VwGH 95/08/0155

VwGH95/08/015512.12.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des L in E, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in M, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 31. März 1995, Zl. LA 2/7022/B-Dr. Puy/Fe, betreffend Zuerkennung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §44 Abs1 idF 1994/314;
AlVG 1977 §44;
AlVG 1977 §46 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §44 Abs1 idF 1994/314;
AlVG 1977 §44;
AlVG 1977 §46 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 28. November 1994 beim Arbeitsamt Leibnitz die Zuerkennung von Arbeitslosengeld. Als ordentlichen Wohnsitz gab er im Antragsformular "V 551," an. Daraufhin wurde dem Beschwerdeführer Arbeitslosengeld gewährt.

Aufgrund einer Rücksendung der dem Beschwerdeführer angewiesenen Leistung durch die Post veranlaßte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice am 10. Jänner 1995 eine Wohnsitzerhebung. Der Beschwerdeführer wurde dabei an der von ihm angegebenen Adresse nicht angetroffen. Allerdings habe sich dort für den Beschwerdeführer Post befunden ("z.B. mit Datumsstempel 2. Jänner 1995"). Nach den Angaben der Vermieterin (Gastwirtin) befinde sich der Beschwerdeführer bei seiner Familie in Kroatien.

In einer Niederschrift vom 10. Jänner 1995 gab die Vermieterin folgendes an:

"(Der Beschwerdeführer) hat in meinem Gasthaus seit ca. 4 Jahren ein Zimmer gemietet. In der Zeit der Beschäftigung hat er sich immer hier aufgehalten. Seit er arbeitslos ist, hält er sich in Kroatien auf. Wenn er sich beim Arbeitsmarktservice melden muß - meines Wissens muß er sich am 12. Jänner 1995 wieder melden - schläft er hier eine Nacht und nimmt auch die eventuell hier aufliegende Post mit. Im Falle einer Geldanweisung wird hier vom Postamt eine Hinterlegungsanzeige hinterlassen und er holt dieses bei der Post ab."

Mit Bescheid vom 9. Februar 1995 widerrief das Arbeitsmarktservice Leibnitz gemäß § 24 Abs. 2 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) das dem Beschwerdeführer ab 26. November 1994 zuerkannte Arbeitslosengeld; der Antrag auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes wurde gemäß § 44 AlVG zurückgewiesen. Nach der Begründung habe die durchgeführte Erhebung ergeben, daß der Beschwerdeführer an der angegebenen Adresse, welche durch die Wohnsitzgemeinde bestätigt worden sei, nicht wohnhaft sei.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, wobei er vorbrachte, auch während der Zeit seiner Arbeitslosigkeit in V Nr. 551 wohnhaft zu sein. Am 23. Dezember 1994 habe er jedoch die Nachricht erhalten, daß seine Mutter in Kroatien schwer erkrankt sei. Er sei daher am 23. bzw. 24. Dezember 1994 überstürzt nach Kroatien abgereist, um seine Mutter zu besuchen. Richtig sei, daß er sich bis 11. Jänner 1995 in Kroatien aufgehalten habe, da er seine Mutter habe pflegen müssen. Eine ärztliche Bestätigung über deren schweren Krankheitsfall könne er nachreichen. Ihm sei nicht bekannt gewesen, daß er zur Wahrung seines Anspruches auf Arbeitslosengeld den Auslandsaufenthalt dem zuständigen Arbeitsamt zu melden habe. Ihm sei durchaus bewußt, einen Fehler gemacht zu haben, doch ersuche er, die Umstände seines Aufenthaltes in Kroatien zu berücksichtigen. Seit

11. Jänner 1995 sei er wiederum ständig in V wohnhaft, was auch anläßlich einer Kontrolle am 18. Februar 1995 festgestellt worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. Begründend vertrat die belangte Behörde im wesentlichen die Auffassung, daß die Erkrankung der Mutter des Beschwerdeführers bedauerlich und seine Abwesenheit aus diesem Grund verständlich sei. Allerdings wäre eine solche Abwesenheit zu melden gewesen. Die behauptete Unkenntnis einer österreichischen Rechtsvorschrift könne ihn nicht vor dem daraus entstehenden Schaden bewahren. Aus den Aussagen der Quartiergeberin sei zu ersehen, daß er während der Zeit seiner Arbeitslosigkeit an der angegebenen Adresse gar nicht den Anknüpfungspunkt der Lebensbeziehung (insbesondere in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht) gehabt habe, also dort nicht wohnhaft gewesen sei. Die Unterkunftgeberin habe nämlich genau gewußt, wann er habe anwesend sein müssen (aus Anlaß einer Kontrollmeldung) und daß er nur dann dort hinkomme, um Geld und Post zu holen bzw. um vor der Heimfahrt dort zu übernachten. Somit sei eine Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice für die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes nicht gegeben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 44 Abs. 1 AlVG idF des AMS-BegleitG BGBl. Nr. 314/1994 richtet sich die Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice (in den übrigen Bestimmungen "regionale Geschäftsstellen" genannt) und der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice (in den übrigen Bestimmungen "Landesgeschäftsstellen" genannt) in den Angelegenheiten des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe, soweit Rechte und Pflichten des Arbeitgebers betroffen sind, nach dem Sitz des Betriebes, soweit Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers betroffen sind, nach dessen Wohnsitz, mangels eines solchen nach dessen gewöhnlichem Aufenthaltsort.

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist vom Arbeitslosen gemäß § 46 Abs. 1 AlVG persönlich bei dem nach seinem Wohnsitz, mangels eines solchen bei der nach seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort zuständigen regionalen Geschäftsstelle geltend zu machen.

Nach dem klaren Wortlaut des § 46 Abs. 1 AlVG kommt es bei der Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld auf die persönliche Abgabe des Antrages beim ZUSTÄNDIGEN Arbeitsamt (nunmehr: regionale Geschäftsstelle), nach § 44 AlVG also beim Wohnsitzarbeitsamt (oder beim Arbeitsamt des gewöhnlichen Aufenthaltsortes) des Dienstnehmers, an. Die Antragstellung bei einem unzuständigen Arbeitsamt löst die Wirkung der Geltendmachung nicht aus. Damit ist die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes durch ein unzuständiges Arbeitsamt gesetzlich nicht begründet und es kann deshalb der Widerruf gemäß § 24 Abs. 2 AlVG auch in diesem Fall erfolgen (vgl. das zur vergleichbaren früheren Rechtslage ergangene Erkenntnis vom 8. März 1984, Zl. 82/08/0243, mit Hinweis auf Vorjudikatur).

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, die regionale Geschäftsstelle sei für den Antrag des Beschwerdeführers unzuständig gewesen, da er an der angegebenen Adresse gar keinen Anknüpfungspunkt der Lebensbeziehung (insbesondere in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht) gehabt habe, also dort "nicht wohnhaft" gewesen sei. Für diese Auffassung führt sie lediglich die Angaben der Zimmervermieterin vom 10. Jänner 1995 ins Treffen, wonach sich der Beschwerdeführer, "seit er arbeitslos sei", in Kroatien aufhalte. Wenn sich der Beschwerdeführer beim Arbeitsmarktservice melden müsse (ihres Wissens sei dies am 12. Jänner 1995), so schlafe er hier eine Nacht und nehme auch die eventuell hier aufliegende Post mit.

Bei einem ausländischen Arbeitnehmer (für den - wie im Beschwerdefall - nicht die Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 AlVG gegeben sind) wird sein gewöhnlicher Aufenthalt für die örtliche Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstelle gemäß § 44 Abs. 1 AlVG maßgebend sein. Beim gewöhnlichen Aufenthalt handelt es sich dabei nach der Rechtsprechung um einen räumlich-personalen Bezug, für den einerseits der Wille, seine Lebensbeziehungen bis auf weiteres mit einem bestimmten Ort zu verbinden und andererseits der Umstand charakteristisch ist, daß diese Beziehungen auch tatsächlich mit dem Aufenthaltsort verknüpft werden (vgl. das bereits genannte Erkenntnis vom 8. März 1984).

Ob es beim Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Antragstellung auf Gewährung von Arbeitslosengeld schon an der nach der Rechtsprechung geforderten tatsächlichen Verknüpfung seiner Beziehungen mit dem Aufenthaltsort fehlte, kann den Aussagen seiner Zimmervermieterin nicht mit der dafür erforderlichen Klarheit entnommen werden. Hat sie doch lediglich erklärt, der Beschwerdeführer halte sich "seit er arbeitslos sei" in Kroatien auf. Ob dies bereits am 28. November 1994 (Ausgabedatum des Antragsformulars) bzw. am 1. Dezember 1994 (Abgabe des Antragsformulars) der Fall war, ergibt sich aus der Niederschrift nicht. Mit der Frage des Willensentschlusses des Beschwerdeführers, seine Lebensbeziehungen bis auf weiteres mit einem bestimmten Ort zu verbinden, hat sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinandergesetzt. Für die Klärung dieser Frage wäre es erforderlich gewesen, aus dem Verhalten des Beschwerdeführers entsprechende Schlußfolgerungen zu ziehen: So, ob er etwa das seit etwa 4 Jahren gemietete Zimmer auch während seiner Arbeitslosigkeit weiter gemietet hat bzw. die von ihm behauptete Erkrankung seiner Mutter durch entsprechende Belege glaubhaft hätte machen können.

Da die belangte Behörde diesbezüglich entsprechende Feststellungen unterließ, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie bei Vermeidung dieser Mängel zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand war ein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer nicht zuzuerkennen.

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