VwGH 95/19/1777

VwGH95/19/177714.2.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch den Vater HC, dieser vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Oktober 1995, Zl. 111.743/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §3 Abs1 Z2;
AufG 1992 §3 Abs1 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Oktober 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 13. September 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 4 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) abgewiesen.

Die Behörde begründete ihre Entscheidung wie folgt:

"Gemäß § 4 Abs. 1 AufG kann Fremden eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund gemäß § 5 AufG vorliegt.

Gemäß § 4 Abs. 3 AufG ist eine Bewilligung jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes.

Sie wurden am n.n.1994 im Bundesgebiet geboren und sind Sie deshalb zur Erstantragsstellung im Bundesgebiet berechtigt.

Ihr Vater verfügt über eine gültige Aufenthaltsberechtigung für das Bundesgebiet. Ihre Mutter verfügt jedoch über keine solche.

Der § 4 Abs. 3 AufG geht grundsätzlich davon aus, daß die Bewilligung, sofern kein Ausschließungsgrund vorliegt, mit der gleichen Befristung zu erteilen ist, wie die des Elternteiles, somit wäre Ihnen eine Aufenthaltsbewilligung mit der gleichen Befristung wie die der Ihres Vaters zu erteilen.

Aufgrund Ihres Alters (geb. n.n.1994) ist es jedoch nicht verantwortlich, und entspricht es auch nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, Sie von Ihrer Mutter zu trennen, da es durchaus üblich ist, daß die Kinder ihrer Mutter bis zu einem gewissen Alter bedürfen, zumal ihr Vater berufstätig ist und es unwahrscheinlich ist, daß er ausreichend Zeit findet, sich um sie zu kümmern.

Aufgrund des oben angeführten Sachverhaltes sah sich die Berufungsbehörde veranlaßt von dem ihr im § 4 Abs. 1 AufG eingeräumten Ermessensspielraum gebrauch zu machen.

Zu Ihren persönlichen Verhältnissen ist zu sagen, daß durch den Aufenthalt Ihres Vaters im Bundesgebiet unabsprechbare private und familiäre Beziehungen zu Österreich bestehen. Bei Abwägung der öffentlichen Interessen und Ihrer privaten Interessen, im Rahmen des Art. 8 MRK, war aufgrund des oben angeführten Sachverhaltes Ihren privaten Interessen, dem Verbleib Ihrerseits bei Ihrer Mutter, absolute Priorität einzuräumen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen hat:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG IST ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern von Fremden, die aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 AufG eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1 AufG) vorliegt.

Die belangte Behörde geht darüber hinweg, daß im Antrag der Beschwerdeführerin unter Punkt 4 "Aufenthaltszweck" in lit. c "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft, und zwar mit" das Wort "Vater" angekreuzt ist und bei den folgenden Angaben zur Person dieses Familienangehörigen der Name des Vaters der Beschwerdeführerin, nämlich HC, ausgefüllt wurde. Daraus ist eindeutig zu ersehen, daß die Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit dem Vater angestrebt wird.

Die belangte Behörde hat den rechtlichen Inhalt des § 3 AufG verkannt. Denn aus dem diesbezüglich unzweifelhaften Wortlaut der Norm ist im Falle, daß sich die angestrebte Bewilligung auf die Familienzusammenführung mit dem Vater bezieht, keine Befugnis der Behörden zu einer dem Wunsch der Antragstellerin entgegenstehenden Bevorzugung der Mutter ableitbar (vgl. in ähnlichem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 26. März 1996, Zl. 95/19/1278).

Ausgehend von der unrichtigen Rechtsansicht, daß die Mutter im konkreten Falle diejenige Person sei, auf welche die angestrebte Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft abzustellen sei, hat sich die belangte Behörde trotz des von ihr genannten Umstandes, daß dem Vater der Beschwerdeführerin die Aufenthaltsbewilligung mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Oktober 1995 erteilt wurde, nicht damit befaßt, ob der Vater der Beschwerdeführerin rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren seinen Hauptwohnsitz in Österreich hatte.

Aus dem Verwaltungsakt ist zu ersehen, daß dem Vater der Beschwerdeführerin Wiedereinreisesichtvermerke (vor Geltung des Aufenthaltsgesetzes) mit Gültigkeit 28. April 1992 bis 22. Juni 1992, 6. August 1992 bis 30. Juni 1993, 4. Juni 1993 bis 28. März 1994, sowie eine Aufenthaltsbewilligung mit Gültigkeit 29. März 1994 bis 29. März 1996 erteilt wurden. Hätte die belangte Behörde diese Feststellungen getroffen, so hätte sie zu dem Ergebnis gelangen können, daß der Vater der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde die im § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG genannten Erfordernisse erfüllt hätte, weshalb der Beschwerdeführerin ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 AufG zugekommen wäre. Eine Ermessensentscheidung der belangten Behörde gemäß § 4 Abs. 1 AufG wäre somit ausgeschlossen gewesen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit einem sogenannten sekundären Verfahrensmangel behaftet und war wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes war abzuweisen, weil neben dem Ersatz des pauschalierten Schriftsatzaufwandes ein Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht zusteht (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 686). Stempelgebührenersatz war nur in Höhe von S 270,-- (Beschwerde zweifach, angefochtener Bescheid einfach) zuzusprechen.

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