VwGH 95/18/0685

VwGH95/18/068518.12.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 22. September 1994, Zl. SD 767/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
AVG §37;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirekion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 22. September 1994 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in Pakistan gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Der Beschwerdeführer habe zur Begründung seines Antrages ausgeführt, er wäre "Kreispräsident" einer religiös und politisch aktiven moslemisch-sunnitischen Gemeinschaft gewesen. Diese Gruppe wäre gegen die moslemisch-schiitische Glaubensrichtung ausgerichtet. Ein weiteres Ziel wäre die Errichtung eines eigenen Staates Panjab. Wegen seiner Stellung als "Kreispräsident" dieser Vereinigung an sich hätte er keine Probleme mit der Polizei gehabt. Fallweise hätten sogar Vertreter der Polizei an Veranstaltungen dieser Gruppe teilgenommen und die Teilnehmer ermahnt, gemäßigter zu sein. Eine Veranstaltung am 10. August 1993 wäre von fanatischen Schiiten ("Shia") gestört worden. Es wäre zu Auseinandersetzungen gekommen, in deren Verlauf einer der Schiiten getötet worden wäre. Der Beschwerdeführer hätte sich bei dieser Veranstaltung unbewaffnet auf dem Podium befunden; er wäre noch vor dem Eintreffen der Polizei geflüchtet. Er wäre, so hätte ihm ein Freund telefonisch mitgeteilt, von der Shia-Gruppierung als Verantwortlicher für den Tod eines ihrer Mitglieder angezeigt worden. Es würde nach ihm gefahndet; es wäre bereits in seiner Wohnung eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden.

Der Beschwerdeführer habe dieses Vorbringen durch keine konkreten Beweismittel zu belegen vermocht.

Aus "all dem" ergebe sich, daß die Polizei nicht wegen der Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers oder dessen politischer Ansichten, sondern allein wegen der Auschreitungen anläßlich der Veranstaltung, welche eine Todesopfer gefordert hätten, eingeschritten sei. Es liege auf der Hand, daß der Beschwerdeführer deshalb von der Polizei gesucht werde. Der Beschwerdeführer sei von "der Gegenseite" als Verantwortlicher für den Tod eines Menschen angezeigt worden. Aufgrund dieser - wenn auch unrichtigen - Anzeige hätte er sich "auch in anderen demokratischen Staaten" zu rechtfertigen und sich einer behördlichen Untersuchung zu unterziehen. Es könne keine Rede davon sein, daß das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus den in der Konvention genannten Gründen im Sinne des § 37 Abs. 2 FrG bedroht sei und es bestünde auch kein Grund für die Annahme, daß dem Beschwerdeführer eine unmenschliche Behandlung durch die Polizei drohe.

Nach den "Länderberichten" über Pakistan würden "besser gestellte" Personen in der Regel nicht Opfer von Polizeiwillkür, vielmehr stehe ihnen die Möglichkeit offen, zu ihrem Recht zu kommen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht ist.

Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Falle der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1996, Zl. 95/18/0027, m.n.N.).

3. Als inhaltlich rechtswidrig rügt der Beschwerdeführer die von der belangten Behörde im Ergebnis vertretene Ansicht, es sei ihm zuzumuten, sich aufgrund der (unrichtigen) Anschuldigungen einer behördlichen Untersuchung zu stellen; es sei nicht zu befürchten, daß er dabei einer unmenschlichen Behandlung oder der Todesstrafe unterworfen werde. Die belangte Behörde verkenne hiebei, daß auch Handlungen von Staatsorganen, welche nicht in Erfüllung, sondern "in Mißbrauch ihrer Amtspflichten" durchgeführt würden, direkte staatliche Verfolgung begründeten, wenn der Staat diese Mißbräuche nicht verhindern wolle oder könne.

Dagegen ist auszuführen, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren keine konkreten Umstände vorgebracht hat, aus denen sich die Befürchtung rechtfertigen ließe, die Polizei werde ihn anläßlich der Durchführung von Erhebungen zu der gegen ihn erhobenen Anschuldigung in Verletzung ihrer Amtspflichten unmenschlich behandeln oder töten. Den allgemeinen Beschwerdeausführungen über die Situation politisch Andersdenkender in Pakistan fehlt es mangels Bezugnahme auf die konkrete Situation des Beschwerdeführers an der Relevanz. Die im zugrundeliegenden Antrag geäußerte Befürchtung des Beschwerdeführers, unter falscher Anklage festgenommen und von der Polizei "gefoltert und ermordet" zu werden, stellt sich daher nur als vage Vermutung dar.

4. Soweit der Beschwerdeführer die Feststellung, daß sich eine nach dem Inhalt einer Anzeige für den Tod eines Menschen verantwortliche Person in demokratischen Staaten einer behördlichen Untersuchung zu stellen hat, als aktenwidrig rügt, ist ihm zu entgegnen, daß es sich hiebei um eine notorische Tatsache handelt, die mit dem Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes nicht im Widerspruch steht.

Die Feststellung der belangten Behörde, in Pakistan seien "besser gestellte" Personen in der Regel nicht Opfer von Polizeiwillkür, wird von der Beschwerde ebenfalls als aktenwidrig gerügt. Diesem geltend gemachten Verfahrensmangel fehlt es im Hinblick darauf, daß das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers - wie dargestellt - nicht ausreicht, eine aktuelle Bedrohungssituation für den Fall der Rückkehr in seine Heimat darzutun, an der Relevanz.

5. Da Feststellungen über die in Pakistan allgemein herrschende Situation nicht geeignet sind, eine konkrete Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG darzutun, macht der Beschwerdeführer auch mit der Rüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, die im Verwaltungsverfahren angebotenen Beweise zur aktuellen Menschenrechtssituation in Pakistan (Einholung von Gutachten des UNHCR und des Ludwig-Boltzmann-Institutes für Menschenrechte) aufzunehmen und entsprechende Feststellungen zu treffen, keinen relevanten Verfahrensmangel geltend.

Soweit der Beschwerdeführer im Unterlassen dieser beantragten Beweisaufnahme auch eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör sieht, geht seine Rüge schon deshalb ins Leere, weil die belangte Behörde kein Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, zu dessen Ergebnis sie dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme hätte einräumen können.

6. Da nach dem Gesagten der Beurteilung der belangten Behörde, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefährdung und/oder Bedrohung des Beschwerdeführers in Pakistan im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG, Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Von der begehrten mündlichen Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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