VwGH 95/20/0104

VwGH95/20/010419.12.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Jänner 1995, Zl. 4.331.902/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §13a;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §13a;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 25. Dezember 1991 in das Bundesgebiet ein und stellte am 31. Dezember 1991 einen Asylantrag. Bei seiner Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien begründete der Beschwerdeführer seinen Antrag damit, daß er in seinem Heimatland als Kurde als "Mensch zweiter Klasse betrachtet und von den Türken abgelehnt" worden sei. Er sei regelmäßig beschimpft und auch gedemütigt worden. Vor ca. 2 Jahren seien einige seiner Freunde der PKK beigetreten und seither in der Osttürkei als Kämpfer aktiv tätig. Seither sei er mehrmals von einem Gendarmeriebeamten angehalten und über den Verbleib eines seiner Freunde befragt worden. Er habe darauf keine Angaben machen können. Da er diese Anhaltungen als Belästigung empfunden und "als Kurde keinerlei Rechte" gehabt habe, habe er sich zur Ausreise entschlossen.

Davon ausgehend stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien mit Bescheid vom 24. Februar 1992 fest, daß der Beschwerdeführer kein Flüchtling sei.

In der dagegen am 30. März 1992 erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, daß die Kurden gegen das türkische Militär kämpften. Er sei persönlich verfolgt worden, weil einige seiner Freunde Mitglieder der PKK seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und versagte die Gewährung von Asyl.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid damit begründet, daß der Beschwerdeführer keine gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen des Staates habe dartun können, die auf seine politische Gesinnung zurückgeführt werden könnten. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Benachteiligungen aufgrund seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe (allgemeine Geringschätzung und Demütigungen durch die Bevölkerung) erreichten nicht ein derartige Intensität, daß deshalb ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers in seinem Heimatland als unerträglich anzusehen wäre.

Diese Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers wird durch den vorgelegten Verwaltungsakt bestätigt. So kann diesem nicht entnommen werden, daß die dem Beschwerdeführer gegenüber gesetzten Polizeimaßnahmen deswegen erfolgt wären, weil ihm eine bestimmte, den staatlichen Intentionen widersprechende politische Gesinnung unterstellt worden wäre. Vielmehr erfolgten die ins Treffen geführten Anhaltungen und Verhöre - nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers - ausschließlich im Zuge von polizeilichen Nachforschungen nach dem Aufenthaltsort von einem wegen seiner politischen Tätigkeit gesuchten Freund des Beschwerdeführers. Bei dieser Sachlage konnte die belangte Behörde aber zu Recht davon ausgehen, daß den Belästigungen des Beschwerdeführers mangels Zugrundeliegens eines der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. I Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Motive keine Relevanz für die vom Beschwerdeführer angestrebte Asylgewährung zukam. Auch kommt selbst wiederholten Anhaltungen durch die Polizei und Befragungen nach dem Aufenthaltsort von Bekannten der ständigen hg. Judikatur zufolge nicht der Charakter von Eingriffen zu, die ihrer Intensität nach als Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention qualifiziert werden könnten. Ebensowenig kommt dieser Charakter den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Benachteiligungen (Beschimpfungen und Demütigungen durch die Bevölkerung) als Kurde in seinem Heimatland zu. Daß diese soweit gegangen wären, daß dadurch seine Lebensgrundlage gefährdet gewesen wäre, wurde im Verwaltungsverfahren nicht behauptet.

Soweit der Beschwerdeführer nunmehr in der Beschwerde geltend macht, daß er wegen seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe besonders häufigen Anhaltungen ausgesetzt gewesen sei und er dabei ernstlich mit dem "Umbringen" bedroht worden sei, unterliegt er damit dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehenden Neuerungsverbot (§ 41 VwGG). Wenn in der Beschwerde weiters auf das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers Bezug genommen wird, so ist daraus für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ihrer Entscheidung den in erster Instanz vorgebrachten Sachverhalt zugrundezulegen hatte.

Der Behauptung, die belangte Behörde habe die ihr obliegende Manuduktionspflicht verletzt, ist entgegenzuhalten, daß aus § 13a AVG keine Verpflichtung der Behörden abgeleitet werden kann, einen Asylwerber, der - wie der Beschwerdeführer - nur Angaben macht, denen kein Hinweis auf eine asylrechtlich relevante Verfolgung zu entnehmen ist, anzuleiten, wie er seine Angaben konkret gestalten sollte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1991, Zlen. 92/01/0800 bis 0803). Der Beschwerdeführer wurde im übrigen nach Inhalt der Niederschrift vom 18. Februar 1992 ausdrücklich aufgefordert, die vollständigen Gründe seiner Flucht aus der Türkei mitzuteilen, weil diese Angaben Entscheidungsgrundlage für seinen Asylantrag sein würden.

Zum Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen (vgl. das oben zitierte hg. Erkenntnis). Dazu ist noch anzumerken, daß der Beschwerdeführer auch in seiner Berufungsschrift lediglich darauf verwies, daß einige seiner Freunde als Mitglied der PKK aktiv gegen das türkische Militär kämpften. Warum und in welcher Form er selbst deshalb einer asylrechtlich relevanten Verfolgung durch die türkischen Behörden ausgesetzt gewesen wäre, wurde auch in der Berufung nicht weiter ausgeführt.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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