VwGH 95/08/0224

VwGH95/08/02243.4.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der L in Wien, vertreten durch Dr. Christa A. Heller, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Ungargasse 58, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. Mai 1995, Zl. MA 15-II-R 32/94, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1101 Wien), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
ZustG §7;
AVG §71 Abs1 Z1;
ZustG §7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 28. April 1994 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin einer näher bezeichneten GmbH gemäß § 67 Abs. 10 ASVG, rückständige Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren in der Höhe von S 842.730,49 zu bezahlen.

Mit Schriftsatz vom 14. Juli 1994 stellte die Beschwerdeführerin bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse einen Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung gemäß § 7 Abs. 4 EO sowie auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und auf Einstellung und Aufschiebung der Exekution.

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, der Beschwerdeführerin sei der Bescheid vom 28. April 1994 weder persönlich noch durch Hinterlegung zugestellt worden. Sie habe niemals eine Hinterlegungsanzeige oder diesen Bescheid in ihrem Briefkasten vorgefunden. Dies sei möglicherweise darauf zurückzuführen, dass das für ihre Adresse dienstversehende Zustellorgan es mit der Ordnung nicht immer ganz genau halte und dass auch bereits mehrfach andere Sendungen zwar abgesandt, aber ihr niemals zugestellt worden seien. Aus diesem Grund sei bis heute keine rechtswirksame Zustellung des genannten Bescheides an die Beschwerdeführerin erfolgt. Sie habe erstmals von der Existenz dieses Bescheides am 6. Juli 1994 durch die Zustellung der Exekutionsbewilligung des Bezirksgerichtes Donaustadt erfahren. Der Bescheid sei an diesem Tag auch der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin mittels Fax übermittelt worden. Für den Fall, dass ihrem Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit nicht Folge gegeben werde, stelle sie binnen offener Frist den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Tatsachenvorbringen des Antrages auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit werde auch zum Inhalt des Wiedereinsetzungsantrages gemacht. Dies jedoch mit der Einschränkung, dass im Rahmen des Antrages auf Wiedereinsetzung eine gesetzwidrige Zustellung nicht geltend gemacht werde. Vielmehr werde vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis daran gehindert gewesen sei, fristgerecht Einspruch gegen den Bescheid zu erheben.

Gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag wurde der versäumte Einspruch gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse nachgeholt. Die Anträge auf Einstellung und Aufschiebung der Exekution sollten von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse an das Bezirksgericht Donaustadt weitergeleitet werden.

Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 6. September 1994 wurde - soweit für das gegenständliche Beschwerdeverfahren von Bedeutung - der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt.

Nach der Begründung sei der Bescheid vom 28. April 1994 laut Rückschein nach Vornahme eines Zustellversuches am 2. Mai 1994 beim Zustellpostamt 1020 Wien hinterlegt worden. Der Beginn der Abholfrist sei der 3. Mai 1994 gewesen; die einmonatige Einspruchsfrist habe daher mit Ablauf des 3. Juni 1994 geendet. Dem Einwand der Beschwerdeführerin, sie hätte keine Hinterlegungsanzeige in ihrem Hausbrieffach vorgefunden, werde entgegengehalten, dass laut Schreiben des Zustellpostamtes vom 10. August 1994 sehr wohl eine Hinterlegungsanzeige ausgefertigt und im Hausbrieffach hinterlegt worden sei. Zur Wiedereinsetzung werde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe lediglich allgemein vorgebracht, durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis daran gehindert worden zu sein, fristgerecht Einspruch zu erheben. Nach der Rechtsprechung seien jedoch alle Wiedereinsetzungsgründe bereits im Antrag anzuführen und von der Partei glaubhaft zu machen.

In dem dagegen erhobenen Einspruch brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, sie habe in ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung das Vorbringen im gleichzeitig gestellten Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit auch zum Inhalt des Wiedereinsetzungsantrages gemacht.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch der Beschwerdeführerin betreffend ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine Folge gegeben und der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bestätigt.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, es sei richtig, dass die Beschwerdeführerin das Vorbringen im Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit zum Inhalt des Wiedereinsetzungsantrages erhoben habe, jedoch mit der Einschränkung, dass eine gesetzwidrige Zustellung nicht geltend gemacht werde. Auf Grund welchen unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses es für die Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen sein solle, die Einspruchsfrist betreffend den Haftungsbescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse einzuhalten, wenn das Tatsachenvorbringen ausschließlich darin bestehe, dass ein Zustellmangel bestanden habe, der nach der Judikatur keinen Wiedereinsetzungsgrund darstelle, sei für die belangte Behörde nicht erkennbar. Da kein Vorbringen erstattet worden sei, das die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertige, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 71 AVG, dass der Wiedereinsetzungsantrag ein Vorbringen über seine Rechtzeitigkeit zu enthalten hat und dass anzugeben ist, aus welchem Grund der Antragsteller den Tatbestand des § 71 Abs. 1 AVG als erfüllt ansieht. Dabei trifft den Antragsteller die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat, und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund bereits im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen, was aber als Grundlage entsprechendes behauptungsmäßiges Antragsvorbringen voraussetzt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 2. Oktober 2000, Zl. 98/19/0198, mit Hinweis auf Vorjudikatur).

Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung vorgebracht, durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis daran gehindert worden zu sein, fristgerecht Einspruch gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zu erheben. Das Tatsachenvorbringen des Antrages auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit wurde zum Inhalt des Wiedereinsetzungsantrages erhoben, jedoch mit der Einschränkung, dass hier eine gesetzwidrige Zustellung nicht geltend gemacht werde.

Das von der Beschwerdeführerin erwähnte Vorbringen besteht in der Behauptung, die Hinterlegungsanzeige sei ihr gar nicht zugestellt worden, was möglicherweise darauf zurückzuführen sei, dass es das dienstversehende Zustellorgan mit der Ordnung nicht immer ganz genau halte und auch bereits mehrfach andere Sendungen zwar abgesandt, aber der Beschwerdeführerin niemals zugestellt worden seien.

Dieses Vorbringen läuft aber darauf hinaus, dass bereits beim Zustellvorgang ein Mangel unterlaufen ist, weshalb nicht von einer rechtswirksamen Zustellung gesprochen werden könnte (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. September 1986, VwSlg. 12.240/A). Gemäß § 7 des Zustellgesetzes gilt die Zustellung in einem solchen Fall erst mit dem Zeitpunkt vollzogen, zu dem das Schriftstück dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Die Beschwerdeführerin hat dies in ihrem Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung auch richtig erkannt und zutreffend die Auffassung vertreten, dass aus diesem Grund "bis heute keine rechtswirksame Zustellung dieses Bescheides (der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse) an (sie) erfolgt" sei. Die Beschwerdeführerin hätte demnach auch keine Frist versäumt und keinen damit verbundenen Rechtsnachteil erlitten, so dass es auch nicht eines Wiedereinsetzungsantrages bedurft hätte. Ein Zustellmangel stellt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, zu § 71 AVG referierte Rechtsprechung, insbesondere E 130 und 131).

Damit verbleibt als Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lediglich die Behauptung der Beschwerdeführerin, durch ein - nicht näher konkretisiertes - unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis daran gehindert worden zu sein, fristgerecht Einspruch zu erheben. Inwiefern mit der "Relativierung des Vorbringens", der Zusteller habe seine Organstellung missbräuchlich ausgeübt, weshalb kein gesetzwidriger Zustellvorgang, sondern ein "Fehler im Faktischen" vorliege, wie in der Beschwerde vorgebracht wird, ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis beschrieben werden soll, ist nicht ersichtlich. Dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung mangels eines entsprechenden Antragsvorbringens zu Recht nicht stattgegeben.

Ob der Bescheid der Gebietskrankenkasse rechtswirksam zugestellt wurde, war im gegebenen Zusammenhang nicht zu klären.

Auf Grund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der nicht durch einen Rechtsanwalt

vertretenen mitbeteiligten Gebietskrankenkasse steht kein Ersatz für Schriftsatzaufwand zu.

Wien, am 3. April 2001

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