer wurde am 22. Februar 1995 zum Sachverhalt einvernommen, wobei ihm auch vorgehalten wurde, daß die von ihm mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossene Ehe für nichtig erklärt worden sei. Die ehemalige österreichische Ehegattin des Beschwerdeführers wurde von der belangten Behörde am 24. Februar 1995 zum Sachverhalt einvernommen. Aktenkundig ist ein Bericht der Bundespolizeidirektion Wien vom 26. Februar 1995, wonach der Beschwerdeführer sich kurz vor seiner Einreise nach Österreich am 7. Oktober 1989 von seiner türkischen Ehegattin habe scheiden lassen und am 20. März 1990 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und ihr dabei einen Bargeldbetrag von S 10.000,-- ausgefolgt habe. Ein paar Monate nach der Heirat habe er der österreichischen Ehegattin weitere Unterhaltszahlungen geleistet. Ein Jahr nach der erfolgten Heirat mit der österreichischen Staatsbürgerin seien drei aus erster Ehe des Beschwerdeführers stammende Kinder nach Österreich nachgeholt worden. Die Ehe sei am 5. November 1992 rechtskräftig für nichtig erklärt worden. Der Beschwerdeführer habe im Jänner 1993 seine ehemalige türkische Ehegattin nachgeholt und diese am 6. Jänner 1993 neuerlich geheiratet. Es sei daher ersichtlich, daß die Eheschließung nur zwecks Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung und Arbeitserlaubnis erfolgt sei und auch die Nachholung der Kinder und der türkischen "Exgattin bzw. Wieder-Gattin" geplant gewesen sei.

Am 3. März 1995 erließ die belangte Behörde einen Bescheid mit folgendem Wortlaut:

"Ladungsbescheid

Wir haben folgende Angelegenheit zu bearbeiten:

beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gem. § 18 Abs. 1 FrG

Wir ersuchen Sie, zu uns zu kommen, um in dieser Angelegenheit als Partei mitzuwirken.

Datum: 22.03.1995 Zeit: 08.00-11.00 Zimmer 206

Bitte bringen Sie diese Ladung, einen amtlichen

Lichtbildausweis und folgende Unterlagen mit:

Es ist notwendig, daß Sie hiezu persönlich in unser Amt kommen. Wenn Sie aus wichtigen Gründen - zB Krankheit, Gebrechlichkeit oder Urlaubsreise - nicht kommen können, teilen Sie uns dies dort mit, damit wir allenfalls den Termin verschieben können.

Wenn Sie diese Ladung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes, zB Krankheit, nicht befolgen, müssen Sie damit rechnen, daß Ihre zwangsweise Vorführung veranlaßt wird.

gegen Sie gem. § 42/1 FrG ein Festnahmeauftrag erlassen.

Rechtsgrundlage: § 19 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein Rechtsmittel zulässig.

Unterschrift"

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobene, von diesem mit Beschluß vom 13. Juni 1995, B 695/95-6, abgelehnte und mit Beschluß vom 22. September 1995, B 695/95-8, an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf persönliche Freiheit und die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht und seine Aufhebung beantragt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, wobei sie von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand nahm.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 19 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. Gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. ist in der Ladung außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge, usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind. § 19 Abs. 3 AVG sieht vor, daß, wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, die Verpflichtung hat, der Ladung Folge zu leisten und zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden kann. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war. Sie obliegt den Vollstreckungsbehörden. Gemäß § 42 Abs. 1 des Fremdengesetzes (FrG) kann die Behörde die Festnahme eines Fremden auch ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides schriftlich anordnen (Festnahmeauftrag), wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes vorliegen und der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, nicht Folge geleistet hat.

Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf persönliche Freiheit geltend macht, ist er auf den oben genannten Beschluß des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen; insoweit ist der Verwaltungsgerichtshof zur Behandlung der Beschwerde nicht zuständig.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid insoferne für rechtswidrig, als seine persönliche Vorladung nicht nötig gewesen sei, weil er - was aktenkundig gewesen sei - anwaltlich vertreten gewesen sei und sämtliche Verfahrenshandlungen von seinem Vertreter gesetzt hätten werden können. Der angefochtene Bescheid leide auch an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil die belangte Behörde die Tatsachenumstände, weswegen sein persönliches Erscheinen notwendig sei und eine Vertretung ausscheide, anzugeben gehabt habe. Der angefochtene Bescheid sei aktenwidrig, weil nach der Aktenlage eine faktische Notwendigkeit seines persönlichen Erscheinens nicht ersichtlich sei.

Die Beschwerde ist im Ergebnis aus folgenden Gründen im Recht: Im vorliegenden Fall wurde der angefochtene Bescheid auf § 19 AVG gestützt. Die Erlassung eines Ladungsbescheides, mit welchem das persönliche Erscheinen des Geladenen angeordnet wird, ist nach § 19 Abs. 1 AVG und der hiezu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 21. September 1988, Slg. Nr. 12.772, und vom 4. Februar 1994, Slg. Nr. 13.999, vgl. auch hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage 1996, 200 ff, und Ringhofer,

Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze,

1. Band 1987, 284 ff, jeweils zu § 19 AVG) nur dann zulässig, wenn die Behörde den mit der Ladung verfolgten Zweck auf andere Weise - etwa schriftlich oder fernmündlich - nicht erreichen kann. Zwar kann nun dem angefochtenen Bescheid entnommen werden, daß Gegenstand der Amtshandlung gemäß § 19 Abs. 2 AVG die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 18 Abs. 1 FrG gegen den Beschwerdeführer bilden solle. Dies genügt jedoch nicht. Die belangte Behörde hat es entgegen § 19 Abs. 1 und 2 AVG nämlich unterlassen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, im Hinblick auf die Klärung welcher noch offener Fragen das persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers erforderlich sei, und im Zusammenhang damit etwa auch nicht ausgeführt, welche Behelfe und Beweismittel von diesem mitzubringen seien. Sie war offensichtlich der Auffassung, sich mit der Notwendigkeit seines persönlichen Erscheinens nicht befassen zu müssen und hat den angefochtenen Bescheid damit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. An diesem Ergebnis würde sich nichts ändern, wenn der angefochtene Bescheid auf die Vorschrift des § 27 Abs. 2 FrG gestützt worden wäre, wonach in einem Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes der Fremde auf Verlangen der Behörde persönlich vor dieser zu erscheinen hat, weil diese Bestimmung die Behörde bei Erlassung eines Ladungsbescheides von den Erfordernissen des § 19 Abs. 2 AVG nicht entbindet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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