Normen
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG 1992 §6 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.470,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, brachte am 12. Jänner 1994 durch seinen Vater einen als Verlängerungsantrag bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenhaltsbewilligung bei der österreichischen Botschaft in Laibach ein. Diesen Antrag wertete der Bürgermeister der Stadt Salzburg als Erstantrag und wies ihn (für den Landeshauptmann von Salzburg) gemäß § 4 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) mit Bescheid vom 8. März 1994 ab.
In weiterer Folge brachte der Beschwerdeführer am 14. Juli 1994, diesmal durch seine Schwester, einen weiteren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bei der österreichischen Botschaft in Laibach ein, zog ihn nach entsprechender Rechtsbelehrung am 30. September 1994 jedoch zurück.
Schließlich stellte der Beschwerdeführer am 10. Oktober 1994 auf dem Postweg einen dritten, nun als Erstantrag bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz beim Amt der Salzburger Landesregierung, welchen der Bürgermeister der Stadt Salzburg (für den Landeshauptmann von Salzburg) mit Bescheid vom 24. Jänner 1995 gemäß den "§ 4 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 1" AufG abwies.
Die dagegen fristgerecht erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 21. Juni 1995 gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen. Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, die Behörde erster Instanz habe den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit der Begründung abgewiesen, der Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus, in dem sich der Beschwerdeführer aufhalten dürfe, zu stellen. Der Beschwerdeführer habe sich aber vor bzw. nach der Antragstellung in Österreich aufgehalten und den Antrag per Post von Freilassing, Bundesrepublik Deutschland, aus eingebracht. Der Beschwerdeführer habe für die BRD jedoch kein gültiges Visum besessen.
Gegen diese Beurteilung habe der Beschwerdeführer im wesentlichen eingewendet, daß er in Österreich verheiratet sei. Überdies hätte bei einer niederschriftlichen Befragung ein Dolmetscher beigezogen werden müssen. Aus diesem Grund könne eine Abweisung seines Antrages nicht auf § 6 Abs. 2 AufG gestützt werden.
Diese Annahme des Beschwerdeführers sei unzutreffend. Der Beschwerdeführer habe nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden Aktenlage den Antrag nicht vor der Einreise, mit der sein derzeitiger Aufenthalt begonnen habe, gestellt. Der Antrag sei vom Beschwerdeführer im Ausland eingebracht worden. Er sei jedoch nicht berechtigt gewesen, sich in diesem Land (gemeint: der Bundesrepublik Deutschland) aufzuhalten, da er nicht im Besitz eines gültigen Visums gewesen sei. Es lägen somit die gesetzlichen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Antragstellung nicht vor. Aus dem Reisedokument des Beschwerdeführers sei keine Einreise nach der Antragstellung ersichtlich. Er sei vor und nach der Antragstellung polizeilich gemeldet bzw. aufhältig gewesen. Allein diese Tatsachen stützten die Beurteilung der Behörde erster Instanz in vollem Umfang.
Aus all diesen Umständen ergebe sich, daß die Verfahrensvorschrift des § 6 Abs. 2 AufG anzuwenden und die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen sei. Angesichts dieses Ermittlungsergebnisses sei auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers - auch im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen - nicht weiter einzugehen gewesen.
Bezüglich der Angaben des Beschwerdeführers in seiner Berufung, daß kein Dolmetscher beigezogen worden sei, habe die Berufungsbehörde erhoben, daß der Beschwerdeführer zu der in Rede stehenden niederschriftlichen Befragung Herrn K. als Dolmetscher selbst mitgebracht habe. Ein amtlicher Dolmetscher sei vom Beschwerdeführer nicht gewünscht worden. Der vom Beschwerdeführer in der Berufung geltend gemachte Verfahrensmangel liege daher nicht vor.
Natürlich habe die Berufungsbehörde "eine Interessensabwägung gemacht, derzufolge die öffentlichen Interessen im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen die privaten Interessen" überwögen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides (4. August 1995) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 sowie die am 27. Juni im Bundesgesetzblatt kundgemachte Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, maßgeblich.
§ 6 Abs. 2 AufG lautet in der Fassung der Novelle
BGBl. Nr. 351/1995:
"§ 6.
...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."
§ 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 lautet:
"§ 3. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
...
3. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörige im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten und ..."
Die Stellung eines Verlängerungsantrages kam für den Beschwerdeführer nicht in Frage, weil bereits der am 12. Jänner 1994 gestellte Antrag von der Behörde erster Instanz rechtskräftig abgewiesen worden war und nach rechtskräftiger Abweisung eines Antrags auf Verlängerung einer allenfalls bestehenden Aufenthaltsberechtigung eine Verlängerung einer solchen Berechtigung im Sinne des AufG jedenfalls ausgeschlossen ist. Die belangte Behörde qualifizierte den Antrag des Beschwerdeführers daher zu Recht als Erstantrag, für den die in § 6 Abs. 2 AufG festgelegten Erfolgsvoraussetzungen maßgeblich waren.
Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Nach dem u.a. aus den Gesetzmaterialen erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird jedoch für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag im Ausland abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703, mwN).
Unbestritten ist im vorliegenden Fall aufgrund der Bescheidfeststellung und des Beschwerdevorbringens, daß der Beschwerdeführer seinen Antrag von Freilassing aus auf dem Postweg eingebracht und sich anschließend wieder in Österreich aufgehalten hat.
Angesichts dieses unbestrittenen Sachverhaltes entsprach der Antrag des Beschwerdeführers nur dann dem § 6 Abs. 2 AufG, wenn dem Beschwerdeführer aufgrund einer besonderen Rechtsvorschrift ausnahmsweise eine Antragstellung im Inland erlaubt gewesen wäre.
Der Beschwerdeführer brachte, wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt, bereits in seiner Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz vor, "in Österreich verheiratet" zu sein, wobei seine Ehefrau in Salzburg beschäftigt sei (OZl. 75 des Verwaltungsaktes). Dieses Vorbringen hätte die belangte Behörde - bezogen auf die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgebliche Rechtslage - dazu verhalten, Feststellungen darüber zu treffen, ob der Beschwerdeführer selbst eine Aufenthaltsbewilligung hatte und Angehöriger einer Person ist, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen bot auch der Verwaltungsakt Hinweise: So dürfte aus den vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen hervorgehen, daß er über eine vom 5. Juli 1993 bis 4. Jänner gültige Aufenthaltsbewilligung (vgl. OZl. 52 des Verwaltungsaktes) verfügte und seit 21. Dezember 1993 mit einer bosnischen Staatsangehörigen verheiratet war (vgl. OZl. 59 des Verwaltungsaktes). Die Ehefrau des Beschwerdeführers dürfte ihrerseits über eine am 31. Dezember 1993 bis zum 5. November 1994 gültige Aufenthaltsbewilligung (vgl. OZl. 55 des Verwaltungsaktes) sowie über eine vom 20. September 1994 bis zum 19. September 1996 gültige Arbeitserlaubnis (vgl. OZl. 54 des Verwaltungsaktes) verfügt haben.
Wäre die belangte Behörde zum Ergebnis gekommen, daß der Beschwerdeführer Familienangehöriger (im Sinne des § 3 AufG) einer Person war, der eine Arbeitserlaubnis ausgestellt war, und seinerseits eine Aufenthaltsbewilligung hatte, so hätte er im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die in § 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 umschriebenen Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Antragstellung im Inland erfüllt. Die auf § 6 Abs. 2 AufG gestützte Abweisung seines Antrages, dessen rechtliches Schicksal der Beschwerdeführer zulässigerweise im Inland abgewartet hatte, erwiese sich dann als mit § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG nicht vereinbar.
Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil schon die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, und Art. 6 MRK dem nicht entgegensteht.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm Art. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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