Spruch:
Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in Verbindung mit § 71 Abs. 1 AVG wird die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Salzburg vom 5. Dezember 1994, Zl. 1/07-3823/1/1-1994, als unbegründet abgewiesen.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenaufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer verfügte zuletzt über einen Wiedereinreisesichtvermerk mit Geltungsdauer bis 7. Dezember 1993. Am 5. Juni 1994 stellte der Beschwerdeführer an den Magistrat der Stadt Salzburg einen als "Verlängerungsantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Salzburg vom 5. Oktober 1994 wurde dieser Antrag gemäß § 13 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtete sich der mit 24. Oktober 1994 datierte, am 25. Oktober 1994 bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangte Schriftsatz, in dem der Beschwerdeführer primär beantragte, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 13 Abs. 1 AufG zu bewilligen. Für den Fall der rechtskräftigen Abweisung dieses Antrages erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen den Bescheid vom 5. Oktober 1994.
Mit Bescheid vom 5. Dezember 1994 wies die erstinstanzliche Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter anderem mit der Begründung zurück, daß es sich bei der Frist zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht um eine verfahrensrechtliche Frist handle.
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 12. Dezember 1994 zugestellt.
Sowohl der Bescheid vom 5. Oktober 1994 als auch jener vom 5. Dezember 1994 trägt die Zl. 1/07-3823/1/1-1994.
Am 22. Dezember 1994 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 5. Dezember 1994 Berufung. Darin vertrat er unter Bezugnahme auf Bezdeka/Graser, Aufenthaltsgesetz, Anmerkung zu § 6 Abs. 3, die Auffassung, daß die in dieser Bestimmung normierte Frist eine verfahrensrechtliche und restituierbare sei. Gleiches habe auch für die Frist des § 13 Abs. 1 AufG für den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften Gültigkeit. Im übrigen wurde in der Berufung dargelegt, daß § 71 AVG einen Rechtsanspruch auf die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einräume, und ausgeführt, daß der Beschwerdeführer sein Wiedereinsetzungsvorbringen glaubhaft gemacht und ihn an der Versäumung der Frist kein Verschulden getroffen habe.
Mit Erledigung der belangten Behörde vom 24. März 1995, Zl. 300.055/3-III/11/95, wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 5. Oktober 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 und § 13 Abs. 1 AufG abgewiesen.
Mit Erledigung der belangten Behörde vom gleichen Tag, Zl. 300.055/2-III/11/95, wurde seine Berufung gegen den Bescheid vom 5. Dezember 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen. Die belangte Behörde übermittelte diese Erledigungen der erstinstanzlichen Behörde mit dem Ersuchen, sie dem Berufungswerber im Original zuzustellen.
Nach dem Inhalt eines im Verwaltungsakt erliegenden Rückscheines wurde am 19. April 1995 an den Vertreter des Beschwerdeführers eine Sendung mit dem Betreff: "Bescheid (BMI)
v. 24.3.95, Verfahrensordnung v. 1/07-3823/1/1-94 M" zugestellt. In den Verwaltungsakten befindet sich der Bescheid der belangten Behörde, mit dem über die Berufung gegen den Bescheid vom 5. Oktober 1994 erkannt wurde, in Abschrift. Die Erledigung der belangten Behörde in Ansehung des Bescheides vom 5. Dezember 1994 erliegt im erstinstanzlichen Verwaltungsakt in Abschrift mit einem Vermerk "abgefertigt 18. Apr. 1995" (ON 36), sowie im Original (ON 37). Weiters ist ersichtlich, daß am 18. April 1995 zusammen mit einem Bescheid eine Verfahrensanordnung vom 11. April 1995 an den Vertreter des Beschwerdeführers abgefertigt wurde (ON 40 des Verwaltungsaktes).
Mit seiner am 7. August 1995 zur Post gegebenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde in Ansehung der Berufung gegen den Bescheid vom 5. Dezember 1994 geltend.
Mit Verfügung vom 17. August 1995, der belangten Behörde zugestellt am 14. September 1995, trug ihr der Verwaltungsgerichtshof auf, den versäumten Bescheid nachzuholen und eine Abschrift desselben vorzulegen, oder aber darzulegen, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorlag.
Die belangte Behörde legte zunächst eine Kopie der den Bescheid vom 5. Dezember 1994 betreffenden Erledigung des Bundesministers für Inneres vom 24. März 1995 sowie des behauptetermaßen dazugehörigen Rückscheines vor. Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes erfolgte sodann eine Vorlage der Verwaltungsakten, wobei die belangte Behörde nunmehr beantragte, die Beschwerde "gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG" abzuweisen.
Mit Verfügung vom 19. November 1996 hielt der Verwaltungsgerichtshof den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens den oben wiedergegebenen Akteninhalt vor und forderte diese auf, sich zur Frage zu äußern, ob die vom Vertreter des Beschwerdeführers am 19. April 1995 übernommene Sendung (auch) den die Berufung gegen den Bescheid vom 5. Dezember 1994 erledigenden Bescheid enthielt oder nicht.
Der Beschwerdeführer äußerte sich dahingehend, daß die Sendung lediglich den die Berufung vom 5. Oktober 1994 erledigenden Bescheid der belangten Behörde sowie die Verfahrensanordnung der erstinstanzlichen Behörde vom 11. April 1995 enthalten habe und legte diese Erledigungen dem Verwaltungsgerichtshof vor, wobei jene der belangten Behörde den Eingangsstempel 19. April 1995 trägt.
Die belangte Behörde äußerte sich wie folgt:
"Wie aus den Verwaltungsakten ersichtlich ist, wurden beide Bescheide der ho. Behörde gleichzeitig an die Behörde erster Instanz zur Zustellung übermittelt. Aufgrund dessen ist es nicht schlüssig oder nachvollziehbar, warum bei der vorgenommenen Zustellung nur ein Bescheid dem Rechtsvertreter zugekommen sein sollte. Eine derartige Behauptung ist daher nach ho. Rechtsansicht als nicht glaubwürdig anzusehen, dies auch in Hinblick darauf, daß bislang der Zustellbehörde eine Verfehlung beim Zustellvorgang nicht nachweisbar ist."
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst waren die Prozeßvoraussetzungen zu prüfen.
Aufgrund der wiedergegebenen Stellungnahme ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren strittig, ob die am 19. April 1995 übernommene Sendung auch die den erstinstanzlichen Bescheid vom 5. Dezember 1994 betreffende Erledigung der belangten Behörde beinhaltete.
Aus dem am Rückschein angeführten Betreff ergibt sich dies nicht, weil das Wort "Bescheid" dort in der Einzahl gebraucht und daher nicht beurkundet wurde, daß in dem Kuvert mehrere Bescheide des Bundesministers für Inneres beinhaltet gewesen wären. Für die Darstellung des Beschwerdeführers, er habe mit dieser Sendung lediglich die Erledigung in Ansehung des Bescheides vom 5. Oktober 1994 sowie die Verfahrensanordnung vom 11. April 1995 zugestellt erhalten, spricht in signifikanter Weise der Umstand, daß sich in den Verwaltungsakten der erstinstanzlichen Behörde das Original einer Ausfertigung der den Bescheid vom 5. Dezember 1994 betreffenden Erledigung der belangten Behörde vom 24. März 1995 befindet, bei der es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die für den Beschwerdeführer bestimmte Ausfertigung handelt. Demgegenüber ist die dem Beschwerdeführer nach seinen bescheinigten Behauptungen zugekommene Ausfertigung der den Bescheid vom 5. Oktober 1994 betreffenden Erledigung im erstinstanzlichen Akt lediglich in Abschrift, nicht jedoch im Original vorhanden. Damit scheidet die aufgrund des Abfertigungsvermerkes auf der Abschrift der den Bescheid vom 5. Dezember 1994 betreffenden Erledigung zunächst denkbare Variante aus, dem Vertreter des Beschwerdeführers sei allein diese, nicht aber die den Bescheid vom 5. Oktober 1994 betreffende Erledigung zugestellt worden.
Aus all diesen Umständen erachtet es der Verwaltungsgerichtshof nicht als erwiesen, daß die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 5. Dezember 1994 durch Zustellung einer Ausfertigung der diesbezüglichen Erledigung vom 24. März 1995 an den Beschwerdeführer (im Wege der erstinstanzlichen Behörde) erledigt und damit den Berufungsbescheid erlassen hätte.
Daraus folgt, daß im Hinblick auf das Einlangen der Berufung bei der erstinstanzlichen Behörde am 22. Dezember 1994 die Frist des § 27 VwGG im Zeitpunkt der Erhebung der Säumnisbeschwerde am 7. August 1995 verstrichen war, ohne daß die Berufung durch Zustellung einer Berufungsentscheidung erledigt worden wäre.
Eine Nachholung des versäumten Bescheides ist auch nicht innerhalb der der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Dreimonatsfrist erfolgt.
Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst zu entscheiden.
Inhaltlich erweist sich die Berufung gegen den erstinstanzlichen (den Wiedereinsetzungsantrag zurückweisenden) Bescheid vom 5. Dezember 1994 als unberechtigt, weil es sich bei der Frist des § 13 AufG um eine materiell-rechtliche Frist handelt, gegen deren Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zulässig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/18/0666). Die erstinstanzliche Behörde hat den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers daher zu Recht zurückgewiesen, sodaß dessen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abzuweisen war.
Mangels Zulässigkeit eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen, wonach dem Beschwerdeführer an der Fristversäumung kein Verschulden anzulasten sei.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 55 Abs. 1 erster Satz sowie § 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG, welcher die Regel des § 59 Abs. 3 zweiter Satz VwGG verdrängt und kraft eines Größenschlusses auch die Korrektur eines ursprünglichen Minderbegehrens an Schriftsatzaufwand in einem späteren Schriftsatz bis zur Entscheidung über die Beschwerde ermöglicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1985, Zl. 85/10/0125), in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung wäre die Vorlage der Berufung in einfacher Ausfertigung ausreichend gewesen, sodaß der auf die Vorlage einer zweiten Ausfertigung der Berufung entfallende Stempelgebührenaufwand nicht zuzuerkennen war.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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