Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger, reiste am 7. April 1991 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 15. April 1991, ihm Asyl zu gewähren. Nach niederschriftlicher Einvernahme des Beschwerdeführers am 26. Juli 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich mit Bescheid vom 29. August 1991 fest, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung BGBl. Nr. 78/1974 nicht erfülle.
Über die dagegen erhobene Berufung entschied der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 20. August 1993 abweislich und sprach aus, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.
Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. September 1994, Zl. 94/20/0152 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes - infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof - aufgehoben.
Im fortgesetzten Verfahren ordnete die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 2 AsylG 1991 die Ergänzung des Ermittlungsverfahren an, indem das Bundesasylamt um Ladung des Beschwerdeführers zur Ermöglichung der Geltendmachung von einfachen Verfahrensmängeln im Sinn des aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes sowie darum ersucht wurde, ihn zur Frage der inländischen Fluchtalternative und Verfolgungssicherheit in Bulgarien und Jugoslawien zu vernehmen.
Das Bundesasylamt erließ daraufhin einen mit 8. Mai 1995 datierten Ladungsbescheid, der dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 10. Mai 1995 zugestellt wurde. Dem Ladungsbescheid ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer am 30. Mai 1995 in der Außenstelle Linz des Bundesasylamtes erscheinen sowie Identitätsnachweise mitnehmen solle. Schließlich wies das Bundesasylamt darauf hin, daß, sollte der Beschwerdeführer der Ladung unentschuldigt keine Folge leisten, das Verwaltungsverfahren ohne seine weitere Anhörung abgeschlossen werde.
Der Beschwerdeführer kam dem Ladungstermin nicht nach.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Juni 1995 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 19 Abs. 1 Z. 1 des Asylgesetzes 1991 abgewiesen. Als Begründung wurde ausgeführt, daß gemäß der genannten Bestimmung des Asylgesetzes Asylanträge in jedem Stand des Verfahrens abzuweisen seien, wenn der Asylwerber einer Ladung zu einer Vernehmung oder zu einer mündlichen Verhandlung ohne vorhergehende Entschuldigung nicht nachgekommen sei. Auf Grund der Tatsache, daß der Beschwerdeführer der Ladung für die Einvernahme am 30. Mai 1995 durch (gemeint wohl: ohne) vorhergehende Entschuldigung nicht nachgekommen sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, es seien gegen ihn massivste fremdenpolizeiliche Maßnahmen gesetzt worden, die schließlich dazu geführt hätten, daß er in Schubhaft genommen und am 6. September 1993 in sein Heimatland abgeschoben worden sei. Dies sei zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesministers für Inneres aktenkundig gewesen. Da der Beschwerdeführer nicht aus seinem Heimatstaat nach erfolgter Abschiebung zum persönlichen Gespräch mit der Behörde anreisen hätte können, sei der Abweisungsgrund des § 19 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 zu Unrecht herangezogen worden. Da er seine gesamten Asylgründe bereits im Verfahren dargetan habe, sei es für ihn nicht erforderlich gewesen, vor der Behörde zu erscheinen, zumal er angenommen habe, daß die Behörde von seinem Aufenthalt in der Türkei wisse. Des weiteren sei der gegenständlichen Ladung eine falsche Rechtsmittelbelehrung, ohne Hinweis auf den Abweisungsgrund des § 19 Asylgesetz 1991, angeschlossen gewesen. Überdies habe die belangte Behörde auch gegen § 13a AVG verstoßen, da sie im Rahmen der ihr obliegenden Manuduktionspflicht nicht darauf hingewiesen habe, welche Rechtsfolgen das Fernbleiben vom Termin beim Bundesasylamt nach sich ziehen würde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
Gemäß § 11 Asylgesetz 1991 findet auf das Verfahren nach diesem Bundesgesetz, soweit nicht anderes bestimmt wird, das AVG Anwendung. Es sind daher im Verfahren nach dem Asylgesetz 1991 auch die Bestimmungen des § 19 AVG anzuwenden.
§ 19 Abs. 1 erster Satz AVG legt die Berechtigung der Behörde fest, Personen vorzuladen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist.
Gemäß § 19 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 sind Asylanträge in jedem Stand des Verfahrens abzuweisen, wenn der Asylwerber einer Ladung zu einer Vernehmung oder zu einer mündlichen Verhandlung ohne vorhergehende Entschuldigung nicht nachgekommen ist.
Die Anwendung dieses Abweisungsgrundes (richtig wohl:
Zurückweisungsgrundes, vgl. Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 1994, B 1219/93 u.a.) setzt eine Ladung im Sinne des § 19 AVG voraus. Dabei sind die Anforderungen, die § 19 AVG an die (auch einfache) Ladung stellt, zu beachten. Zum einen muß die Ladung im Sinne des § 19 Abs. 1 AVG nötig gewesen sein, zum anderen kann sie sich nur auf Personen beziehen, die ihren Aufenthalt im Amtsbereich der Behörde haben. So wie eine nicht nötige Ladung nicht die in § 19 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 normierte Sanktion nach sich ziehen kann (vgl. hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1994, Zl. 94/01/0294), gilt dies auch für Ladungen von Personen, die ihren Aufenthalt nicht (mehr) im Amtsbereich der Behörde haben.
Wie der Beschwerde, den vorliegenden Verwaltungsakten zu entnehmen ist und von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogen wurde, verließ der Beschwerdeführer trotz mehrerer abschlägiger Bescheide, jeweils betreffend die Erteilung eines Wiedereinreisesichtvermerkes, das Bundesgebiet (vorerst) nicht. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 26. Juli 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer ein befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und er verpflichtet, das Bundesgebiet sofort zu verlassen. Am 4. August 1993 wurde zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt, die eingebrachte Beschwerde gemäß § 51 Fremdengesetz wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat für Oberösterreich mit Erkenntnis vom 19. August 1993 als unbegründet abgewiesen. Am 9. August 1993 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes in der Dauer von drei Monaten, welcher mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 25. August 1993 abgelehnt wurde.
Schließlich wurde der Beschwerdeführer am 6. September 1993 (nach dem - vorläufigen - Ende des Asylverfahrens) in seine Heimat abgeschoben.
Seit diesem Zeitpunkt hält sich der Beschwerdeführer nicht mehr in Österreich und daher auch nicht mehr im Amtsbereich der belangten Behörde bzw. des Bundesasylamtes auf. Dies war der belangten Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des Ladungsbescheides bzw. des Ersuchens an das Bundesasylamt zur Vorladung des Beschwerdeführers nach den vorliegenden Verwaltungsakten, die u.a. einen Bericht der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 20. September 1993 über die erfolgte Abschiebung des Beschwerdeführers enthalten, bekannt. Der Umstand der Abschiebung führte auch dazu, daß der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0415, die Beschwerde betreffend die Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes als gegenstandslos geworden erklärte und das Verfahren einstellte. Dieser Beschluß wurde am 17. Dezember 1993 nachweislich auch der belangten Behörde zugestellt.
Die Sanktion des § 19 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz kann aber nur Personen treffen, die im Sinn des § 19 AVG auf Grund ihres Aufenthaltes im Amtsbereich der Behörde im Ladungszeitpunkt als Ladungsadressaten in Frage kommen.
Da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Ladung aber nicht im Bundesgebiet aufhältig war, hätte die belangte Behörde von der Bestimmung des § 19 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht Gebrauch machen dürfen. Da die belangte Behörde insoweit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
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