VwGH 95/11/0270

VwGH95/11/027021.1.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 24. Juli 1995, Zl. MA 65-8/232/95, betreffend Aufforderung nach § 75 Abs. 2 KFG 1967, zu Recht erkannt:

Normen

KDV 1967 §30 Abs1 Z1;
KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs2;
UOG 1975 §109 Abs2;
KDV 1967 §30 Abs1 Z1;
KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs2;
UOG 1975 §109 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 aufgefordert, sich binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides der amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, das Magistratische Bezirksamt für den 3. Bezirk habe am 22. Dezember 1993 mitgeteilt, daß in einem der Zahl nach bezeichneten Verwaltungsstrafverfahren von einer Bestrafung des Beschwerdeführers abgesehen worden sei, weil er wegen krankhafter Störungen der Geistestätigkeit unfähig gewesen sei, das Unerlaubte der Tat einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln. Für das vorliegende Verfahren sei es unerheblich, im gegenwärtigen Verfahrensstadium Überlegungen betreffend die Art der Geistesstörung des Beschwerdeführers - seinen Angaben nach handle es sich um eine "krankhafte Titelsucht" - anzustellen, weil darüber erst die Untersuchung Klarheit schaffen solle. Ob die Geistesstörung des Beschwerdeführers das Kraftfahrwesen tangiere, werde das amtsärztliche Gutachten zeigen. Es sei daher nicht notwendig, in ein fachärztliches Gutachten aus dem Jahr 1990 und in den genannten Verwaltungsstrafakt Einsicht zu nehmen, zumal ein Gutachten aus dem Jahr 1990 für den aktuellen Geisteszustand des Beschwerdeführers geringe Aussagekraft habe. Die beschriebene Mitteilung vom 22. Dezember 1993 genüge, Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers auszulösen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 75 Abs. 1 KFG 1967 ist unverzüglich ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkerberechtigung noch gegeben sind. Gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 ist vor der Entziehung der Lenkerberechtigung wegen mangelnder geistiger oder körperlicher Eignung ein neuerliches ärztliches Gutachten einzuholen. Leistet der Besitzer einer Lenkerberechtigung einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, keine Folge, so ist ihm nach § 75 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. die Lenkerberechtigung zu entziehen.

Voraussetzung für die Einleitung eines Entziehungsverfahrens im Sinne des § 75 KFG 1967 sind begründete Zweifel am aufrechten Vorliegen einer der Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkerberechtigung des Inhaltes, wie sie die betreffende Person innehat. Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 75 Abs. 2 leg. cit. sind demnach u.a. begründete Bedenken in der Richtung, daß der Inhaber die geistige oder körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Gruppen, die von seiner Lenkerberechtigung erfaßt werden, nicht mehr besitzt. In diesem Stadium des Verfahrens zur Entziehung der Lenkerberechtigung geht es noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann. Es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände unter der hiefür notwendigen Mitwirkung des Besitzers der Lenkerberechtigung geboten erscheinen lassen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1995, Zl. 94/11/0331, mwN).

Die belangte Behörde stützte ihre Zweifel allein auf die beschriebene Mitteilung vom 22. Dezember 1993 und vertrat die Auffassung, diese Mitteilung genüge, um Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen auszulösen. Sie hielt das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung, zur Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens wegen der Übertretung des § 109 Abs. 2 UOG sei es ausschließlich deshalb gekommen, weil die genannte Verwaltungsbehörde unter Berufung auf ein Gutachten aus dem Jahr 1990 bei ihm einen "krankhaften Zwang zur Führung des Universitätsdozententitels" angenommen habe, für unbeachtlich, weil es auf die Art der Geistesstörung des Beschwerdeführers nicht ankomme, und daher auch die Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Beweise für entbehrlich.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Es ist nicht zu erkennen, welcher Zusammenhang zwischen der beim Beschwerdeführer allenfalls bestehenden krankhaften Neigung zur Führung eines bestimmten Titels und dem Lenken von Kraftfahrzeugen bestehen soll. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß psychische Krankheiten und geistige Störungen im Sinne des § 30 Abs. 1 Z. 1 KDV 1967 nicht schlechthin die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließen, sondern nur dann, wenn sie auf das Verhalten der betreffenden Person im Straßenverkehr, somit auf das Fahrverhalten, von Einfluß sein können (siehe auch dazu das oben zitierte Erkenntnis vom 28. Februar 1995). Die Ansicht der belangten Behörde, auf die Art der geistigen Störung komme es nicht an, erweist sich daher als verfehlt, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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