VwGH 95/21/0857

VwGH95/21/08574.9.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des D in R, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 5. Mai 1995, Zl. 1-0762/94/E6, betreffend Bestrafung nach dem Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg (der belangten Behörde) wurde der Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 80 Abs. 2 Z. 1 FrG mit einer Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) bestraft, weil er in der Nacht vom 6. zum 7. April 1994 vorsätzlich an der Schlepperei, nämlich der Förderung der rechtswidrigen Ausreise von vier Fremden mitgewirkt habe, indem er den Fremden erklärt habe, wie sie über die Brücke von K beim geschlossenen Grenzübergang nach M (Schweiz) gelangen könnten und sie in der Folge mit seinem PKW am 6. April 1994 gegen 19.45 Uhr nach K gebracht habe, obwohl er gewußt habe, daß die Fremden bereits zweimal bei der illegalen Einreise in die Schweiz zurückgewiesen worden seien. In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 6. April 1994 vier Fremde (jugoslawische Staatsangehörige) gegen 19.45 Uhr mit seinem PKW nach K zum Cafe "L" gebracht und ihnen erklärt, wie sie über die Brücke von K beim geschlossenen Grenzübergang nach M in die Schweiz gelangen könnten. Dem Beschwerdeführer sei bekannt gewesen, daß die vier Fremden über kein Visum für die Schweiz verfügten und ihnen aufgrund dieses Umstandes bereits zweimal die Einreise in die Schweiz verweigert worden sei. Um 02.16 Uhr des 7. April 1994 seien die Fremden, nachdem sie zuvor die geschlossene Grenze überquert hätten, auf der Autobahn N 1, kurz vor der Ausfahrt R, aufgrund eines Hinweises aufgegriffen worden.

Dieser Sachverhalt werde aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere aufgrund der Aussagen der Zeugen WE, GH sowie schließlich der Verantwortung des Beschwerdeführers angenommen.

Bei diesem Ergebnis habe nach Auffassung der belangten Behörde die Einvernahme der vier Fremden unterbleiben können, zumal diese bereits von der Schweizer Behörde zum Sachverhalt einvernommen worden seien und deren Aussage hinsichtlich des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes mit den vor der belangten Behörde vernommenen Zeugen übereinstimmten.

Nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens habe der Beschwerdeführer durch sein Verhalten vorsätzlich an der Förderung der rechtswidrigen Ausreise von vier Fremden mitgewirkt. Er habe es zumindest ernstlich für möglich gehalten, daß die Fremden den Grenzübertritt bei dem geschlossenen Grenzübergang vornehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Beschwerdeführer erstattete eine Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer meint, es sei Verjährung eingetreten, weil weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 6. Mai 1994 noch im Straferkenntnis der Behörde erster Instanz vom 4. August 1994 die ihm angelastete Tat ausreichend konkretisiert worden sei, übersieht er, daß er bereits am 7. April 1994 durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg zum gegenständlichen Sachverhalt einvernommen worden ist. Nach dem Inhalt dieser Niederschrift wurde er mit dem Gegenstand der Vernehmung vertraut gemacht und zu den ihm angelasteten Vorwürfen vernommen. Diese Vernehmung ist als eine die Verjährung unterbrechende Verfolgungshandlung anzusehen.

Der Beschwerdeführer meint weiters, die vier Fremden hätten ohne besondere Formalitäten Österreich verlassen können. Durch eine allenfalls illegale Einreise in die Schweiz seien die von der österreichischen Rechtsordnung geschützten Rechtsgüter nicht tangiert worden.

Dem ist zu entgegnen, daß der Grenzübertritt an den dafür vorgesehenen Grenzübergängen vorzunehmen ist (vgl. § 2 GKG 1969). Durch den illegalen Grenzübertritt werden die Interessen der Republik Österreich intensiv berührt, hat doch im Falle einer Aufdeckung dieses Grenzübertrittes die Republik Österreich die illegalen Eindringlinge rückzuübernehmen (siehe dazu das Übereinkommen zwischen der österreichischen Bundesregierung und dem Schweizerischen Bundesrat über die Übernahme von Personen an der Grenze, BGBl. Nr. 80/1955).

Der Beschwerdeführer bestreitet auch die Mängelfreiheit der getroffenen Feststellungen, weil die von ihm beantragten Zeugen nicht einvernommen worden seien. Die Protokolle über die Einvernahme der von ihm beantragten Zeugen, aufgenommen bei der schweizerischen Behörde seien im Rahmen der Verhandlung nicht verlesen worden, sodaß sie nicht zu verwerten gewesen seien.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf ein Beweisantrag nur dann von vornherein abgelehnt werden, wenn entweder die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden oder der Beweisantrag - objektiv gesehen - nicht geeignet ist, über den maßgebenden Sachverhalt Beweis zu liefern, sei es weil es auf die Beweistatsachen nicht ankommt, sei es, weil das Beweismittel - ohne Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, Zl. 92/08/0217).

Der Beschwerdeführer beantragte die Einvernahme der Zeugen dazu, daß er den vier Fremden mitgeteilt hätte, daß sie den Grenzübergang während der Öffnungszeiten des Grenzüberganges überschreiten sollen und das von ihm weder gewollt noch von seinem Vorsatz umfaßt gewesen wäre, daß die Fremden die Grenze nach 0.00 Uhr überschritten.

Die belangte Behörde unterließ die Einvernahme der vier Fremden, weil "diese bereits von der Schweizer Behörde zum Sachverhalt einvernommen wurden und deren Aussage hinsichtlich des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes mit den Aussagen der vor dem Verwaltungssenat vernommenen Zeugen übereinstimmt".

Diesen Argumenten kann - unter Bedachtnahme auf die oben genannten rechtlichen Grundsätze - nicht beigepflichtet werden. Die Einvernahme der vier Fremden vor der Schweizer Behörde ist im gegenständlichen Verfahren, solange die Protokolle über die Einvernahme nicht in diesem Verfahren verwertet werden, rechtlich nicht relevant. Soweit die belange Behörde den Inhalt der Angaben vor der Schweizer Behörde für die Abweisung des Beweisantrages heranzieht, setzt sie sich über die genannten rechtlichen Grundsätze hinweg. Die von den Zeugen laut dem Beweisantrag zu beweisende Tatsache wurde von der belangten Behörde eben nicht als wahr angenommen. Daß die beantragten Zeugen zum Nachweis der behaupteten Beweistatsachen - objektiv gesehen - nicht geeignet seien, hat die Behörde nicht angenommen.

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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