VwGH 95/08/0091

VwGH95/08/009114.3.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Dipl.Kfm. Dr. A M in Wien, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 3. Februar 1995, Zl. 122.503/8-7/94, betreffend Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. I M, 1080 Wien; 2. Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1101 Wien;

3. Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien),

Normen

ABGB §90 idF 1975/412;
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
ABGB §90 idF 1975/412;
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;

 

Spruch:

1. zu Recht erkannt:Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.

2. beschlossen:

Der Antrag auf Abänderung des angefochtenen Bescheides wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass die Erstmitbeteiligte auf Grund ihrer Beschäftigung beim Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. Jänner 1989 bis 28. Februar 1993 in einem die Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG gestanden sei.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe (am 15. Dezember 1992) vor der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse niederschriftlich angegeben, seine aus Polen stammende Ehegattin (erstmitbeteiligte Partei) seit 1. Jänner 1989 in seinem Übersetzungsbüro als Sekretärin beschäftigt zu haben. Ihre Tätigkeit habe die Korrektur von Übersetzungen in die polnische Sprache, die Entgegennahme und Rückgabe von Übersetzungen, Telefondienst sowie Reinigungsarbeiten umfasst. Sie habe sich seit 1986 ständig in Wien aufgehalten und diese Arbeiten zunächst unentgeltlich verrichtet, da sie mit der Einübung in die deutsche Sprache beschäftigt gewesen sei. Seit ihrer Einstellung mit 1. Jänner 1989 verrichte sie die Arbeiten von Montag bis Freitag ab 9.00 Uhr in einem Ausmaß von ca. 35 Stunden. Sämtliche Arbeiten würden am gemeinsamen Wohnort, der gleichzeitig Betriebsort sei, ausgeführt. Weisungen würden nicht erteilt, da die Erstmitbeteiligte grundsätzlich wisse, was sie zu tun habe. Der Beschwerdeführer hafte jedoch mit seiner Unterschrift für die Genauigkeit und Richtigkeit der korrigierten Schriftstücke. Er habe die Anmeldung der Erstmitbeteiligten nach einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt erstattet, da er bis zu diesem Zeitpunkt der Annahme gewesen sei, dass die Beschäftigung der Erstmitbeteiligten eine "Familienangelegenheit" sei. Er sei Einnahmen- Ausgabenrechner, habe jedoch kein Kassabuch und keine Aufzeichnungen über die Ausgaben für seine Ehegattin geführt. In den Steuererklärungen habe er für das Jahr 1989 S 122.000,--, für 1990 S 182.000,-- (als "Sekretariat und Reinhaltung") geltend gemacht. Seiner Gattin habe er im Jahre 1989 monatlich S 7.000,-- netto, von 1990 bis September 1992 monatlich S 8.000,-- netto und ab Oktober 1992 monatlich S 7.000,-- netto bar (jeweils 14x jährlich) bezahlt. Ein schriftlicher Dienstvertrag sei nicht abgeschlossen worden.

Diese Angaben des Beschwerdeführers seien im Beisein der Erstmitbeteiligten gemacht und von dieser mitunterfertigt worden.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 1992 habe der Beschwerdeführer der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ergänzend mitgeteilt, dass sich seine Frau mit einem Monatsbruttolohn von S 8.715,-- einverstanden erklärt habe, da die Steuer- und Versicherungsnachzahlungen eine große finanzielle Belastung für ihn darstellten. Diesem Schreiben sei auch eine Erklärung an das zuständige Finanzamt beigelegt worden, in dem der Beschwerdeführer angegeben habe, dass die Arbeitsteilung mit seiner Gattin darin bestehe, dass diese die Telefonate entgegennehme, den Terminkalender führe, Aufträge bei freien Terminen entgegennehme, Texte auf der Schreibmaschine reinschreibe, Übersetzungen ausfolge und täglich mit der Reinhaltung der Wohnung (Büro) beschäftigt sei. Für diese Tätigkeiten habe er sich ihr gegenüber verpflichtet, aus den Erträgen des Übersetzungsbüros eine Entlohnung von S 13.000,-- monatlich (S 182.000,-- für 1991) zu bezahlen.

Der Beschwerdeführer habe gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse, mit dem die Versicherungspflicht der Erstmitbeteiligten festgestellt worden sei, Einspruch erhoben. Dabei habe er im Wesentlichen angegeben, sich seiner Frau gegenüber für ihre Leistungen im Übersetzungsbüro zur Zahlung eines monatlichen Entgelts in der Höhe von S 13.000,-- verpflichtet zu haben. Dies sei gegenüber dem Finanzamt in den jährlichen Steuererklärungen als Betriebskosten deklariert worden. Nach einer Steuerprüfung sei ihm vom Finanzamt die Anweisung erteilt worden, für die Erstmitbeteiligte eine Lohnsteuerkarte zu besorgen und deren unverzügliche Anmeldung bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vorzunehmen.

Der Landeshauptmann von Wien habe mit Bescheid vom 11. November 1994 dem Einspruch Folge gegeben, da er auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers und der Mitbeteiligten der Auffassung gewesen sei, im Beschwerdefall liege kein Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vor. Die Art der Tätigkeit der Erstmitbeteiligten sei seiner Ansicht nach typisch für eine im Rahmen der ehelichen Beistandspflicht entfaltete Tätigkeit.

Gegen diesen Bescheid habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse Berufung erhoben.

Nach Ansicht der belangten Behörde ergebe sich aus dem oben wiedergegebenen Sachverhalt, dass die Erstmitbeteiligte in der Wahl des Arbeitsortes nicht frei gewesen sei. Sie habe zu Dienstbeginn jeweils an einem bestimmten Arbeitsplatz (in der gemeinsamen Wohnung) anwesend sein müssen. Ebenso wenig sei die Einteilung der Arbeitszeit in ihrem Ermessen gelegen, da der Dienstbeginn mit 9.00 Uhr festgesetzt gewesen sei. Die Erstmitbeteiligte sei in den Betriebsorganismus eingebunden gewesen und habe eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Obwohl die Erteilung von Weisungen auf Grund ihrer Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten entbehrlich gewesen sei, sei sie hinsichtlich des arbeitsbezogenen Verhaltens doch der stillen Autorität und der Kontrollbefugnis ihres Ehegatten unterlegen, sodass sie ihre Tätigkeit weisungsgebunden und in persönlicher Abhängigkeit ausgeübt habe. Im Rahmen einer Beschäftigung zwischen Ehegatten komme darüber hinaus dem Element der ausdrücklichen oder schlüssigen Entgeltvereinbarung erhöhte Bedeutung zu. Auf Grund der regelmäßigen Zahlung des Entgeltes durch den Beschwerdeführer und die Entgegennahme der Entlohnung durch die Erstmitbeteiligte sei von einer schlüssigen Entgeltvereinbarung auszugehen. Die Mitarbeit der Erstmitbeteiligten im Übersetzungsbüro des Beschwerdeführers sei daher in die Versicherungspflicht einzubeziehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Von den mitbeteiligten Parteien hat lediglich die Wiener Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde bringt unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit lediglich vor, die Ehegattin des Beschwerdeführers habe ihre Tätigkeit in dessen Übersetzungsbüro im Rahmen ihrer ehelichen Beistandspflicht erbracht. Der Umstand der tatsächlich erfolgten Zahlungen begründe noch nicht das Vorliegen einer wirtschaftlichen Abhängigkeit, da auch bei Nichterbringung der Leistungen im Übersetzungsbüro ein Anspruch der Mitbeteiligten auf Unterhaltsleistung gegen den Beschwerdeführer bestanden habe.

Nach § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Zur Frage nach den unterscheidungskräftigen Merkmalen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit verweist der Verwaltungsgerichtshof unter Heranziehung des § 43 Abs. 2 VwGG auf seine Erkenntnisse vom 16. November 1993, Zl. 92/08/0223, und vom 31. Jänner 1995, VwSlg. Nr. 14.216/A.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes kann auch ein Beschäftigungsverhältnis zwischen Ehegatten bestehen, wenn die Tätigkeit für das Unternehmen des Ehegatten in der ehelichen Wohnung durchgeführt wird (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 13. Februar 1981, Zl. 1061/79, und vom 19. Jänner 1984, Zl. 82/08/0046).

Die Pflicht der Ehegatten zum wechselseitigen materiellen Beistand im Sinne des § 90 zweiter Satz ABGB in der Fassung BGBl. Nr. 412/1975 ist ihrem Wesen nach eine familienrechtliche (vgl. 1662 BlgNR., 13. GP). Davon ausgehend hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, die Unterstützung des Ehemannes durch die Ehefrau auch im wirtschaftlichen Bereich müsse als die Regel und die Begründung eines Dienst- bzw. Beschäftigungsverhältnisses zwischen Ehegatten eher als Ausnahmefall angesehen werden. Die Ehefrau steht in dem für Rechnung des Ehemannes geführten Betrieb in einem Beschäftigungsverhältnis, wenn sie ihre Tätigkeit in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit - ähnlich einem familienfremden Dienstnehmer - ausübt und zufolge einer ausdrücklichen oder schlüssigen Vereinbarung für diese Tätigkeit einen Entgeltanspruch hat. Für den Fall der Mithilfe von Ehegatten in deren wirtschaftlichen Bereich ist im Zweifel von einer unentgeltlichen Beschäftigung als Ausfluss einer familienrechtlichen Verpflichtung auszugehen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. März 1990, Zl. 85/08/0134, mit Hinweis auf Vorjudikatur).

Die wirtschaftliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG darf nicht mit Lohnabhängigkeit, also mit einem Angewiesensein des Beschäftigten auf das Entgelt zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes, gleichgesetzt werden; sie findet vielmehr ihren Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel und ist deshalb bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit. Es kann somit zwar wirtschaftliche Abhängigkeit bei persönlicher Unabhängigkeit bestehen, nicht aber persönliche Abhängigkeit ohne wirtschaftliche Abhängigkeit im genannten Sinn (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. November 1993, Zl. 92/08/0223).

Die Bejahung der persönlichen Abhängigkeit der Erstmitbeteiligten auf Grund des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu beanstanden. Anders als etwa in dem der Entscheidung vom 16. September 1997, Zl. 93/08/0178, zugrunde liegenden Fall lag das Schwergewicht der Tätigkeit der Erstmitbeteiligten auch nicht in der Haushaltsführung. Die Entgeltlichkeit des Beschäftigungsverhältnisses wird selbst in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung verkennt die Beschwerde im Übrigen das Wesen der wirtschaftlichen Abhängigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses.

Auch dem unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften erstatteten Vorbringen, die belangte Behörde hätte zur Ermittlung des gegenständlichen Sachverhaltes vom Finanzamt den Steuerakt des Beschwerdeführers einholen müssen, kommt keine Berechtigung zu, zumal die Voraussetzungen der Einkommensteuerpflicht nach dem Einkommensteuergesetz und der Versicherungspflicht nach ASVG unterschiedlich geregelt sind.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Mangels einer entsprechenden Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes, den angefochtenen Bescheid abzuändern, war der diesbezügliche Antrag des Beschwerdeführers zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der nicht durch einen Anwalt vertretenen mitbeteiligten Gebietskrankenkasse war kein Schriftsatzaufwand zuzusprechen.

Wien, am 14. März 2001

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