VwGH 95/19/1346

VwGH95/19/134614.12.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. August 1995, Zl. 302.804/2-III/11/95, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 30. August 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 2. März 1995 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufG, BGBl. Nr. 466/1992, iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, abgewiesen.

Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß die von der Beschwerdeführerin am 23. April 1990 geschlossene Ehe am 9. April 1992 vom Bezirksgericht Hernals für nichtig erklärt worden sei. Die Beschwerdeführerin sei die Ehe nur deshalb eingegangen, um die Möglichkeit zu erhalten, sich eine Aufenthaltsbewilligung und in weiterer Folge die österreichische Staatsbürgerschaft zu verschaffen. Diese Tatsache stelle einen Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG dar. Die privaten und familiären Beziehungen der Beschwerdeführerin zu Österreich seien gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Versagung einer Aufenthaltsbewilligung hintanzustellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes in eventu wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung nach dem genannten Gesetz Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG hat die Behörde auf die privaten und familiären Interessen des Fremden grundsätzlich Bedacht zu nehmen, und zwar derart, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 3. März 1994, Zl. 94/18/0021, und vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0859).

In der Beschwerde bleibt die Annahme der belangten Behörde, daß die von der Beschwerdeführerin (mit einem österreichischen Staatsbürger) geschlossene und für nichtig erklärte Ehe ausschließlich zum Zweck der Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung (sowie in weiterer Folge der österreichischen Staatsbürgerschaft) eingegangen worden sei, unbestritten. Diese Annahme wird durch die beigelegte Kopie des Urteils des Bezirksgerichtes Hernals bestätigt.

Die Beschwerdeführerin meint allerdings, daß ihr trotz Kenntnis der Tatsache, daß die Ehe annuliert worden sei, das Amt der Wiener Landesregierung bis April 1995 die Aufenthaltsbewilligung erteilt habe. Zudem hätte sie in der Berufung bereits darauf hingewiesen, daß sie fast ihr ganzes Leben in Österreich verbracht habe (mit Ausnahme der Zeit Oktober 1986 bis März 1989), einen tadellosen Lebenswandel geführt habe und voll integriert sei. Sie habe immer gearbeitet, Steuern gezahlt, sei im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung, in ungekündigter Stellung und könne nach Ablauf des Karenzjahres wieder ihrem Beruf nachgehen. Daraus leitet die Beschwerdeführerin ab, daß durch ihre annulierte Ehe die Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Bundesgebiet nicht gefährdet sei und die belangte Behörde ihre Befugnis, nach Ermessen zu entscheiden, unrichtig ausgeübt hätte. Zudem sei das Verwaltungsverfahren deshalb fehlerhaft, weil die Behörde keine Gründe dafür anführe, weshalb sie nicht schon in früheren Jahren die Annulierung der Ehe als Versagungsgrund genommen habe (der von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang zitierte § 13a AufG ist nicht existent).

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Eheschließung ausschließlich zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen einen Rechtsmißbrauch und solcherart ein Verhalten darstellt, welches auch ohne zusätzliche Anhaltspunkte den Schluß rechtfertigt, daß der (weitere) Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung (nicht die öffentliche Ruhe oder die öffentliche Sicherheit) gefährden würde (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 16. Juni 1993, Zl. 93/18/0266, vom 19. Mai 1994, Zl. 94/18/0220, vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0859, und vom 21. September 1995, Zl. 95/19/0671). Daß aber im Beschwerdefall eine rechtsmißbräuchliche Eingehung der Ehe als erwiesen und deshalb der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG in Ansehung der Gefährdung der öffentlichen Ordnung als verwirklicht anzusehen sei, wurde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend und mit hinlänglicher Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht.

Daß die Behörde in früheren Verfahren - in Verkennung der Rechtslage - aufgrund vorheriger Anträge der Beschwerdeführerin die Aufenthaltsbewilligung erteilt hat, vermittelt der Beschwerdeführerin nicht den Rechtsanspruch, daß die Behörde auch in zukünftigen Verfahren den gegenständlich vorliegenden Sichtvermerksversagungsgrund außer acht lassen werde. Die bisher erteilten Aufenthaltsbewilligungen bewirken lediglich, daß sich die privaten und familiären Beziehungen der Beschwerdeführerin zu Österreich vertiefen konnten.

Der von der Behörde vorgenommenen Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 MRK ist die Beschwerdeführerin nicht ausdrücklich entgegengetreten, sondern indirekt durch Anführung ihres Vorlebens. Hiezu ist zu bemerken, daß die durch ihren Aufenthalt vom Jahr 1973 bis 1986 in Österreich gegebenenfalls entstandenen Bindungen zu Österreich durch den darauf folgenden zweieinhalbjährigen Aufenthalt in Jugoslawien stark abgeschwächt wurden. Dem neuerlichen Aufenthalt seit 1990 ist jedoch die bereits am 23. April 1990 geschlossene "Scheinehe" entgegenzuhalten. Deshalb kommt den von der Beschwerdeführerin angeführten persönlichen Bindungen zu Österreich gegenüber dem durch das verwerfliche Verhalten (Abschluß einer "Scheinehe") der Beschwerdeführerin in gravierender Weise beeinträchtigten öffentlichen Interesse nicht ein solches Gewicht zu, daß sie letzteres überwiegen würden. Während auf der einen Seite darauf Bedacht zu nehmen ist, daß sich die Beschwerdeführerin durch ihre gegen ein geordnetes menschliches Zusammenleben grob verstoßende rechtsmißbräuchliche Eheschließung nicht nur die Berechtigung zum Aufenthalt, sondern - zumindest indirekt - auch die Berechtigung zu einer Beschäftigung erschlichen hat, werden auf der anderen Seite die privaten Interessen der Beschwerdeführerin an der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung durch ihren nunmehrigen, seit 1990 währenden und noch dazu in rechtsmißbräuchlicher Weise verschafften Aufenthalt im Bundesgebiet und überdies dadurch relativiert, daß die Beschwerdeführerin volljährig ist und familiäre Bindungen in Österreich (mit Ausnahme des mj. R) nicht behauptet hat. Die Beurteilung der belangten Behörde, daß die privaten Interessen der Beschwerdeführerin hinter den maßgeblichen öffentlichen Interessen zurückzustehen hätten, begegnet demnach keinen Bedenken.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

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