VwGH 95/21/0399

VwGH95/21/039927.2.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Robl,

Dr. Rosenmayr, Dr. Baur und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Oberdorfer, über die Beschwerde des (am 22. November 1970 geborenen) YSE in Salzburg, vertreten durch Dr. Gerhard O. Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 14. Dezember 1994, Zl. Fr 6200/1/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 FrG, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §54;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §54;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 14. Dezember 1994 wurde gemäß § 54 FrG festgestellt, daß keine stichhältigen Gründe für die Annahme bestünden, der Beschwerdeführer sei in der Türkei oder in Ungarn gemäß § 37 Abs. 1 FrG oder § 37 Abs. 2 FrG bedroht.

Die Angaben des Beschwerdeführers bezüglich der von ihm behaupteten Bedrohung gab die belangte Behörde wie folgt wieder:

Aufgrund des Umstandes, daß sein Vater Rechtsanwalt und seine Mutter Lehrerin seien, sei seine Familie finanziell gut gestellt. Sein Bruder sei gleichfalls Rechtsanwalt, seine Schwester studiere an der Universität der Schönen Künste. Im Jahre 1989 habe der Beschwerdeführer selbst ein Studium in Istanbul begonnen und sei an der Universität mit der Kurdenproblematik konfrontiert worden, mit welcher er sich intensiv auseinandergesetzt habe, er sei Mitglied der YGK geworden. Im darauffolgenden Studienjahr habe sich der Beschwerdeführer an einem Boykott insoferne beteiligt, als er dem Unterricht demonstrativ ferngeblieben sei. Anläßlich einer allgemeinen Kontrolle, bei der nicht gezielt nach jemandem gesucht worden sei, habe sich der Beschwerdeführer gegenüber Polizeibeamten ausweisen müssen und sei mit sechs anderen Personen festgenommen und zur politischen Polizei gebracht worden, wo er für 35 Stunden festgehalten worden sei. Er sei gezwungen worden zuzugeben, daß er für diesen Boykott Flugblätter affichiert und unter die Menge geworfen hätte. Man habe ihm vorgeworfen, daß er Studenten und Lehrer nicht zum Unterricht gelassen habe und habe ihm angeboten, er solle für den Geheimdienst spionieren. Am nächsten Tag habe es eine Einvernahme bei Gericht gegeben und der Beschwerdeführer sei sodann freigelassen worden, weil er Student gewesen sei. Bei der darauffolgenden Verhandlung sei der Beschwerdeführer als nicht schuldig freigesprochen worden. Den Druck des Staates habe er insoferne am eigenen Leibe verspürt, als er für 15 Tage vom Studentenheim ein Hausverbot bekommen habe; sein Studium habe er jedoch trotzdem fortsetzen können. Im darauffolgenden Schuljahr sei der Beschwerdeführer von der PKK als eine Art Bibliothekar eingesetzt worden. Er sei damals auch immer wieder von der Polizei kontrolliert worden. Auch sei er im Sommer 1992 zu Hause telefonisch insoferne bedroht worden, als ihm gesagt worden sei, er solle mit der Polizei zusammenarbeiten, ansonsten würde er umgebracht werden. Zum damaligen Zeitpunkt sei der Sohn des Bezirksleiters umgebracht und der Bezirksleiter selbst angeschossen worden. Der Beschwerdeführer sei selbst am 13. September 1992 in Palu Opfer bzw. Ziel eines Überfalls geworden und angeschossen worden. Zur Polizei habe er nicht gewollt, weil er vermutet habe, daß die Täter mit der Polizei unter einer Decke steckten und außerdem habe er die Täter nicht erkannt. Er sei so eingeschüchtert gewesen, daß er zu Verwandten nach Adana gegangen sei. Dort habe sich der Beschwerdeführer aufgehalten, bis die Universität wieder angefangen habe. Aus Gesprächen mit geflohenen Kurden habe der Beschwerdeführer erfahren, wie der Staat Druck ausübe und in ihm sei eine innere Auflehnung gegen die Regierung entstanden. Er sei nach Istanbul zurückgekehrt und habe sein Studium fortgesetzt. Außerdem sei er von der YGK in ein fünfköpfiges Gremium als Finanzbeauftragter bestellt worden. Am 23. Juni 1993 sei der Beschwerdeführer mit drei Freunden in Dyabakir der PKK beigetreten und habe sich 15 Tage in diesem Gebiet aufgehalten. Sodann sei er in das Gebiet von Akdag gekommen, wo er eine dreimonatige, politische und militärische Ausbildung mitgemacht habe. Er sei wieder zum Bibliothekar bestellt worden und sei auch für die Veröffentlichungen zuständig gewesen. Im Umgang mit der Waffe habe er einfach Hemmungen, weshalb er mit dieser Aufgabe betraut worden sei. Außerdem habe er die Funkkommunikation übergehabt. Schließlich habe der Beschwerdeführer gemerkt, wie strapazvoll das Leben bei der PKK gewesen sei, und außerdem sei er mit der PKK insoferne nicht konform gegangen, als diese Dörfer bombardiert habe. Im Beschwerdeführer sei der Gedanke gereift, daß, sollte er noch einmal fertig studieren können, er auf politischer Ebene etwas erreichen könne. Dies hätte ihn bestärkt, aus der PKK auszutreten. Er habe immer wieder nach einer passenden Gelegenheit hiefür gesucht, was ihm schließlich auch gelungen sei. Der Austritt aus der PKK werde mit dem Tode bestraft. Es sei ihm gelungen, zu seinem Vater nach Hause und anschließend zu Verwandten nach Istanbul zu fahren. Er habe auch erfahren, daß der PKK-Mann, welcher mit ihm unterwegs gewesen sei, in Adana verhaftet worden sei und derzeit in Elazig in Haft sitze. Unter der Folter habe dieser alles erzählt und das wäre soviel wie ein Todesurteil, weil ihn die PKK umbringen werde. Wahrscheinlich werde dieser Mann nach den §§ 125 und 126 des türkischen Strafgesetzbuches verurteilt werden. Der Beschwerdeführer könne nicht in die Türkei zurückkehren, weil er dort verhaftet werden würde. Einerseits hätte er dasselbe Schicksal wie sein Freund zu erleiden, andererseits würde seine Familie, würde er mit dem türkischen Staat zusammenarbeiten, von der PKK bestraft werden. Im Falle seiner Rückkehr würde der Beschwerdeführer gemäß §§ 125 und 126 des türkischen Strafgesetzbuches wegen Guerilla-Tätigkeit bestraft werden und die Strafe dafür sei lebenslänglich. Er wüßte zwar über die Angebote, mit dem türkischen Staat zusammenzuarbeiten, aus dem Fernsehen und den Printmedien, es gebe für diese Personen eine Art Reuegesetz, d.h. man werde in irgendeiner Form begünstigt, die Familie würde damit aber der PKK ausgesetzt. Außerdem sei der Beschwerdeführer zur Zeit seiner Komiteetätigkeit von Zivilpolizisten bedrängt worden, seine Tätigkeit aufzugeben, widrigenfalls er mit seinem Leben bezahlen müsse. Schließlich habe der Beschwerdeführer noch angegeben, daß einmal das Dorf, welches er bewohnt habe, von der Lebensmittelversorgung abgeschnitten worden sei, er sei vor Gericht gewesen und im Gefängnis geschlagen worden. Er habe gezwungen werden sollen zuzugeben, mit dem Studentenboykott in Verbindung zu stehen und sei mit Fäusten und Schlagstöcken verprügelt und verbal bedroht worden. Das Schußwaffenattentat gegen seine Person sei ein politisch motivierter Anschlag gewesen. Der Heimatort des Beschwerdeführers sei zwischenzeitlich niedergebrannt worden.

Diese Angaben des Beschwerdeführers würdigte die belangte Behörde und begründete die Abweisung seines Antrages auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in die Türkei wie folgt:

Die Angaben des Beschwerdeführers, daß er sich während des Studiums mit der kurdischen Problematik intensiv auseinandergesetzt habe und sich in einem gewissen Sinne auch politisch engagiert habe, seien glaubwürdig. Glaubwürdig seien auch seine Angaben bezüglich der Verhaftung und des Freispruches bei Gericht. Auch daß er mehrmals von der türkischen Polizei kontrolliert worden sei, werde nicht bezweifelt, solche Kontrollen seien doch auch in demokratischen Staaten üblich. Tatsächlich ergäben sich aus diesen Anhaltspunkten jedoch keinerlei Hinweise, daß der Beschwerdeführer tatsächlich Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung, Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Obwohl er offensichtlich laut eigenen Angaben andauernd von der Polizei beschattet worden sei, habe der Beschwerdeführer offenbar von Seiten des Staates niemals irgendwelche Nachteile erlitten. Die Behauptungen, daß er mit Fäusten und Schlagstöcken verprügelt und verbal bedroht worden sei, seien in diesem Zusammenhang unglaubwürdig, weil er diese Aussagen erst zum Schluß gemacht habe und anläßlich der Schilderung des Vorfalls diesbezüglich nichts ausgesagt habe. Selbst wenn es im Fall des Beschwerdeführers in seinem Heimatland wegen seiner Mitgliedschaft zur PKK zu einer Anklage käme, so sei durch nichts bewiesen, daß ihm kein faires Verfahren zukäme. So seien sowohl der Vater als auch der Bruder des Beschwerdeführers Rechtsanwälte und der Beschwerdeführer sei bereits einmal vom Gericht in einem fairen Verfahren freigesprochen worden. Außerdem habe er immer wieder problemlos sein Studium fortsetzen können.

Die Mutter des Beschwerdeführers sei Türkin, sein Vater Kurde, sein Vater sei ein gutsituierter Rechtsanwalt in der Türkei. Er sei offensichtlich niemals bedroht oder verfolgt worden, aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit des Beschwerdeführers sei daher keine Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 2 FrG ersichtlich. Die einzige Bedrohungssituation bestehe darin, daß der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr wegen seiner Beteiligung bei der PKK mit einem Gerichtsverfahren zu rechnen habe. Daraus könne jedoch keine Bedrohung gemäß § 37 Abs. 2 FrG abgeleitet werden. Die in der Berufung aufgestellte Behauptung, in der Türkei genüge bereits der Verdacht, mit der PKK zusammengearbeitet zu haben, um strengen polizeilichen Vernehmungen und Verhören unterworfen zu werden, und daß bei diesen Vernehmungen regelmäßig körperliche Gewalt und psychischer Zwang eingesetzt und Foltermethoden angewendet würden, sowie die Aussage, daß der Beschwerdeführer der Gefahr willkürlicher Behandlung durch staatliche Exekutivorgane bis hin zur Tötung ausgesetzt wäre, wobei jede Art von Rechtsverletzung und Willkür dabei denkbar seien, sei aufgrund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar. Tatsächlich sei der Beschwerdeführer bis zum Zeitpunkt seiner Ausreise keiner solchen Gefahr ausgesetzt gewesen. Er habe eine konkrete Gefährdung seiner Person nicht dargetan.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, daß ihm Verfolgung durch die PKK und deren bewaffnete Mitglieder drohe, weil er durch seine Flucht von der PKK gegen die ungeschriebenen Gesetze dieser Organisation verstoßen habe, sei ebenfalls nicht unter die Bestimmung des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG subsumierbar, da in diesem Falle keine Bedrohung von Seiten staatlicher Organe bzw. des Staates überhaupt erfolge. Sollte eine solche Gefahr tatsächlich bestehen, so sei dies aufgrund der terroristischen Struktur der PKK nicht nur auf die Türkei beschränkt, sondern wäre der Beschwerdeführer Zeit seines Lebens auf der ganzen Welt bedroht. Die Behauptung des Beschwerdeführers, ein aktives Kooperieren mit der türkischen Exekutive könne ihm nicht zugemutet werden, weil er sich damit gegen sein eigenes Volk stellen würde, sei ebenfalls nicht relevant. Der Beschwerdeführer habe nämlich sowohl kurdische, als auch türkische Vorfahren. Darüber hinaus sei nicht erkennbar, warum es ihm nicht zugemutet werden könne, mit staatlichen Organen gegen eine terroristische Organisation zusammenzuarbeiten. Es seien ja sogar Reuegesetze in die türkische Rechtsordnung "instaliert" worden.

Bezüglich des Schußwaffenattentates sei zu sagen, daß der Beschwerdeführer die Täter tatsächlich nicht erkannt habe und aufgrund seiner diesbezüglichen Aussage keinesfalls davon ausgegangen werden könne, daß es sich dabei um eine politisch motivierte Aktion gehandelt hätte. Die Behauptung des Beschwerdeführers, es gebe zweifelsohne eine gewisse Kooperation zwischen den österreichischen und türkischen Behörden und es könne keinesfalls ausgeschlossen werden, daß die türkischen Behörden Kenntnis vom Inhalt der den Beschwerdeführer betreffenden fremdenrechtlichen Bescheide und Protokolle erhalte, sei eine Unterstellung und werde mit Entschiedenheit zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe zusätzlich zu seiner 123 Seiten umfassenden Berufung in einem weiteren Schreiben beantragt, die Behörde möge seinen in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Onkel einvernehmen, der von seinem Vater aus der Türkei angerufen worden und dringend darauf hingewiesen worden sei, daß weder in Telefonaten noch in Briefen irgendeine Erwähnung des Beschwerdeführers gemacht werden dürfe. Würde nämlich herauskommen, daß dem Vater des Beschwerdeführers sein tatsächlicher Aufenthaltsort bekannt sei, so hätte auch der Vater des Beschwerdeführers größte Schwierigkeiten mit der Polizei zu gewärtigen. Es sei somit offenkundig, daß der Beschwerdeführer bei einer Abschiebung in die Türkei Gefahr liefe, dort unter dem Verdacht der Mitgliedschaft zur PKK sofort festgenommen, "sicherheitspolizeilich beamtshandelt", mißhandelt, unter Anklage gestellt, ja möglicherweise sogar umgebracht zu werden.

Die Behörde - so fährt sie im angefochtenen Bescheid fort - bezweifle nicht, daß der Beschwerdeführer in seiner Heimat aufgrund seiner ehemaligen Zugehörigkeit zur PKK "sicherheitspolizeilich beamtshandelt" bzw. unter Anklage gestellt werde. Weshalb er aber mißhandelt, ja möglicherweise dem Tode zugeführt werden solle, sei ebensowenig nachvollziehbar, wie eine angebliche Nachfrage der Polizei über den Verbleib des Beschwerdeführers eine Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG darstellen solle.

Die Abweisung des auf die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ungarn gerichteten Antrages wurde im angefochtenen Bescheid damit begründet, daß Ungarn Vertragsstaat der Genfer Flüchtlingskonvention sowie des Protokolls zur Genfer Flüchtlingskonvention sei und somit verpflichtet sei, Flüchtlinge, die unter diese völkerrechtlichen Verträge fielen, gegen die Rückschiebung in ihr Herkunftsland oder unsichere Drittstaaten zu schützen. Ungarn habe beide Verträge innerstaatlich umgesetzt. Alleine aus diesem Grund sei gewährleistet, daß in Ungarn Abschiebungsschutz bestehe. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er liefe Gefahr, dort sofort inhaftiert und in weiterer Folge in die Türkei abgeschoben zu werden, sei eine Vermutung, die durch keine auf den individuellen Fall des Beschwerdeführers bezogenen Angaben belegt sei. Die Tatsache, daß dem Beschwerdeführer im Falle der Abschiebung nach Ungarn die sofortige Inhaftierung drohen könnte, sei nicht als unmenschliche Behandlung im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG zu werten, zumal in anderen Rechtsstaaten gegen illegal aufhältige Fremde zur Feststellung der Person bis zur Klärung, ob eine Abschiebung möglich sei, die Festnahme angeordnet werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 FrG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Falle seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt von diesen nicht abwendbaren Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 4. Dezember 1996, Zl. 96/21/0543, und vom 19. Februar 1997, Zl. 96/21/0096) und von der Behörde das Vorliegen konkreter Gefahren für jeden einzelnen Fremden für sich zu prüfen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1997, Zl. 95/21/0381, m.w.N.).

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil sich die belangte Behörde nicht ausreichend mit der Eskalation im türkisch-kurdischen Konflikt und mit der Menschenrechtssituation in der Türkei, insbesondere mit der Verfolgung ethnischer Kurden durch die türkischen Behörden auseinandergesetzt habe. Sie habe nicht ausreichend geprüft, welche Gefahren der Beschwerdeführer deswegen zu gewärtigen habe, weil er Mitglied der PKK gewesen sei und dies auch bei der Polizei offensichtlich bereits bekannt sei. Sie habe nicht bedacht, daß die Mitgliedschaft zur PKK gemäß den Bestimmungen des türkischen Antiterrorgesetzes, Gesetz Nr. 3713 vom 12. April 1991, aber auch als Verstoß gegen die Tatbestände der Art. 125 und 140 des türkischen Strafgesetzbuches mit strengster Strafe bedroht sei und sogar mit der Todesstrafe geahndet werden könne. Sie habe außer Acht gelassen, daß es sich hiebei zweifelsohne um "politische Delikte" handle. Die belangte Behörde habe sich weiters auch nicht mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, daß die türkischen Polizei- und Sicherheitsbehörden regelmäßig bei Vernehmungen von politischen Häftlingen, insbesondere von ethnischen Kurden, die Folter einsetzten und die Festgenommenen dabei regelmäßig unter schweren psychischen und körperlichen Zwang und Druck gesetzt würden und Mißhandlungen gang und gäbe seien. Der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren ein umfangreiches Vorbringen bezüglich der Situation in der Türkei, insbesondere der kurdischen Volksgruppe und von Angehörigen der PKK erstattet, mit welchem sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt habe.

Hinsichtlich der Feststellung der Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Ungarn hält der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil Ungarn die Genfer Flüchtlingskonvention nur mit einem Vorbehalt für europäische Staaten bzw. für Flüchtlinge, die aus europäischen Gebieten kommen, ratifiziert habe. Der Beschwerdeführer könne daher in Ungarn nicht den Abschiebungsschutz nach Art. 33 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention für sich in Anspruch nehmen. Er laufe vielmehr dort Gefahr, sofort inhaftiert und in weiterer Folge in die türkische Republik abgeschoben zu werden.

Die Beschwerde ist berechtigt. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde nämlich zu Recht vor, daß sie sich nicht ausreichend mit der von ihm im Falle seiner Abschiebung in die Türkei zu erwartenden Situation auseinandergesetzt hat. Das ausführliche, detaillierte und mit Berichten über konkrete Fälle versehene Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren betreffend auch vom Beschwerdeführer im Fall seiner Abschiebung in der Türkei zu erwartende Gefahren hätte die belangte Behörde vielmehr dazu veranlassen müssen, geeignete Ermittlungen über ein im Fall der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei ihm allenfalls tatsächlich drohendes Risiko anzustellen.

Die belangte Behörde stellt einerseits ausdrücklich fest, daß der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in die Türkei wegen seiner Beteiligung bei der PKK mit einem Gerichtsverfahren zu rechnen habe. Andererseits meint sie, das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe bereits wegen des Verdachtes der Zusammenarbeit mit der PKK mit körperlicher Gewalt, psychischem Zwang, der Anwendung von Foltermethoden und sogar der Tötung zu rechnen, sei deswegen nicht nachvollziehbar, weil der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus der Türkei keiner solchen Gefahr ausgesetzt gewesen sei. Dies vermag deswegen die Abweisung seines auf die Feststellung der in § 37 Abs. 1 FrG genannten Gefahr gerichteten Antrages nicht zu begründen, weil weder die belangte Behörde festgestellt, noch der Beschwerdeführer eingeräumt hat, daß den türkischen Behörden seine Mitgliedschaft zur PKK vor seiner Ausreise aus der Türkei bekannt gewesen sei. Der Beschwerdeführer brachte im Verwaltungsverfahren vielmehr vor, vor seiner Ausreise aus überlebensnotwendigen Gründen seine Identität geändert und sich einen gefälschten Personalausweis auf einen anderen Namen besorgt zu haben. Die Begründung des angefochtenen Bescheides vermag somit eine Abweisung seines auf die Feststellung der in § 37 Abs. 1 FrG genannten Gefahr nicht zu tragen. Ebenso wie ein Asylwerber nicht gehalten ist, Verfolgungsmaßnahmen durch die Behörden seines Heimatstaates abzuwarten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 1995, Zl. 94/19/1381), ist es zur Dartuung der in § 37 Abs. 1 FrG genannten Gefahr auch nicht erforderlich, daß Mißhandlungen im Sinne dieser Bestimmung bereits stattgefunden haben.

Soweit die belangte Behörde meint, in der Türkei seien sogar "Reuegesetze" in die Rechtsordnung "instaliert" worden, und der Beschwerdeführer hätte die Möglichkeit, von diesen Gebrauch zu machen, so hat sie - angesichts des umfangreichen Vorbringens des Beschwerdeführers hinsichtlich der Behandlung von Angehörigen der kurdischen Volksgruppe - nicht ausreichend begründet, daß der Beschwerdeführer bei Anwendung solcher Gesetze voraussichtlich keiner Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG ausgesetzt sei.

Soweit die belangte Behörde meint, das vom Beschwerdeführer behauptete, gegen ihn gerichtete Schußwaffenattentat könne deswegen nicht als eine politisch motivierte Aktion gewertet werden, weil der Beschwerdeführer selbst angegeben habe, daß er die Täter nicht erkannt habe, so stellt auch dies keine schlüssige Begründung der Abweisung seines auf die Feststellung der Gefahren gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG gerichteten Antrages dar. Ein gegen eine bestimmte Person gerichtetes Schußwaffenattentat kann nämlich nicht schon deswegen nicht als Indiz einer Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG angesehen werden, weil jene Person, die Ziel eines derartigen Attentates ist, die Täter nicht erkennt.

Die belangte Behörde ist auch insoferne nicht im Recht, als sie die vom Beschwerdeführer behauptete, wegen seines Verlassens der PKK von dieser gegen ihn gerichtete Bedrohung allein deswegen nicht als eine Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG qualifiziert, weil dabei keine Bedrohung von Seiten staatlicher Organe bzw. des Staates erfolge.

Diesbezüglich hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG nämlich nicht bloß dann vor, wenn diese von staatlichen Stellen selbst, sondern auch dann, wenn eine solche Gefahr von Privatpersonen oder nicht-staatlichen Stellen ausgeht und von staatlichen Stellen zumindest gebilligt oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbar ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1997, Zl. 96/21/0096). Ob dies im Fall der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei der Fall sei, hätte die belangte Behörde prüfen müssen. Der Verwaltungsgerichtshof hat im übrigen in seiner Begründung der Aufhebung des den Asylantrag des Beschwerdeführers abweisenden Berufungsbescheides des Bundesministers für Inneres bereits festgehalten, daß eine von Dritten ausgehende Verfolgungsgefahr dem Staat zugerechnet und damit Asylrelevanz haben kann, wenn der Staat vor einer von Dritten ausgehenden Verfolgung keinen wirksamen Schutz bietet, sei es, daß er hiezu nicht in der Lage ist, sei es, daß er - wie hier behauptet - hiezu nicht gewillt ist (siehe das den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1995, Zl. 94/20/0836).

Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde bei der Beurteilung der Frage, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, der Beschwerdeführer wäre in der Türkei gemäß § 37 Abs. 1 und/oder 2 FrG bedroht, die Rechtslage verkannt und den angefochtenen Bescheid diesbezüglich mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet hat.

Soweit die Beschwerde gegen die Feststellung der belangten Behörde gerichtet ist, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in Ungarn gemäß § 37 Abs. 1 und/oder 2 FrG bedroht sei, ist sie ebenfalls berechtigt. Bezüglich dieser behaupteten Gefahr hat der Beschwerdeführer nämlich nicht nur ausgeführt, daß Ungarn die Genfer Flüchtlingskonvention nur mit einem Vorbehalt für europäische Staaten bzw. für Flüchtlinge aus europäischen Gebieten ratifiziert habe, sondern auch, daß er in Ungarn Gefahr liefe, sofort inhaftiert und in weiterer Folge in die Türkei abgeschoben zu werden.

Gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG ist nicht nur die unmittelbare Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in einen Staat, in welchem die in diesen Bestimmungen genannten Gefahren drohen, für unzulässig erklärt, sondern auch die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in einen Staat, in welchem die konkrete Gefahr besteht, daß der Fremde von dort in einen derartigen Staat weitergeschoben würde (indirektes Refoulement; vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1997, Zl. 95/21/0151). Allein aus dem Beitritt eines Staates zur Genfer Flüchtlingskonvention - sowie zum Protokoll zur Genfer Flüchtlingskonvention - kann nicht abgeleitet werden, daß ein Staat das Refoulement-Verbot im Sinne des § 37 Abs. 1 und 2 FrG tatsächlich beachte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1997, Zl. 95/21/0375, m. w.N.). Beruft sich ein Fremder im Verfahren gemäß § 54 FrG auf eine ihm in einem Drittstaat drohende konkrete Gefahr einer Weiterschiebung in einen Staat, in welchem ihm eine Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG drohe, so ist die Behörde auch in einem solchen Fall gehalten, sich mit der konkreten und aktuellen Praxis des betreffenden Staates hinsichtlich der Einhaltung des Refoulement-Verbotes im Hinblick auf die in § 37 Abs. 1 und 2 FrG genannten Gefahren auseinanderzusetzen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 10. September 1997, Zl. 95/21/0137, m. w.N.). Dies hat die belangte Behörde jedoch in Verkennung der Rechtslage verabsäumt und den angefochtenen Bescheid daher auch insoferne mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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