VwGH 95/19/0843

VwGH95/19/084327.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Juli 1995, Zl. 107.209/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §2 Abs3 Z4;
AufG 1992 §3;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z3;
AufG 1992 §2 Abs3 Z4;
AufG 1992 §3;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, dessen am 23. April 1990 ausgestellter Wiedereinreisesichtvermerk bereits am 11. März 1993 abgelaufen war, brachte am 1. Februar 1994 durch einen Rechtsanwalt bei der österreichischen Botschaft in Ankara einen als "Verlängerungsantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein, der am 8. Februar 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag mit Bescheid vom 1. August 1994 gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab.

Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Juli 1995 gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen.

Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, gemäß § 6 Abs. 2 AufG sei der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung könne auch vom Inland aus gestellt werden.

Der Beschwerdeführer habe durch seinen Rechtsanwalt von Wien aus an die österreichische Botschaft Preßburg (richtig wohl: Ankara) einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz übermittelt. Von dort sei dieser Antrag an die MA 62 weitergeleitet worden, wo dieser am 8.2.1994 eingelangt sei. Laut den eigenen Angaben des Beschwerdeführers habe er sich zum Zeitpunkt der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten und dadurch das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland aus nicht erfüllt. Aufgrund dieser Tatsachen sei der Antrag vom Amt der Wiener Landesregierung abzulehnen gewesen.

Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers sei zu sagen, daß gewisse Beziehungen zur Republik Österreich bestünden, da die Ehegattin des Beschwerdeführers im Bundesgebiet lebe. Die Versagung eines Sichtvermerkes sei nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein nicht so schwerwiegender Eingriff in das Privat- und Familienleben wie etwa ein Aufenthaltsverbot. Im Fall des Beschwerdeführers dürfe bei einer Antragstellung aus dem Ausland vor der Einreise in das Bundesgebiet und bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 5 Abs. 1 AufG der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nichts entgegenstehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer räumt ein, seinen Antrag bei der österreichischen Botschaft Preßburg (richtig wohl: Ankara) durch einen Vertreter eingebracht zu haben, er führt lediglich aus, der entscheidungsrelevante Zeitpunkt sei nicht der 8. Februar 1994 (Tag des Einlangens seines Antrages bei der MA 62), sondern ein früherer Zeitpunkt, nämlich der Tag der Antragstellung bei der österreichischen Botschaft Ankara. Zu DIESEM Zeitpunkt habe sich der Beschwerdeführer sehr wohl im Ausland aufgehalten.

Der wesentlichen Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, er habe sich (danach wieder) im Bundesgebiet aufgehalten, tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen.

Des weiteren weist der Beschwerdeführer auf seine Beziehungen zu Österreich hin und führt aus, daß der belangten Behörde diesbezüglich ein Verfahrensfehler anzulasten sei, da sie diese nicht hinreichend ermittelt habe.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (28. Juli 1995) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach Inkrafttreten der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, maßgeblich.

§ 6 Abs. 2 AufG in dieser Fassung lautet (auszugsweise):

"§ 6.

...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."

§ 3 Z. 3 der am 27. Juni 1995 im Bundesgesetzblatt kundgemachten Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, lautet:

"§ 3. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

3. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 Aufenthaltsgesetz, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten und ..."

Da der Beschwerdeführer bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens des AufG (1. Juli 1993) über keine Aufenthaltsberechtigung verfügte (vgl. Seite 6 des Verwaltungsaktes), kam die Stellung eines Verlängerungsantrages für ihn nicht in Frage. Die belangte Behörde wertete seinen Antrag daher zu Recht als Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, für den die Vorschriften des § 6 Abs. 2 AufG gelten.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168 mwN). Die Antragstellung durch einen Vertreter vom Ausland aus, während sich der Fremde selbst im Inland aufhält, erfüllt die Vorausetzungen des § 6 Abs. 2 AufG nicht.

Insoweit der Beschwerdeführer vorbringt, er hätte die Anforderungen des § 6 Abs. 2 AufG erfüllt, da er sich am Tage der Antragstellung nicht in Österreich aufgehalten habe, ist ihm zu entgegnen, daß es nicht allein darauf ankommt, wo sich der Fremde zum Zeitpunkt der Antragstellung aufhält. Nach dem u. a. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG hat die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bei Erstanträgen nicht nur zur Voraussetzung, daß der Antrag vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt wurde, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag im Ausland abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703, mwN).

Dies hat der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen nicht getan.

Das Abwarten der Entscheidung über den durch einen Vertreter bei einer österreichischen Vertretungsbehörde eingebrachten Antrag im Inland dürfte allerdings dann nicht als Grund für die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung herangezogen werden, wenn der Beschwerdeführer zu dem nach § 6 Abs. 2 letzter Satz iVm § 3 der Verordnung der Bundesregierung, BGBl. Nr. 408/1995, begünstigten Personenkreis gehörte, bei dem eine Antragstellung im Inland ausnahmsweise zulässig ist.

Wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt (vgl. Seiten 6 und 13), verfügte der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Antragstellung zwar nicht über eine Aufenthaltsbewilligung, wohl aber über einen am 23. April 1993 ausgestellten, vom 26. April 1993 bis 25. April 1998 gültigen Befreiungsschein. Ungeachtet dessen kann sich der Beschwerdeführer jedoch nicht auf § 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 berufen. Der am 23. April 1990 ausgestellte Wiedereinreise-Sichtvermerk war am 11. März 1993 abgelaufen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist § 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 nämlich nur anwendbar, wenn der Antragsteller (aufgrund verspäteter Antragstellung auf Verlängerung) zum Zeitpunkt des Beginnes seiner arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung - im Fall des Beschwerdeführers: seines Befreiungsscheines - oder danach innerhalb deren Gültigkeitsdauer im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung war und diese während der Gültigkeit der arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung ablief (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703, und vom 24. März 1997, Zl. 95/19/0902). Keine Anwendung findet § 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 nach dieser Rechtsprechung daher auf Antragsteller, die (irgendwann) vor Beginn der Gültigkeit der arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung (oder eines Sichtvermerkes) waren. Da der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Ausstellung seines Befreiungsscheines über keine Aufenthaltsbewilligung verfügte, war der Ausnahmetatbestand des § 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 nicht verwirklicht.

Dem angefochtenen Bescheid ist somit keine inhaltliche Rechtswidrigkeit anzulasten, weil nach dem bisher Gesagten eine ausnahmsweise Antragstellung im Inland im Fall des Beschwerdeführers ausschied und die Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG zwingend die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach sich zieht.

Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf seine familiären und privaten Beziehungen zu Österreich vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der Gesetzgeber der AufG-Novelle BGBl. Nr. 351/1995 hat mit den Bestimmungen des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG und des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genutzten - Verordnungsermächtigung in Ansehung der Angehörigen in Österreich aufhältiger Fremden bereits auf die durch Art. 8 MRK geschützten familiären Interessen Bedacht genommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/19/0161). Gegen die Determinierung der Verordnungsermächtigung auf solche Angehörige, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten, bestehen im Fall des Beschwerdeführers beim Verwaltungsgerichtshof ebenso wenig Bedenken wie gegen die aufgrund dieser Ermächtigung erlassene Verordnung BGBl. Nr. 408/1995.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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