Normen
AsylG 1991 §8 Abs1;
VwRallg;
AsylG 1991 §8 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Chinas, der am 24. Mai 1989 in das Bundesgebiet eingereist ist, jedoch erst am 22. November 1991 den Asylantrag gestellt hat, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. Februar 1992, mit dem festgestellt worden war, daß er die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, mit Berufung bekämpft.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Sie ging dabei von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:
Der Beschwerdeführer hatte bei seiner niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien am 23. Jänner 1992 im wesentlichen angegeben, er sei in Shanghai Polizeibeamter gewesen; er habe während seiner Tätigkeit als Polizist ein Studium fortsetzen wollen, dies habe seine vorgesetzte Behörde nicht zugelassen. Es hätte deswegen immer wieder Schwierigkeiten mit seinem Vorgesetzten gegeben. Auch habe er sich gegenüber seinem Vorgesetzten negativ über die kommunistische Partei geäußert. Die "Schwierigkeiten" mit dem Vorgesetzten seien immer größer geworden, schließlich habe man ihn nur zu Tätigkeiten eingeteilt, die mit "Schwierigkeiten" verbunden gewesen seien. Man habe immer wieder versucht, seine Gesinnung zu ändern und ihn einer "Gehirnwäsche" zu unterziehen, er sei observiert worden, man habe Erkundigungen über ihn eingezogen, man habe ihm vorgeschrieben, was er zu tun habe, was für Polizeibeamte relativ unüblich gewesen sei. 1986 oder 87 habe auf dem Rathausplatz in Shanghai eine Demonstration stattgefunden, gegen die die gesamte Polizeikompanie eingeschritten sei. Er habe sich jedoch geweigert, tätig zu werden, weshalb man über ihn eine Ordnungshaft in der Dauer von einer Woche verhängt habe. Außerdem habe er sich bei seinem Vorgesetzten offiziell entschuldigen müssen. Des weiteren habe er eine Gehaltskürzung hinnehmen müssen. In China bestimme der Staat, wie viele Kinder eine Familie haben dürfe. Nur ein Kind sei erlaubt. Als seine Frau zum zweiten Male schwanger geworden sei, habe man ihm gedroht, sein Gehalt zu kürzen, falls dieses Kind zur Welt käme. Daher habe sich seine Gattin entschlossen, das Kind im
5. Monat operativ entfernen zu lassen. Überdies bestehe in China keine Religionsfreiheit. Er sei von einer katholischen Familie eingeladen worden, eine katholische Messe zu besuchen, dies hätte jedoch bei seiner Dienstbehörde zu Schwierigkeiten geführt. Schlußendlich habe man ihm freigestellt, zu kündigen, andernfalls er mit einer Freiheitsstrafe zu rechnen gehabt hätte. Im April 1988 sei er schließlich aus dem Polizeidienst entlassen worden. Danach sei er ein Jahr arbeitslos gewesen und habe trotz Bemühungen keine Arbeit gefunden. In diesem Jahr habe seine Gattin für die gesamte Familie aufkommen müssen, was ihm das Gefühl gegeben habe, nicht mehr zu Hause leben zu können. Am 26. April 1989 sei er, nachdem ein Bekannter ihm einen Reisepaß besorgt habe, mit der Transsibirischen Eisenbahn über die Mongolei und Sowjetunion nach Budapest gereist, wo er etwa 20 Tage aufhältig gewesen sei, bevor er nach Wien weitergefahren sei. Kurz vor seiner Ausreise habe er noch an einer Demonstration teilgenommen, wobei er festgenommen worden sei. In seiner Berufung vom 21. Februar 1992 machte er keinen davon abweichenden Sachverhalt geltend, betonte lediglich, die Einstellung der Regierung in China zu Demokratie und Menschenrechten sei durch die Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 wohl ausreichend bewiesen, wobei dies nur die "Spitze des Eisbergs" gewesen sei. Seither habe es weder ein Umdenken noch ein Einlenken gegeben, vielmehr würden viele Andersdenkende (wie auch der Beschwerdeführer) öffentlich hingerichtet. In einer Berufungsergänzung vom 3. September 1993 ergänzte er sein bisheriges Vorbringen dahingehend, er sei als "Redner und Publizist" in Shanghai für die Ideologie der Revolte in der Volksrepublik China als Anführer eingestuft worden, sei darüber hinaus auch gegenüber seinen Gesinnungsgenossen einer größeren Verfolgung ausgesetzt, weil er sich als Angehöriger der Polizei einer Revolte gegen den Staat angeschlossen habe und aus diesem Grund im Falle seiner Rückkehr mit einer langjährigen Haftstrafe oder dem Todesurteil zu rechnen hätte. Abgesehen davon habe er sich der Fahnenflucht schuldig gemacht, da es Angehörigen der Polizei verboten sei, ins Ausland zu reisen. In einer weiteren Ergänzung seiner Berufung vom 21. Februar 1994 legte der Beschwerdeführer einen "Lebenslauf" vor, in welchem er als Gründe für seine Flucht - näher detailliert - Verletzungen von Menschenrechten geltend machte (Recht auf Bildung, Redefreiheit, freie Berufswahl, Familiengründung sowie Religionsfreiheit) und schloß, im April 1989 gerade in Peking gewesen zu sein und sich dort der Studentenbewegung angeschlossen zu haben. Für den Staatstrauertag des ehemaligen Kanzlers von China Hu Yao-Bang habe sich eine große Anzahl von Studenten am Platz des Himmlischen Friedens versammeln wollen, was bereits in der Nacht zuvor begonnen habe. Er habe erst am nächsten Morgen dazustoßen wollen, doch sei der Platz bereits von einem großen Polizeiaufgebot abgeriegelt gewesen. Beim Versuch, durch eine Lücke der Absperrung zu den Studenten vorzudringen, sei er verhaftet worden. Es sei ihm jedoch - erst nach erkennungsdienstlicher Behandlung - gelungen, aus der Polizeistation zu flüchten.
Die belangte Behörde beurteilte diesen Sachverhalt rechtlich im wesentlichen dahingehend, der Beschwerdeführer habe wohlbegründete Furcht vor Verfolgung in seinem Heimatland nicht glaubhaft machen können. Die Nichtzulassung zum Studium aus weltanschaulichen und politischen Gründen sei eine Unbill, die in totalitären Staaten von einer Mehrzahl von Staatsangehörigen in gleicher Weise hingenommen werden müsse, es sei darin keine konkrete, gegen den Beschwerdeführer persönlich gerichtete Verfolgungshandlung zu erkennen. Auch in der Einteilung zu Tätigkeiten, die mit "Gewalttätigkeiten" verbunden gewesen seien, könne eine Verfolgungshandlung gegen ihn nicht abgeleitet werden. Ebensowenig stellten Observierungen oder Hausdurchsuchungen bzw. Verhöre oder Befragungen Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Konvention dar. Im übrigen fehle zu der während seiner aktiven Beamtenzeit erlittenen Unbill der zeitliche Zusammenhang, weil er bereits im April 1988 entlassen worden sei, das Heimatland jedoch erst ein Jahr später verlassen habe. Dasselbe gelte für die über ihn verhängte Ordnungshaft im Jahre 1986 oder 87. Die restriktive Familienpolitik in China bilde ebenfalls - wie auch der Mangel der Religionsfreiheit - keinen Konventionsgrund. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Teilnahme an der Demonstration könne ebenfalls als konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung nicht erkannt werden. Gegen ein subjektives Schutzbedürfnis spreche überdies, daß der Beschwerdeführer mehr als zwei Jahre nach seiner Einreise in das Bundesgebiet erst den Asylantrag gestellt habe und sich überdies von der chinesischen Botschaft in Wien einen Personalausweis mit fünfjähriger Gültigkeitsdauer habe ausstellen lassen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, die Behörde habe es unberücksichtigt gelassen, daß letztlich ausschlaggebend für die Flucht des Beschwerdeführers aus seinem Heimatland gewesen sei, daß er sich im April 1989 der Studentenbewegung bzw. der Demonstration am Platz des Himmlischen Friedens in Peking habe anschließen wollen, jedoch dort verhaftet worden sei. Unter Berücksichtigung seines "politischen Werdeganges" sowie der anderen von ihm behaupteten erlittenen Unbill hätte die belangte Behörde seine Flüchtlingseigenschaft feststellen müssen. Insbesondere habe die belangte Behörde seine Darstellungen nicht als Einheit betrachtet, sondern in Einzelteile zerlegt und einer gesonderten rechtlichen Beurteilung unterzogen, was insgesamt ein unrichtiges Ergebnis erbracht habe, da auch Benachteiligungen, die für sich allein genommen noch nicht die Schwere einer Verfolgungshandlung hätten, als Gesamtheit gesehen sich sehr wohl als Verfolgung hätten darstellen können.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit darzutun.
Voraussetzung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 - welches die belangte Behörde im Sinn des § 25 Abs. 2 leg. cit. zutreffend angewendet hat - ist die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Bloß subjektiv empfundene Furcht vor Verfolgung genügt nicht; es müssen vielmehr (allenfalls drohende) Maßnahmen dargetan werden, die sowohl aus objektiver Sicht, als auch unter dem Gesichtpunkt der Schwere des Eingriffs einen weiteren Verbleib im Heimatland unerträglich erscheinen lassen (vgl hg. Erkenntnis vom 16. September 1993, Zl. 92/01/1057, sowie hg. Erkenntnis vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0251, auf welches des weiteren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Die Auffassung der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer komme Flüchtlingseigenschaft im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 auf der Grundlage seiner Sachverhaltsschilderung (vgl. § 20 Abs. 1 AsylG 1991) nicht zu, steht im Einklang mit der - auch von der belangten Behörde zitierten - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Zutreffend verweist auch die belangte Behörde auf den mangelnden zeitlichen Konnex zu jenen Umständen, die vor der Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Polizeidienst lagen. Der Verlust des Arbeitsplatzes aus Gründen der Konvention hingegen könnte nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zwar als Verfolgung gewertet werden, jedoch nur unter der weiteren Voraussetzung, daß dadurch die Lebensgrundlage des Asylwerbers massiv bedroht würde (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1993, Zl. 92/01/1041). Daß dies der Fall gewesen wäre, behauptet der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde. Insbesondere erweist es sich als eine gemäß § 41 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung, wenn der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde behauptet, seine Zeit der Arbeitslosigkeit sei einem auf Dauer bestehenden staatlich oktroyierten Arbeitsverbot gleichzuhalten. Auch erweist sich die - offenbar nur kurzfristige - Verhaftung anschließend an die Demonstration im April 1989 nicht als so schwerwiegend, daß daraus eine wohlbegründete Furcht vor (weiterer) Verfolgung des Beschwerdeführers abgeleitet werden kann, ganz davon abgesehen, daß seine eigenen Angaben in seiner Berufungsergänzung vom 18. Februar 1994, wonach es zu einer Teilnahme an der Demonstration infolge der bereits davor erfolgten Verhaftung gar nicht mehr gekommen ist, dies als nicht plausibel erscheinen lassen.
Insoweit der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften einen auch zum bereits ergänzten Berufungsvorbringen anderslautenden Sachverhalt vorbringt (insbesondere in bezug auf ein "Arbeitsverbot") fällt dieses ebenfalls unter das Neuerungsverbot des § 41 VwGG. Insoweit daran anknüpfend der Beschwerdeführer eine Verletzung der Ermittlungspflicht bzw. der Pflicht zur Einräumung des Parteiengehörs durch die belangte Behörde im Sinne des § 16 Abs. 1 AsylG 1991 rügt, ist darauf hinzuweisen, daß diese Bestimmung die Behörde nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen des Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 in Frage kommt, dazu verpflichtet, in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung dieser Angaben zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803). Da im Beschwerdefall über die - bereits behandelten - Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 im erstinstanzlichen Vorbringen des Beschwerdeführers (§ 20 Abs. 1 AsylG 1991) nicht enthalten waren, und auch in der Berufung Verfahrensverletzungen, die nicht durch die Berufung selbst und deren Ergänzungen hätten behoben werden können, nicht geltend gemacht wurden, bestand für die belangte Behörde auch kein Anlaß, im Sinn des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen.
Auf die die angefochtene Entscheidung wesentlich tragende Begründung, es fehle ein subjektives Schutzbedürfnis gerade auch im Hinblick auf die erst so spät erfolgte Asylantragstellung und die bereits nach Einreise in das Bundesgebiet erfolgte Paßausstellung, welche in der Regel als Unterschutzstellung im Sinn des § 2 Abs. 2 Z. 1 AsylG 1991 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt C Z. 1 des GFK gewertet wird, geht die Beschwerde gar nicht ein.
Aus diesen Gründen erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Insoweit der Beschwerdeführer einen Abspruch über die Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 AsylG 1991 vermißt, ist er darauf zu verweisen, daß maßgebend für den Verwaltungsgerichtshof der angefochtene Bescheid ist. Mit dem vorliegenden angefochtenen Bescheid wurde über einen § 8-Antrag nicht entschieden. Im übrigen käme diesem Teil der Beschwerde ebenfalls keine Berechtigung zu, weil selbst ein allfälliger Abspruch über einen Antrag auf Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 AsylG 1991 den Beschwerdeführer nicht in einem subjektiven Recht verletzen kann, da § 8 AsylG ihm ein solches nicht einräumt (vgl. u.a. hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1994, Zl. 94/01/0454, und vom 21. September 1994, Zlen. 94/01/0545 und 0660).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994.
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