Normen
BAO §251;
BAO §293;
BAO §93 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;
VwRallg;
BAO §251;
BAO §293;
BAO §93 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am 28. September 1990 beim Finanzamt die (Weiter-)Gewährung der Familienbeihilfe und Eintragung des Kindesvermerkes in die Lohnsteuerkarte für seinen am 26. Februar 1971 geborenen Sohn für die Zeit ab 1. März 1989 bis auf weiteres.
Mit Bescheid vom 23. November 1990 wies das Finanzamt dieses Begehren ab. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, der Sohn des Beschwerdeführers sei Berufsjägerlehrling auf Grund eines Lehrvertrages nach der oberösterreichischen Landarbeitsordnung und beziehe Einkünfte in einem S 3.500,-- übersteigenden Betrag. Da es sich hiebei um kein gesetzlich anerkanntes Lehrverhältnis handle, sei kein Anspruch auf Familienbeihilfe gegeben.
In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, das mit dem vorgelegten schriftlichen Lehrvertrag vom 16. Jänner 1989 begründete Lehrverhältnis weise alle gesetzlich vorgeschriebenen Merkmale eines solchen auf. Es basiere u.a. auf den zwingenden Vorschriften der oberösterreichischen Landarbeitsordnung über das Lehrlingswesen. Der Verwaltungsgerichtshof habe in einem ähnlichen Fall das Vorliegen eines gesetzlich anerkannten Lehrverhältnisses angenommen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1990, 89/14/0229).
In der abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt aus, die im zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vertretene Auffassung sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Das Erkenntnis habe die Berufsjäger-Ausbildungsordnung im Land Steiermark behandelt. Eine solche gebe es aber in Oberösterreich nicht. Mangels Vorliegens eines gesetzlichen Lehrverhältnisses sei die Berufung als unbegründet abzuweisen.
Der Beschwerdeführer stellte den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde der zweiten Instanz. Darin machte er geltend, dass die Rechtslage in Oberösterreich der in der Steiermark entspreche. Es sei daher auch bei einer Ausbildung in Oberösterreich von einem anerkannten Lehrverhältnis auszugehen.
Mit Berufungsbescheid vom 22. Februar 1994 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Sohn des Beschwerdeführers sei bei einem Forstbetrieb in Oberösterreich beschäftigt, sodass auch die für das Land Oberösterreich geltenden gesetzlichen Bestimmungen heranzuziehen seien. In diesem land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetz scheine der Lehrberuf Berufsjäger nicht auf. Es gebe in Oberösterreich auch kein Pendant zu der von der Steiermärkischen Landesjägerschaft erlassenen Berufsjäger-Ausbildungsordnung. Eine gesetzliche Bestimmung über die Ausbildung zum Berufsjäger bestehe für das Land Oberösterreich nicht. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1990, 89/14/0229, gehe ins Leere. Abgesehen davon, dass es in diesem Erkenntnis um die Frage gegangen sei, ob es bei der von der Steirischen Landesjägerschaft als Körperschaft öffentlichen Rechts beschlossenen Berufsjäger-Ausbildungsordnung um eine gesetzliche Regelung handle, bestehe eine solche für das Land Oberösterreich nicht. Das Ausbildungsverhältnis des Sohnes des Beschwerdeführers könne daher nicht als gesetzlich anerkanntes Lehrverhältnis gewertet werden.
Der Beschwerdeführer erhob dagegen die zur Zl. 94/15/0066 protokollierte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Der Verwaltungsgerichtshof leitete über die Beschwerde das Vorverfahren ein und forderte die belangte Behörde auf, die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen und eine Gegenschrift einzubringen.
Innerhalb der gesetzten Frist legte die belangte Behörde ihren Bescheid vom 21. Juli 1994 vor, womit das Verfahren betreffend Gewährung der Familienbeihilfe und Eintragung des Kindervermerkes auf der Lohnsteuerkarte ab 1. März 1989 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder aufgenommen und die vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Berufungsentscheidung vom 22. Februar 1994 aufgehoben wurde. Gleichzeitig wurde über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Finanzamtes neuerlich entschieden. Der Berufung wurde stattgegeben und ausgesprochen, dass für das angesprochene Kind auch für die Zeit ab 1. März 1989 Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe und es im Sinne des § 119 EStG als Kind gelte. In der Begründung führte die belangte Behörde dazu aus, aus der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde sei zu ersehen, dass der Sohn des Beschwerdeführers das Lehrverhältnis am 16. Jänner 1989 in einem näher genannten Forstgut in Oberösterreich unter Beachtung der Oberösterreichischen Landarbeitsordnung sowie des Oberösterreichischen Jagdgesetzes begonnen und das Lehrverhältnis ab 1. März 1991 bis zur Ablegung der Berufsjägerprüfung bei einem Forstgut in der Steiermark fortgesetzt habe. Die Angaben seien auch vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung als richtig bestätigt worden. Unter Berücksichtigung dieser neu hervorgekommenen Tatsachen sei die Wiederaufnahme zu verfügen gewesen. In der Sache sei strittig, ob ein gesetzlich anerkanntes Lehrverhältnis vorliege. Der Verwaltungsgerichtshof habe in dem (bereits mehrfach genannten) Erkenntnis vom 27. Februar 1990 festgestellt, dass durch Art. I Z. 33a der Novelle LGBl. Nr. 10/1986 zum Steiermärkischen Jagdgesetz die Steirische Jägerschaft mit Erlassung einer Berufsjäger-Ausbildungsordnung betraut worden sei. Eine solche Ausbildungsordnung sei beschlossen und kundgemacht worden. Daraus habe der Verwaltungsgerichtshof geschlossen, dass es sich bei einer nach den Vorschriften des Steiermärkischen Landesgesetzgebers absolvierten Berufsjägerlehrlingsausbildung um ein gesetzlich anerkanntes Lehrverhältnis handle. Der Berufung sei daher stattzugeben gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof teilte daraufhin dem Beschwerdeführer mit, dass er durch diesen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Juli 1994 klaglos gestellt worden sei. Er werde aufgefordert, sich hiezu zu äußern.
Der Beschwerdeführer gab dem Verwaltungsgerichtshof bekannt, dass er durch den Bescheid der belangten Behörde vom 21. Juli 1994 klaglos gestellt worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof erklärte daraufhin mit Beschluss vom 5. Oktober 1994, 94/15/0066, die Beschwerde als gegenstandslos und stellte das Verfahren ein.
Der eben erwähnte Beschluss wurde am 19. Oktober 1994 den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zugestellt.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid berichtigte die belangte Behörde ihren Bescheid vom 21. Juli 1994, der zur Klaglosstellung des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren zur Zl. 94/15/0066 führte. Mit dieser gemäß § 293 BAO berichtigten Berufungsentscheidung gab die belangte Behörde der Berufung teilweise statt und sprach aus, dass für das verfahrensgegenständliche Kind für die Zeit ab 1. März 1991 Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe und es in weiterer Folge als Kind im Sinne des § 119 EStG gelte. Im Übrigen werde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die berichtigte Entscheidung stütze sich auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1990, 89/14/0229, wonach es sich bei einer nach den Vorschriften des Steiermärkischen Landesgesetzgebers absolvierten Berufsjägerlehrlingsausbildung um ein gesetzlich anerkanntes Lehrverhältnis handle. Daraus ergebe sich, dass sich die Stattgebung der Berufung nur auf jene Zeit beschränken könne, in der die Berufsjägerlehre in der Steiermark absolviert worden sei. Im Spruch sei jedoch irrtümlich 1. März 1989 angeführt worden, sodass die Entscheidung zu berichtigen sei. Im Übrigen werde auf die berichtigte Entscheidung verwiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Gewährung der Familienbeihilfe und Nichteintragung eines Kindervermerkes auf der Lohnsteuerkarte verletzt. In Ausführung des so umschriebenen Beschwerdepunktes macht er geltend, die belangte Behörde stütze sich auf § 293 BAO, obwohl weder ein Schreibfehler noch eine offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit vorliege. In der zur Zl. 94/15/0066 protokollierten Beschwerde sei die Gewährung der Familienbeihilfe und die Eintragung des Kindervermerkes für die Zeit der gesamten - auch der in Oberösterreich verbrachten! - Lehre angestrebt worden. Diesen Anspruch habe die belangte Behörde mit Bescheid vom 21. Juli 1994 anerkannt und sei dadurch Klaglosstellung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingetreten. Es würde dem Rechtsschutzsystem zuwiderlaufen, wenn eine Behörde willkürlich einen Beschwerdeführer in einem Verwaltungsgerichtshof-Verfahren durch Ausstellung eines Bescheides die Beschwer entziehen und nachträglich jederzeit zu Lasten des Beschwerdeführers neuerlich einen berichtigten Bescheid erlassen könne.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ein Berichtigungsbescheid nach § 293 BAO tritt weder an die Stelle des fehlerhaften Bescheides noch ersetzt er diesen. Der berichtigte Bescheid bleibt vielmehr aufrecht und erfährt lediglich eine Ergänzung durch den hinzutretend zu denkenden Berichtigungsbescheid. Da der Spruch des Berichtigungsbescheides lediglich auszusprechen hat, inwieweit der Spruch des fehlerhaften Bescheides eine Berichtigung oder Ergänzung erfahren soll und der ändernde Bescheid nicht an die Stelle des berichtigten Bescheides tritt, vermag § 251 BAO, wonach Bescheide, die an Stelle eines früheren treten, in vollem Umfang anfechtbar sind, nicht wirksam zu werden. Daher kann sich auch die Anfechtung des Berichtigungsbescheides nur gegen den Grund, den Umfang und Inhalt des Berichtigungsbescheides wenden (siehe dazu Stoll, BAO-Kommentar, Seite 2827, mit Hinweisen auf die hg. Judikatur). Es ist daher auf die Ausführungen in der Beschwerde nur insoweit einzugehen, als sie sich gegen die Voraussetzungen des § 293 BAO richten.
Dem Beschwerdeführer ist insoweit zuzustimmen, dass die Partei eines Abgabenverfahrens grundsätzlich auf den Verwaltungsakt der Abgabenbehörde vertrauen kann und sie insofern in ihrer Rechtssicherheit geschützt ist. Dieser Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit soll aber nach Ansicht des Gesetzgebers dort seine Grenze finden, wo Wille und Erklärung der Abgabenbehörde auseinander fallen. Die Einrichtung des § 293 BAO dient nämlich nur dazu, ein infolge bestimmter Fehlerquellen gegen den Willen der Abgabenbehörde entstandenes erkennbares Auseinanderklaffen von Bescheidinhalt und formeller Erklärung des Bescheidwillens zu beseitigen (vgl. Stoll, a.a.O., 2824). Ob eine im § 293 Abs. 1 BAO genannte Fehlerquelle vorliegt, kann immer nur nach den Verhältnissen des Einzelfalles beurteilt werden. Unter dem Titel der Berichtigung gemäß § 293 BAO dürfen jedenfalls nicht nachträgliche Änderungen am Inhalt des Bescheidwillens vorgenommen werden. Diese Vorschrift bietet auch keine Handhabe für eine nachträglich berichtigende oder erklärende Auslegung des Bescheidspruches oder der Bescheidbegründung. § 293 Abs. 1 BAO nennt als berichtigungsfähige Fehler Schreib- und Rechenfehler sowie andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche Unrichtigkeiten und EDV-Bearbeitungsfehler. Die belangte Behörde ist erkennbar von einer "anderen offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche Unrichtigkeit" ausgegangen. Die Voraussetzungen hiefür sind jedoch nicht gegeben. Der Beschwerdeführer hat in der zur Zl. 94/15/0066 protokollierten Beschwerde ausdrücklich geltend gemacht, dass die steiermärkische Landesregierung die von seinem Sohn in Oberösterreich verbrachten Lehrjahre in vollem Umfang angerechnet hat und daher während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraumes von einem anerkannten Lehrverhältnis auszugehen sei. Die belangte Behörde hat in der Entscheidung vom 21. Juli 1994 dazu festgehalten, dass der Sohn des Beschwerdeführers das Lehrverhältnis in Oberösterreich begonnen und in der Steiermark fortgesetzt und abgeschlossen habe und dies auch von der Steiermärkischen Landesregierung als richtig bestätigt worden sei. Vor allem diese Ausführungen sprechen eindeutig dafür, dass sich die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer in der damaligen Beschwerde ausgedrückte Auffassung zu Eigen machte. Die übrigen Ausführungen in diesem Bescheid lassen weder eine Abschwächung geschweige denn das Gegenteil erkennen. Eine faktische Unrichtigkeit im Sinne des § 293 Abs. 1 BAO wurde sohin dem Bescheid der belangten Behörde vom 21. Juli 1994 nicht unterstellt. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde liegt sohin ein berichtigungsfähiger Fehler nicht vor, weil jedenfalls nicht offenbar eine auf einem Versehen beruhende tatsächliche Unrichtigkeit vorliegt.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 31. Oktober 2000
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