VwGH 95/18/0529

VwGH95/18/05297.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des F in B, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 10. Mai 1994, Zl. Fr 629/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 10. Mai 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, abgewiesen und festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Bedrohung in der "Bundesrepublik Jugoslawien" (Restjugoslawien) gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bestünden.

Nach zusammengefaßter Wiedergabe des Ganges des Verwaltungsverfahrens (unter ausführlicher Wiedergabe des Inhaltes einer von der belangten Behörde eingeholten Stellungnahme des Ludwig Boltzmann Institutes für Menschenrechte) und Zitierung der maßgeblichen fremdengesetzlichen Bestimmungen gelangte die belangte Behörde in der Begründung ihrer Entscheidung zu folgendem Ergebnis:

Der Beschwerdeführer unterliege als Staatsangehöriger der Jugoslawischen Föderation wie jeder andere Staatsangehörige dieses Staates der Militärdienstpflicht. Die Strafsanktion für eine Verletzung dieser Pflicht sei für alle gleich. Drohende Sanktionen seien sohin nicht Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und auch keine Verfolgung aus Gründen des § 37 Abs. 2 FrG. Der Beschwerdeführer sei bei seiner Ausreise keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen; eine solche sei von ihm auch nicht behauptet worden. Bei seiner Einvernahme im Asylverfahren am 30. Dezember 1991 habe der Beschwerdeführer angegeben, daß er sein Heimatland noch vor Erhalt eines Einberufungsbefehles verlassen habe. Erst im Berufungsverfahren habe er ausgeführt, daß bereits am 10. August 1991 (also vor seiner Ausreise) versucht worden sei, einen Einberufungsbefehl zuzustellen. Anzunehmen sei, daß dies ein Bescheid für die Musterung und kein Einberufungsbefehl gewesen sei. Aufgrund des Alters des Beschwerdeführers sei jedoch die Militärdienstpflicht gegeben. Strafrechtliche Sanktionen wegen Wehrdienstverweigerung seien nicht geeignet, von einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG auszugehen, zumal diese vom Beschwerdeführer nicht näher konkretisiert worden und nach dem Stand der Informationen auch nicht anzunehmen sei. Aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers und der für die Entscheidung vorliegenden Unterlagen sei sohin festzustellen gewesen, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, der Beschwerdeführer sei in seiner Heimat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht.

2. Die dagegen zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde von diesem nach Ablehnung von deren Behandlung unter Anschluß der Verwaltungsakten dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten (Beschluß vom 28. Februar 1995, B 1419/94).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht "auf Feststellung der Unzulässigkeit meiner Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien (Restjugoslawien) nach § 37 Abs. 1 oder 2 FrG (iVm § 54 FrG) verletzt". Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat die Behörde auf Antrag eines Fremden mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 bedroht ist.

Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Zufolge des § 37 Abs. 2 leg. cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

2.1. Die Beschwerde vertritt die Auffassung, unter Zugrundelegung dessen, daß die belangte Behörde "bei Bescheiderlassung" von der Feststellung ausgehe, der Beschwerdeführer habe sich durch Flucht aus seiner Heimat der Einberufung zum Militär entzogen, unterliege sie bei der Beurteilung der Relevanz der "Wehrflucht" des Beschwerdeführers einem "entscheidenden Rechtsirrtum".

Politisch im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (auf welchen § 37 Abs. 2 FrG inhaltlich Bezug nehme) sei alles, was auf die staatliche, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Ordnung, ihre konkrete sachliche und personelle Ausgestaltung bezogen sei, alles, was der Staat gegen sich, seine Ordnung, seinen Bestand, eventuell seine Legitimität gerichtet betrachte. Die belangte Behörde habe beweiswürdigend nicht ausdrücklich in Abrede zu stellen vermocht, daß dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung, weil er nicht bereit sei, gegen seine Landsleute zu kämpfen, die von ihm aufgezeigten Gefahren drohten. Die Schwächung der Wehrkraft der "serbischen restjugoslawischen Armee" durch Desertion und Wehrdienstverweigerung verwirkliche einen Angriff gegen die staatstragende Ideologie "serbisch Rest-Jugoslawiens" und deren konkrete personelle Ausgestaltung. Diesem "Verrat" gegen "Jugoslawien" trete dieser Staat mit der drakonischen Bestrafung der Wehrdienstverweigerung mit "dem Tod und standesrechtlicher Erschießung" ohne ein förmliches Verfahren entgegen. Aus diesen drakonischen Sanktionen erhelle auch deren politischer Charakter.

2.2. Die mit diesem Vorbringen zum Ausdruck gebrachte Ansicht des Beschwerdeführers, die ihm im Fall seiner Rückkehr in die jugoslawische Föderation dort drohende Gefahr einer Bestrafung wegen seinerzeitiger Wehrdienstverweigerung sei eine Bedrohung seiner Freiheit aus Gründen seiner politischen Ansichten im Sinne des § 37 Abs. 2 FrG, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen. Zur näheren Begründung dieser seiner Rechtsanschauung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis vom 5. April 1995, Zl. 94/18/0496, verwiesen.

Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus mit seiner Behauptung, Wehrdienstverweigerung werde mit "dem Tod und standesrechtlicher Erschießung" geahndet, eine Gefährdung im Sinne des § 37 Abs. 1 geltend macht, so handelt es sich hiebei um eine bloße Vermutung, der es an einer nachvollziehbaren und überprüfbaren Untermauerung durch entsprechende Beweismittel fehlt, und die zudem in den auf sachkundiger Basis getroffenen Feststellungen im bekämpften Bescheid - bei Desertion Strafdrohung von einem Jahr bis 15 Jahre; Abschaffung der Todesstrafe (Moratorium vom 4. Februar 1993) - keine Deckung findet.

3. Was die in der Beschwerde im Zusammenhang mit (Rand-)Fragen der Einberufung zum Militär und der Refraktion bzw. Desertion geltend gemachten Verfahrensmängel (Aktenwidrigkeit, Nichtgewährung des Parteiengehörs) anlangt, so tut der Beschwerdeführer die Relevanz nicht dar, weshalb ein näheres Eingehen darauf entbehrlich ist.

4. Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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