VwGH 95/11/0263

VwGH95/11/026325.6.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des Dr. K in I, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 18. Jänner 1995, Zl. 3/24-2/1994, betreffend Bewilligung von Warneinrichtungen, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §20 Abs5 lite;
KFG 1967 §22 Abs4;
KFG 1967 §20 Abs5 lite;
KFG 1967 §22 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers (eines in der Stadt Innsbruck niedergelassenen praktischen Arztes) vom 13. September 1990 (wiederholt mit Schreiben vom 25. März 1994) auf Bewilligung der Verwendung von Scheinwerfern bzw. Warnleuchten mit blauem Licht und Warnzeichen mit aufeinanderfolgenden, verschieden hohen Tönen bei einem näher bezeichneten PKW gemäß § 20 Abs. 5 und § 22 Abs. 4 KFG 1967 abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß der als praktischer Arzt in Innsbruck niedergelassene Beschwerdeführer über eine Sonderausbildung als Notarzt verfüge. Im Rahmen eines Werkvertrages habe er bis 30. April 1994 als Heimarzt ca. 200 zum Teil schwerstkranke Patienten zu versorgen gehabt; dieser Vertrag sei nicht verlängert worden. Er habe sich gegenüber der freiwilligen Rettung Innsbruck formlos bereit erklärt, im Bedarfsfall an Wochentagen (Montag bis Freitag) zur Verfügung zu stehen. Im Rahmen dieser Tätigkeit fielen vorwiegend Einsätze zur Nachtzeit an. Dabei handle es sich nicht um Notarzteinsätze. Im Falle eines Bedarfes an einem Notarzt werde der an der Klinik eingerichtete Notarztdienst verständigt. Der Beschwerdeführer sei in den ärztlichen Bereitschaftsdienst am Wochenende eingegliedert, der über ein gekennzeichnetes Einsatzfahrzeug mit Blaulicht verfüge.

Innsbruck verfüge über einen rund um die Uhr mit einem Arzt besetzten Notarztwagen. Dieser Wagen sei an der Klinik stationiert und werde von der Universitätsklinik für Anästhesie betrieben. Im Rahmen dieses Notarztdienstes seien zwei Ärzte beschäftigt, von denen einer im Einsatz und ein zweiter ständig im Wege der Rufbereitschaft erreichbar sei.

Darüber hinaus gebe es am Wochenende in Innsbruck einen ärztlichen Bereitschaftsdienst, der dazu diene, die ambulante Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Dieser Dienst sei an Wochenenden von Samstag 07.00 Uhr bis Montag 07.00 Uhr und im Falle von Feiertagen von 20.00 Uhr des Vortages bis 07.00 Uhr des folgenden Werktages eingerichtet. Ein praktischer Arzt fungiere dabei als Funkarzt in der Zentrale (der freiwilligen Rettung Innsbruck), der zweite praktische Arzt als Einsatzarzt im Einsatzfahrzeug. Weiters dienten der medizinischen Versorgung der Bevölkerung von Innsbruck die freiwillige Rettung Innsbruck sowie die Universitätsklinik.

In Innsbruck verfüge kein einziger praktischer Arzt über eine Bewilligung, wie sie der Beschwerdeführer anstrebe. Es gebe jedoch einige Fachärzte, die diese Bewilligung erhalten hätten. Es bestünden Bedenken, daß bei einer Bewilligung von Blaulicht für einen praktischen Arzt eine Vielzahl von praktischen Ärzten folge und damit der "Alarmeffekt" nicht mehr gegeben sei.

Da es in Innsbruck einen mit einem Arzt besetzten Rettungsdienst und einen "ärztlichen Bereitschaftsdienst (Wochenendbereitschaftsdienst, Klinik und Rettung)" gebe, könne dem Antrag des Beschwerdeführers nicht stattgegeben werden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 13. Juni 1995, B 785/95-3, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 5 lit. e KFG 1967 in der Fassung der KFG-Novelle 1971, BGBl. Nr. 285, und der 4. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 615/1977, dürfen Scheinwerfer und Warnleuchten mit blauem Licht bei nicht unter Absatz 1 lit. d fallenden Fahrzeugen (Fahrzeuge in Verwendung im Bereich des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der Militärstreife, Feuerwehrfahrzeuge und Fahrzeuge des Rettungsdienstes im Besitz von Gebietskörperschaften oder der österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuz sowie Fahrzeuge der Post- und Telegraphenverwaltung) nur bewilligt werden, wenn ihre Verwendung im öffentlichen Interesse gelegen ist und dagegen vom Standpunkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit keine Bedenken bestehen und nur für Fahrzeuge, die zur Verwendung für die Leistung dringender ärztlicher Hilfe durch Ärzte in verkehrsreichen Gebieten, in denen kein mit einem Arzt besetzter Rettungsdienst und kein ärztlicher Bereitschaftsdienst gemäß lit. d zur Verfügung stehen, bestimmt sind; vor der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Bewilligung ist eine Stellungnahme der Ärztekammer zur Frage der Notwendigkeit der Erteilung dieser Bewilligung einzuholen. In der lit. d des § 20 Abs. 5 KFG 1967 ist von den ärztlichen Bereitschaftsdiensten von Gebietskörperschaften, Ärztekammern oder Sozialversicherungsträgern die Rede.

Gemäß § 22 Abs. 4 KFG 1967 dürfen Vorrichtungen zum Abgeben von Warnzeichen mit aufeinanderfolgenden, verschieden hohen Tönen - abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Fällen - nur mit Bewilligung des Landeshauptmannes angebracht werden; für die Erteilung der Bewilligung gilt § 20 Abs. 5 sinngemäß.

Der Beschwerdeführer meint, die Voraussetzungen für die Bewilligung gemäß § 20 Abs. 5 lit. e KFG 1967 seien gegeben, weil in Innsbruck kein mit einem Arzt besetzter Rettungsdienst zur Verfügung stehe. Für ein Rettungsfahrzeug stünden ein Fahrer mit einer Begleitung von einem bis maximal zwei Sanitätern zur Verfügung. Ein ärztlicher Bereitschaftsdienst gemäß § 20 Abs. 5 lit. d KFG 1967 stehe nicht rund um die Uhr zur Verfügung. Ein solcher existiere nur an Wochenenden und an Feiertagen zu den von der belangten Behörde festgestellten Zeiten. Der in Innsbruck bestehende Notarztdienst könne nicht als ärztlicher Bereitschaftsdienst gemäß lit. d aufgefaßt werden, weil dieser derartig unterbesetzt sei, daß er für die ärztliche Versorgung der Bevölkerung nicht ausreiche.

Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß nach den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde ein ärztlicher Bereitschaftsdienst gemäß § 20 Abs. 5 lit. d KFG 1967 nicht (durchgehend) zur Verfügung steht, weil ein solcher nur in zeitlich beschränktem Ausmaß eingerichtet ist. Richtig ist auch, daß das Landeskrankenhaus keinen ärztlichen Bereitschaftsdienst durchführt. Diese (negative) Voraussetzung - nämlich das Fehlen eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes gemäß lit. d - für die Erteilung der vom Beschwerdeführer begehrten Bewilligung ist daher erfüllt.

Der rund um die Uhr zur Verfügung stehende, mit einem Arzt besetzte Notarztwagen stellt jedoch einen mit einem Arzt besetzten Rettungsdienst im Sinne des § 20 Abs. 5 lit. e KFG 1967 dar, der die Erteilung der vom Beschwerdeführer beantragten Bewilligung ausschließt. Um von einem derartigen Rettungsdienst sprechen zu können, ist es nicht erforderlich, daß jeder Krankenwagen mit einem Arzt besetzt ist, es genügt vielmehr, daß in dem betreffenden Gebiet im Bedarfsfall unter vorhersehbaren Verhältnissen ein mit einem Arzt besetzter Rettungswagen zur Verfügung steht. Dies ist hier im Hinblick auf den in Innsbruck eingerichteten Notarztdienst, in dessen Rahmen ein Arzt ständig im Einsatz und einer im Wege der Rufbereitschaft erreichbar ist, der Fall, auch wenn außergewöhnliche Verhältnisse (z.B. mehrere Unfälle mit zahlreichen Verletzten) eintreten können, in denen eine Reihung der Einsätze nach ihrer Dringlichkeit erforderlich ist. Derartigen Fällen könnte aber im Regelfall auch nicht dadurch begegnet werden, daß niedergelassenen Ärzten in verkehrsreichen Gebieten Blaulicht und Folgetonhorn bewilligt würde, weil dadurch nicht gewährleistet wäre, daß sie für derartige Notfälle prompt zur Verfügung stehen.

Da das Bestehen eines mit einem Arzt besetzten Rettungsdienstes die Erteilung der vom Beschwerdeführer angestrebten Bewilligung ausschließt, kann es auf sich beruhen, ob die - in den Stellungnahmen der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 3. Jänner 1991 und der Ärztekammer für Tirol vom 2. Juli 1992 geäußerten und von der belangten Behörde übernommenen - Bedenken, bei einer Bewilligung von Blaulicht für einen praktischen Arzt sei mit einer Vielzahl von Ansuchen anderer Ärzte zu rechnen und wäre der "Alarmeffekt" nicht mehr gegeben, begründet sind (vgl. im übrigen zur Notwendigkeit einer restriktiven Handhabung des § 20 Abs. 5 lit. e KFG 1967 das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1996, Zl. 96/11/0049).

Demgemäß ist es für die vorliegende Entscheidung auch ohne Bedeutung, ob der Beschwerdeführer die Berechtigung zur Führung des Titels "Notarzt" besitzt und im städtischen Bereich nur wenige praktische Ärzte "die sogenannten Notfallpositionen ... tatsächlich durchführen".

Aus der Bestimmung des § 20 Abs. 5 lit. g KFG 1967, der regelt, unter welchen Voraussetzungen Tierärzten Blaulicht und Folgetonhorn bewilligt werden können, ist für den Beschwerdefall nichts zu gewinnen.

Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde insgesamt als unbegründet erwiesen hat, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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