VwGH 95/17/0112

VwGH95/17/011222.11.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 22. Februar 1995, Zl. UVS-05/14/00205/93, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.A. Übertretung des § 19 Abs. 1 Vergnügungsteuergesetz für Wien 1987, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
BAO §308 Abs1 impl;
VStG §24;
VwGG §46 Abs1;
ZustG §16 Abs2;
AVG §71 Abs1 Z1;
BAO §308 Abs1 impl;
VStG §24;
VwGG §46 Abs1;
ZustG §16 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendung in der Höhe von S 465,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das an den Beschwerdeführer gerichtete und mittels RSb zugesandte Straferkenntnis vom 31. August 1992 übernahm ein Arbeitnehmer des Beschwerdeführers am 8. September 1992. Dem an diesem Tag von der Abgabestelle abwesenden Beschwerdeführer wurde es am 9. September 1992 vorgelegt. Die mit 22. September 1992 datierte, an den Magistrat adressierte Berufung wurde erst nach Ablauf der Berufungsfrist - diese zweiwöchige Berufungsfrist endete ausgehend vom 8. September 1992 am 22. September 1992 - am 23. September 1992 zur Post gegeben. Mit dem beim Magistrat der Stadt Wien eingebrachten Schriftsatz vom 16. Oktober 1992 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, der mit Bescheid des UVS Wien vom 8. März 1992 abgewiesen wurde. Mit Erkenntnis vom 27. September 1994, Zl. 93/17/0104, hob der Verwaltungsgerichtshof die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde auf, weil die Behörde, bei der die Berufung eingebracht worden war, zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und nicht die belangte Behörde zuständig gewesen wäre.

Im fortgesetzten Verfahren wies der Magistrat der Stadt Wien mit Bescheid vom 29. November 1994 den Antrag des Beschwerdeführers vom 16. Oktober 1992 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Berufung gegen das in Rede stehende Straferkenntnis gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG i.V.m. § 24 VStG ab. Dies mit der Begründung, die Unterlassung der Erforschung des tatsächlichen Zustelldatums stelle nicht mehr bloß einen minderen Grad des Versehens dar, sondern zeige eine auffallende Sorglosigkeit.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, bei Vorlage des Schriftstückes habe für ihn keinerlei Grund zur Annahme bestanden, daß die Zustellung nicht am Tag der Vorlage erfolgt sei. Nur ein weit über das durchschnittliche Maß hinaus umsichtiger Mensch wäre auf den Gedanken gekommen, die Möglichkeit einer früheren Zustellung in Betracht zu ziehen und dementsprechende Nachforschungen anzustellen. In dem Umstand, daß der Beschwerdeführer auf diesen Gedanken nicht gekommen sei und daher keine Rückfrage durchgeführt habe, könne es sich - wenn überhaupt um ein Verschulden - nur um einen minderen Grad des Versehens handeln.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. In der Begründung wurde ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei auffallende Sorglosigkeit anzulasten. Er hätte nämlich sofort bei Vorlage des Schriftstückes fragen müssen, wann diese Sendung übernommen worden sei. Eine derartige Vorgangsweise wäre dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die für die Einhaltung von Fristen erforderliche Sorgfalt zumutbar gewesen. In der Unterlassung diesbezüglicher Handlungen sei ein auffallend sorgloses Verhalten des Beschwerdeführers zu erblicken, das der Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegenstehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist betreffend das in Rede stehende Straferkenntnis bewilligt zu erhalten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß dem auf Grund des § 24 VStG im Verwaltungsstrafverfahren geltenden § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob das Verschulden des Beschwerdeführers als minderer Grad des Versehens anzusehen ist oder nicht. Ob ein grobes Verschulden anzunehmen ist, ist stets nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Wiedereinsetzungswerbers zu beurteilen. Ein minderer Grad des Versehens ist leichter Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB gleichzusetzen. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht läßt (vgl. das zur insofern gleichlautenden Bestimmung des § 308 BAO ergangene hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1993, Zl. 92/15/0100).

Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, der Beschwerdeführer hätte bei Vorlage der an den Ersatzempfänger zugestellten Sendung fragen müssen, wann die Sendung von diesem übernommen worden sei. Die Unterlassung dieser Frage stelle ein auffallend sorgloses Verhalten des Beschwerdeführers dar. Damit ist die belangte Behörde im Recht. Gerade im Falle der Ersatzzustellung, wenn nämlich der Empfänger die Sendung nicht persönlich übernimmt und er den genauen Zeitpunkt der Zustellung nicht aus eigenem Wissen kennt, gehört es zu den ersten Obliegenheiten des Empfängers jedenfalls den Tag der Zustellung - das ist der Tag der Zustellung an den Ersatzempfänger - festzustellen. Erst dann wird er die Frist berechnen können, innerhalb der ein Rechtsmittel eingebracht werden kann. Falls organisatorisch nicht vorgesorgt ist, Sendungen, die in einem Unternehmen vom Arbeitnehmer übernommen werden, mit Eingangs- und Datumsstempel zu versehen, wird eine Nachfrage des Empfängers über das Zustelldatum allenfalls beim Ersatzempfänger unumgänglich sein. Unterläßt der Empfänger Nachforschungen über das Datum der Zustellung, dann verhält er sich bei einer Berechnung der Rechtsmittelfrist auffallend sorglos, weil er das Datum der Zustellung nicht kennt. Wenn der Beschwerdeführer behauptet, es habe für ihn keinerlei Grund zur Annahme bestanden, daß die Zustellung nicht am Tag der Vorlage erfolgt sei, dann vermag er damit das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens nicht zu begründen, zumal er - im Beschwerdefall unbestritten - sich tags zuvor berufsbedingt nicht an der Abgabestelle aufgehalten hat und daher damit rechnen mußte, daß ihm am nächsten Tag tags zuvor zugestellte Sendungen vorgelegt werden. Mit dem Beschwerdevorbringen vermochte der Beschwerdeführer daher eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte