VwGH 95/08/0062

VwGH95/08/006219.11.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die von Rechtsanwalt Dr. K in W, namens 37 Beschwerdeführer, eingebrachte Beschwerde sowie über die Beschwerde (38.) der S-GmbH in Wien, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 17. Jänner 1995, Zl. 123.189/2-7/94, betreffend Abweisung von Anträgen auf Zustellung von Bescheiden und Abweisung von Wiedereinsetzungsanträgen in Angelegenheiten der Versicherungspflicht (mitbeteiligte Parteien: 1. Wiener Gebietskrankenkasse, Wien X, Wienerbergstraße 15-19,

2. Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Wien IX, Roßauer Lände 3, 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Wien XX, Adalbert-Stifter-Straße 65), den Beschluß gefaßt und zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs1 Z1;

 

Spruch:

I. Hinsichtlich der zu 1. bis 37. genannten Personen wird das Verfahren eingestellt.

II. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

III. Der Beschwerdevertreter und die zu 38. genannte Beschwerdeführerin haben je zur Hälfte der belangten Behörde Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- und der Erstmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit 38 Bescheiden vom 30. Juli 1993 sprach die erstmitbeteiligte Gebietskrankenkasse hinsichtlich der in der Beschwerde zu 1. bis 37. genannten Personen sowie des Tibor B. aus, sie unterlägen aufgrund ihrer Beschäftigung als Arbeiter bei der zu 38. genannten Beschwerdeführerin (in der Folge: S. GmbH) als Dienstgeber für jeweils unterschiedliche Zeiträume der Jahre 1990 und 1991 gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht. Der S. GmbH wurden diese Bescheide am 20. September 1993 zugestellt. Tibor B. behob den ihm durch Hinterlegung zugestellten Bescheid. Hinsichtlich der in der Beschwerde zu 1. bis 37. genannten Personen waren die Zustellversuche nach dem Inhalt der Rückscheine in 10 Fällen erfolgreich, wobei die Sendungen in den 9 Fällen, in denen die Zustellung durch Hinterlegung erfolgte, nicht behoben wurden. In 27 Fällen wurden Zustellhindernisse beurkundet. In diesen 27 Fällen sowie in 4 Fällen, in denen die hinterlegten Sendungen nicht behoben worden waren, wurde im Oktober 1993 die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 Abs. 1 Zustellgesetz verfügt.

Am 20. Oktober 1993 langte bei der erstmitbeteiligten Gebietskrankenkasse ein mit 19. Oktober 1993 datiertes Schreiben der S. GmbH ein. Darin wurde mit der Begründung, es solle ein Anwalt beigezogen werden und dies werde etwa zwei bis drei Wochen in Anspruch nehmen, "um Aufschub der angedrohten Rechtsfolgen für die Dauer von vier Wochen" ersucht.

Am 20. Jänner 1994 (Postaufgabe: 21. Jänner 1994) richtete der Beschwerdevertreter einen Schriftsatz an die Erstmitbeteiligte. Darin bezeichnete er als "Einschreiter" die 38 Personen, deren Versicherungspflicht festgestellt worden war, und die S. GmbH, gab an, alle diese Einschreiter zu vertreten, und berief sich dazu auf die "erteilten Vollmachten gemäß dem § 8 RAO". Namens der "Einschreiter wie auf den Seiten 1 bis 2, eigenhändig" brachte er im ersten Teil des Schriftsatzes vor, sie hätten ihn mit ihrer Vertretung beauftragt.

Im zweiten Teil des Schriftsatzes führte er aus, die Bescheide vom 30. Juli 1993 seien "nicht direkt an die Bescheidadressaten, sondern" der S. GmbH zugestellt worden. Gegenüber den "Bescheidadressaten" habe eine "ordnungsgemäße Zustellung, die die Einspruchsfrist in Kraft setzt," bisher nicht stattgefunden. Im besonderen sei die S. GmbH nicht Zustellungsbevollmächtigte der "Bescheidadressaten". Es werde daher beantragt, "die zugrunde liegenden Bescheide, mit welchen im Hinblick auf die umseits genannten Einschreiter ausgesprochen wurde, daß sie im relevanten Zeitraum als Arbeiter bei der S. GmbH beschäftigt und daher voll der Kranken-, Unfall- und Pensions- wie Arbeitslosenversicherungspflicht unterliegen, unserem a.g. Rechtsvertreter zuzustellen und behalten uns hierauf die Einbringung der Einsprüche vor".

Im dritten Teil des Schriftsatzes führte der Beschwerdevertreter aus, die Geschäftsführerin der S. GmbH, Jolanta S., habe "aus purer Vorsicht, wiewohl sie nicht Zustellbevollmächtigte ist, die Einspruchsfrist für den 19. Oktober 1993 vorgemerkt". "An diesem Tage" habe sie Rechtsauskünfte eingeholt und auf deren Grundlage "u.a. auch einen Sammeleinspruch verfaßt, den sie eingeschrieben zur Post geben wollte". Wegen eines "dringenden Arzttermins" habe sie ihren Ehemann Janusz S., den zweiten Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, um die Durchführung der Postaufgabe ersucht und ihm das Poststück übergeben. Janusz S. habe aber noch einen "dringenden Kundenbesuch" zu verrichten gehabt, der sich langwierig und strapaziös gestaltet habe. Er habe von dem Kunden noch am 19. Oktober 1993, aber erst in den Nachtstunden aufbrechen können. Da der "Post- und Korrespondenzverkehr" nicht in seine Zuständigkeit falle, sondern immer in die Zuständigkeit der Geschäftsführerin gefallen sei, habe er "infolge dieses langwierigen Kundenbesuches auf die Einbringung des Kuverts samt Einspruch vergessen" und das Poststück in der für den Kundenbesuch mitgeführten Mappe zurückgelassen. Jolanta S. sei sicher gewesen, daß Janusz S. die Einsprüche aufgeben werde, und habe keinen Anlaß gehabt, daran zu denken, daß er "dies irrtümlicherweise verdrängt" habe. Am 18. Jänner 1994 habe Janusz S. die Mappe, in der sich der Einspruch befunden habe, für einen Kundenbesuch gebraucht. Es habe "ihn wie einen Blitz" getroffen, als er bemerkt habe, daß er "das Kuvert und daher auch die seinerzeit übernommene Zustellung an das Zustellpostamt vergessen" gehabt habe. Er sei so erschrocken gewesen, daß er einen Nervenzusammenbruch erlitten habe. (Nach der Sachverhaltsdarstellung in der Beschwerde war es Jolanta S., die das Poststück am 18. Jänner 1994 fand und einen Nervenzusammenbruch erlitt.) Die Einbringung des vorbereiteten Einspruches, der im Original jederzeit vorgelegt werden könne, sei daher "für die umseits bezeichneten Einschreiter, die, wie oben dargestellt, niemals persönlich eine Bescheidausfertigung zugestellt erhalten haben, nicht, und zwar unverschuldet und aus für sie unvorgesehenen und unabwendbaren Gründen unverschuldet nicht, sodaß der vorgesehene Antrag auf Wiedereinsetzung berechtigt ist", erfolgt. Es werde daher der Antrag gestellt, "uns allenfalls, nämlich dann, wenn dem obigen Zustellantrag nicht stattgegeben würde, die Wiedereinsetzung wegen unverschuldeter Versäumung der Einspruchsfrist zu bewilligen".

Die daran anschließenden, unter der Überschrift "Einsprüche" der Nachholung des versäumten Rechtsbehelfes dienenden Ausführungen waren aus der Sicht der S. GmbH formuliert, der die "umseits bezeichneten Einschreiter" als "unsere Werkhersteller" gegenübergestellt wurden.

Als Beilage war dem Schriftsatz die Kopie eines Einspruchs angeschlossen, der den Briefkopf "Bogdan S.", das Datum 20. September 1993 und die Aktenzahlen der 38 erstinstanzlichen Bescheide trug. Nach dem Text dieses Schriftstücks erhoben die "nachstehend Unterfertigten" Einspruch gegen die 38 Bescheide vom 30. Juli 1993 und begründeten dies wie folgt:

"Die Unterfertigten waren im genannten Zeitraum weder persönlich noch wirtschaftlich in irgendeiner Form von der Firma "S. GmbH" abhängig. Wir hatten sowohl für unsere Unterkunft als auch für das Handwerkszeug, das für unsere Tätigkeit notwendig war, selbst Sorge zu tragen, haben weder Unterkunft noch Verpflegung in irgendwelcher Form durch die Firma "S. GmbH" erhalten. Insbesonders haben wir, die Unterfertigten, mit der Erfüllung unserer Tätigkeit verbundenen Auslagen und Barauslagen aus den uns ausbezahlten Zahlungen aufgebracht und waren an keine fixe Arbeitszeit gebunden.

Beweis: Unsere Vernehmung, weitere Beweise vorbehalten. Da wir somit nicht weisungsgebundene Dienstnehmer waren, stellen wir hiemit den Antrag, die o.a. Bescheide aufzuheben und die Leistungspflichtverfahren einzustellen."

Die letzte Seite des Schriftstücks bestand aus einer Namensliste von 13 der 38 Personen, deren Versicherungspflicht festgestellt worden war, wobei jedoch nur bei 10 dieser 13 Personen (darunter Bogdan S.) die vorgesehenen Eintragungen der Geburtsdaten und der (ausschließlich polnischen) Adressen vorgenommen und Unterschriften (jeweils ohne Angabe des Unterfertigungsdatums) beigesetzt waren. Den Abschluß dieser Liste bildeten der Vermerk "Rest vertreten durch Firma S. GmbH und obige Nichtunterfertigte:" und eine firmenmäßige Zeichnung für die S. GmbH.

Mit Bescheid vom 4. März 1994 wies die Erstmitbeteiligte sowohl den Zustellantrag (Spruchpunkt 1) als auch den Wiedereinsetzungsantrag (Spruchpunkt 2) ab, wobei die Anträge jeweils sowohl der S. GmbH als auch den 38 "Dienstnehmern" zugeordnet wurden. Begründend wurde im einzelnen dargelegt, daß und wie die Bescheide auch den "Dienstnehmern" zugestellt worden seien und eine neuerliche Zustellung "daher nicht möglich" sei. Zur beantragten Wiedereinsetzung wurde ausgeführt, das Antragsvorbringen sei unglaubwürdig, weil der beigelegte "Sammeleinspruch" das Datum 20. September 1993 (und nicht 19. Oktober 1993) trage und bei der Erstmitbeteiligten am 20. Oktober 1993 der mit 19. Oktober 1993 datierte Fristerstreckungsantrag der S. GmbH eingelangt sei. Wegen "Verlegung von Einlaufstücken in einen anderen Akt" könne aber auch keine Wiedereinsetzung bewilligt werden.

Mit Schriftsatz vom 18. März 1994 teilte der Beschwerdevertreter der Erstmitbeteiligten mit, sein "Vollmachtsverhältnis zu Tibor B." sei "beendet worden". Zugleich erhob er namens der anderen 37 Personen, deren Versicherungspflicht festgestellt worden war, und der S. GmbH (diesmal mit der Beifügung "VM a.g.") Einspruch gegen den Bescheid vom 4. März 1994. Er bestritt die Wirksamkeit der in diesem Bescheid beschriebenen Zustellungen an die "Dienstnehmer" (ausgenommen Tibor B.), schloß dem Schriftsatz diesbezügliche Bescheinigungsmittel bei und rügte das Unterbleiben der im Schriftsatz vom 20. Jänner 1994 beantragten Einvernahme der Jolanta S. und des Janusz S. zur Behauptung, eine ordnungsgemäße Zustellung an die "Bescheidadressaten" sei unterblieben, und zum Wiedereinsetzungsvorbringen. Die Beweiswürdigung hinsichtlich des Vorbringens zur Wiedereinsetzung bekämpfte er mit den Argumenten, in dem am 19. Oktober 1993 verfaßten "Sammeleinspruch" sei das Datum wegen der rechtsirrtümlichen Annahme, es müsse das Datum der Bescheidzustellung angegeben werden, in diesem Sinne "verbessert" worden, was am Schriftbild noch erkennbar sei, und der Fristerstreckungsantrag vom 19. Oktober 1993 sei namens der S. GmbH über Ersuchen von Jolanta S. von Mag. R. verfaßt worden, der nicht gewußt habe, daß ein Einspruch verfaßt worden sei. Mag. R. darauf hinzuweisen, habe Jolanta S. nicht für notwendig erachtet. All dies sei nicht hervorgekommen, weil die beantragten Einvernahmen unterblieben seien. Die Wiedereinsetzung käme aber "überhaupt nur subsidiär, nämlich bei Nichtgegebenheit der vorhin erwähnten Zustellungsmängel und Nichtigkeitsgründe zum Tragen". "Im Rahmen dieses Einspruchsgrundes" werde nun auch die Einvernahme des Zeugen Mag. R. beantragt.

Mit Bescheid vom 4. Juli 1994 wies der Landeshauptmann von Wien diese Einsprüche ab. Er legte im einzelnen dar, weshalb die Zustellungen an die "Beschäftigten" wirksam gewesen seien, und führte aus, das Vorbringen zum Wiedereinsetzungsantrag sei zu dessen Begründung nicht tauglich gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdevertreter "unter Berufung auf die erteilten Vollmachten gemäß dem § 8 RAO" mit Schriftsatz vom 8. August 1994 "Berufungen". Neben Ausführungen zur Widerlegung der Ansicht des Landeshauptmannes von Wien, die Zustellungen an die "Beschäftigten" seien wirksam gewesen, enthielt dieser Schriftsatz die Verfahrensrüge, zum behaupteten Wiedereinsetzungsgrund wären "zumindest die Zeugen Janusz S. und Jolanta S. zu fragen gewesen", und die Behauptung, die "übergebührliche Inanspruchnahme des für die Posteinbringung nicht zuständigen Zeugen Janusz S. durch den bis in die Nacht währenden Kundenbesuch" habe "trotz der ständig vorzunehmenden und auch von ihm wahrgenommenen Zeitüberziehung bei Kundenbesuchen nicht vorausgesehen werden" können, sodaß ein Wiedereinsetzungsgrund vorliege. Beantragt wurde, "den angefochtenen Bescheid vollinhaltlich zu beheben und unseren Anträgen entsprechend die Kassenbescheide vom 30. Juli 1993 infolge nichtiger Zustellvorgänge neuerlich zuzustellen, anderenfalls aber unseren Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung von Einsprüchen stattzugeben, in eventu den Bescheid aufzuheben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Ermittlung an die Erstbehörde zurückzuübertragen und hierauf antragsgemäß zu erkennen".

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. Jänner 1995 wies die belangte Behörde die Berufungen ab. Sie ging davon aus, mit dem Schriftsatz vom 20. Jänner 1994 hätten die 38 Personen, deren Versicherungspflicht festgestellt worden war, Anträge auf Zustellung der Bescheide vom 30. Juli 1993 und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die S. GmbH einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Nach einer Darstellung des weiteren Verfahrensganges und einer Wiedergabe anzuwendender Rechtsvorschriften legte sie im einzelnen dar, weshalb die strittigen Zustellungen wirksam gewesen seien. Zum Wiedereinsetzungsvorbringen führte sie aus, Jolanta S. sei nicht dispositionsunfähig, sondern in der Lage gewesen, eine geeignete Maßnahme zu setzen, indem sie den Einspruch Janusz S. übergeben habe, damit ihn dieser zur Post bringe. Janusz S. sei als Bote zu qualifizieren. Das Versäumnis eines Boten komme nur als Wiedereinsetzungsgrund in Betracht, wenn die Partei ihrer Überwachungspflicht nachgekommen sei. Sie dürfe sich nicht darauf beschränken, den Boten zu fragen, ob er "alle Briefe aufgegeben" habe, sondern müsse die Vorlage des Aufgabescheines verlangen, um sich davon zu überzeugen. Jolanta S. habe sich aber nicht vergewissert, daß der Einspruch aufgegeben worden sei. Hätte sie dies getan, so wäre der Einspruch nicht erst am 18. Jänner 1994 wiederentdeckt worden.

In der vorliegenden Beschwerde gegen diesen Bescheid bezeichnete der Beschwerdevertreter als Beschwerdeführer die Personen, deren Versicherungspflicht in den Bescheiden vom 30. Juli 1993 festgestellt worden war (mit Ausnahme von Tibor B.), sowie die S. GmbH, gab an, alle Beschwerdeführer würden durch ihn vertreten, wozu er sich "auf die erteilten Vollmachten gemäß dem § 30 Z. 2 ZPO und gemäß dem § 8 RAO" berief, und verwies darauf, daß Tibor B. "mit dem ag. Rechtsvertreter sein Vollmachtsverhältnis im Laufe des Verfahrens beendet" habe. In der Bezeichnung der Beschwerdepunkte und der Ausführung der Beschwerdegründe machte er Verfahrensmängel und die "unrichtige rechtliche Beurteilung im Hinblick auf die Bestimmungen des § 71 AVG, § 4 Zustellgesetz, § 17 Abs. 3 Zustellgesetz" geltend.

Nach Erstattung einer Gegenschrift durch die Erstmitbeteiligte und Vorlage der Akten durch die belangte Behörde wurde dem Beschwerdevertreter mit Berichterverfügung vom 15. Mai 1996 vorgehalten, daß die Zeit zwischen dem 18. Jänner 1994 (behauptete Auffindung des versehentlich nicht zur Post gegebenen Einspruches) und dem 20. Jänner 1994 (Verfassung der ersten Eingabe des Beschwerdevertreters) für die behauptete Begründung von Vollmachtsverhältnissen zu allen Beschwerdeführern (und Tibor B.) als sehr kurz erscheine. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, daß schon der "Sammeleinspruch", der nach den Beschwerdebehauptungen am 19. Oktober 1993 verfaßt wurde, nur die Unterschriften von 10 der 38 Personen trug, deren Versicherungspflicht festgestellt worden war, und dabei Adressen in Polen angegeben worden waren, daß auch in der Beschwerde ausgeführt wurde, die Beschwerdeführer seien "derzeit wieder in Polen", und zum Antrag auf aufschiebende Wirkung aus diesem Grund auch behauptet wurde, Rückforderungen der vom Beschwerdevertreter vertretenen S. GmbH gegenüber den anderen vom Beschwerdevertreter vertretenen Parteien im Falle der Eintreibung von Beiträgen mangels Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würden auf Schwierigkeiten stoßen. Dem Beschwerdevertreter wurde aufgetragen, die Beschwerde durch die Berichtigung der darin angeführten, zum Großteil offenbar falschen (weil ausschließlich inländischen) Adressen der zu 1. bis 37. genannten Beschwerdeführer sowie "durch geeignete Nachweise dafür" zu verbessern, "daß und wann diese Beschwerdeführer dem Beschwerdevertreter Vollmacht erteilt haben. Die geschilderten Verfahrensumstände begründen konkrete Zweifel daran, daß dies vor dem 20. Jänner 1994 oder auch nur seither hinsichtlich aller dieser Beschwerdeführer möglich war".

Mit Schriftsatz vom 4. Juli 1996 gab der Beschwerdevertreter die aktuellen Adressen der zur 1. bis 37. als Beschwerdeführer genannten Personen in Polen bekannt. Zu seiner Bevollmächtigung brachte er folgendes vor:

"Wie der eidesstättigen Erklärung, Beilage D, zu entnehmen ist, wurde der a.g. Rechtsvertreter von den Ehegatten Janusz und Jolanta S., die ihrerseits wiederum durch alle Beschwerdeführer seit Beginn ihrer Werkvertragsbeziehung hiezu beauftragt und bevollmächtigt wurden, im Sinne des § 1017 ABGB ausdrücklich beauftragt und bevollmächtigt, alle Beschwerdeführer im umseits bezeichneten Verfahren in deren Namen und auf deren Rechnung zu vertreten. Die Vollmachtserteilung erfolgte sohin im Auftrag und im Namen und aufgrund der Vollmachten der Beschwerdeführer an die Ehegatten Janusz und Jolanta S. durch die Letztgenannten an den a.g. Rechtsvertreter. Es wird höflich um d.g. Kenntnisnahme ersucht."

Die in Kopie angeschlossene "eidesstättige Erklärung" hatte folgenden Wortlaut:

"Wir, die Unterfertigten, nämlich Herr Janusz S., geboren am 25. Mai 1951, und Frau Jolanta S., geboren am 20. Mai 1960, kennen die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.5.1996, Zl. 95/08/0062, 0063-11. Zu der darin vom Verwaltungsgerichtshof aufgeworfenen Frage, wie im Zeitraum vom 18.1.1994 (Bekanntwerden des Unterbleibens der Postaufgabe) bis zum 20.1.1994 es möglich war, daß Herr Rechtsanwalt Dr. K durch alle 38 Beschwerdeführer beauftragt und bevollmächtigt worden sei, erklären wir an Eides statt, daß wir, die Unterfertigten, schon seit Beginn der Werkvertragsbeziehungen zu den einzelnen Beschwerdeführern von diesen beauftragt und bevollmächtigt wurden, alle für sie erforderlichen Vorkehrungen und rechtlichen Schritte in die Wege zu leiten und auch nötigenfalls in ihrem Namen und auf ihre Rechnung einen Rechtsanwalt für deren Vertretung zu beauftragen und zu bevollmächtigen. Aufgrund dieser uns von den Beschwerdeführern erteilten Aufträge und Vollmachten haben wir sohin am 18.1.1994 anläßlich der Erstinformationsaufnahme durch unseren Rechtsfreund diesem Auftrag und Vollmacht zur Vertretung aller Beschwerdeführer erteilt. Später wurde von allen Beschwerdeführern, die in Polen zufällig angetroffen wurden, dieser Vorgang auch noch einmal schriftlich durch Unterfertigung einer Vollmacht bestätigt. Es handelt sich dabei um die Beschwerdeführer .... (10 Namen). Ausdrücklich wird noch abschließend festgestellt, daß die Beschwerdeführerin S. GmbH durch ihren vertretungsbefugten Geschäftsführer, Herr Janusz S., am 18.1.1994 Herrn Rechtsanwalt Dr. K Auftrag und Vollmacht zur Vertretung erteilt hat."

Weiters lag dem Schriftsatz vom 4. Juli 1996 eine doppelseitige Fotokopie bei, die auf der Vorderseite ein Vollmachtsformular mit dem Stampiglienaufdruck des Beschwerdevertreters (ohne sonstige Eintragungen) und auf der Rückseite eine Namensliste abbildete, die inhaltlich der letzten Seite des mit dem Schriftsatz vom 20. Jänner 1994 vorgelegten "Sammeleinspruches" vom 20. September 1993 entsprach (einschließlich des Beisatzes "Rest vertreten durch Firma S. GmbH und obige Nichtunterfertigte") und neben der firmenmäßigen Zeichnung für die S. GmbH Unterschriften derselben 10 Personen wie auf der letzten Seite des "Sammeleinspruches" aufwies, bei denen es sich zugleich um die in der eidesstättigen Erklärung genannten Personen handelte, die dieser Erklärung zufolge "später ... in Polen zufällig angetroffen wurden". Wann das Original dieser Liste entstand und wann die abgebildeten Unterschriften darauf angebracht wurden, geht aus der Urkunde nicht hervor. Den Unterschriften sind (wie im "Sammeleinspruch" vom 20. September 1993) keine Unterfertigungsdaten beigefügt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Mit dem Schriftsatz vom 4. Juli 1996 und dessen Beilagen ist der Beschwerdevertreter dem Auftrag, die Beschwerde durch geeignete Nachweise dafür, daß und wann die zu 1. bis 37. als Beschwerdeführer genannten Personen ihn bevollmächtigt hätten, zu verbessern, nur teilweise nachgekommen. Er hat - anders als während des gesamten Verwaltungsverfahrens und bisher auch vor dem Verwaltungsgerichtshof - nunmehr offengelegt, er sei von den erwähnten Personen nicht unmittelbar bevollmächtigt worden. Seine damit verbundene Behauptung, von Janusz und Jolanta S. mit der Vertretung dieser Personen beauftragt und dazu bevollmächtigt worden zu sein, bezieht sich auf das "umseits bezeichnete" Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die angeschlossene Kopie einer eidesstättigen Erklärung der Jolanta S. und des Janusz S. beschreibt nur in allgemein gehaltener Form ("Vertretung aller Beschwerdeführer") einen Vorgang aus Anlaß der Aufnahme der Erstinformation am 18. Jänner 1994. Als Nachweis dafür, daß Janusz und Jolanta S. dazu bevollmächtigt waren, den Beschwerdevertreter namens der in der Beschwerde zu 1. bis 37. genannten Personen zu deren Vertretung vor dem Verwaltungsgerichtshof oder auch nur im Verwaltungsverfahren zu bevollmächtigen, kommt sie - als Kopie einer Erklärung nicht der angeblichen Vollmachtgeber, sondern der angeblich Bevollmächtigten - nicht in Betracht. Ein diesbezüglicher Nachweis fehlt daher.

Das gilt auch hinsichtlich der 10 Personen, deren Unterschriften schon auf der letzten Seite des "Sammeleinspruches" vom 20. September 1993 abgebildet waren und nun auch in der undatierten, doppelseitigen Kopie (Vollmachtsformular/Namensliste) aufscheinen: Einerseits ist eine Vollmachtserteilung gegenüber Janusz und Jolanta S. oder die nachträgliche Bestätigung einer solchen Vollmachtserteilung seitens dieser Personen, die nach den Behauptungen in der eidesstättigen Erklärung "später ... in Polen zufällig angetroffen wurden", nicht Inhalt dieser Urkunde. Andererseits vermeidet es der Beschwerdevertreter auch hinsichtlich dieser 10 (von den insgesamt 37 betroffenen) Personen, in seiner Äußerung gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof eine Erklärung darüber abzugeben, daß und seit wann er im Besitz ihm unmittelbar erteilter Vollmachten sei. Davon abgesehen kann die vom Beschwerdevertreter nicht erwähnte, ihrem Inhalt nach weder zeitlich noch einem bestimmten Verfahren zuordenbare Urkunde auch in Verbindung mit dem Inhalt der eidesstättigen Erklärung, wonach sie "später" in Polen entstanden sei und einer Bestätigung der Vollmachtserteilung vom 18. Jänner 1994 gedient habe, nicht als ausreichender Nachweis für eine vor Ablauf der Beschwerdefrist erfolgte Bevollmächtigung des Beschwerdevertreters für das vorliegende Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gewertet werden. Damit erübrigt sich ein näheres Eingehen auf den Umstand, daß die Urkunde nur in der Form einer doppelseitigen Fotokopie vorliegt, wobei die erste Seite den Namensstempel des Beschwerdevertreters, aber keinerlei Unterschriften wiedergibt und die zweite Seite zwar Unterschriften abbildet, aber keinen Text wiedergibt, der auf den Beschwerdevertreter oder auch nur auf den Zweck der teilweise unterfertigten Namensliste, einer Bevollmächtigung zu dienen, hinweisen würde. Die Aufnahme derselben 13 (von insgesamt fast 40) Personen, die auch im "Sammeleinspruch" vom 20. September 1993 auf dessen letzter Seite genannt waren, der Umstand, daß die Unterschriften und näheren Angaben derselben 3 Personen fehlen, bei denen dies schon im "Sammeleinspruch" der Fall war, und schließlich der auch im "Sammeleinspruch" enthaltene, auf der Rückseite des Vollmachtsformulars aber schon mangels Erkennbarkeit der gemeinten Personen sinnlose Hinweis auf einen "Rest", der (neben den "obigen Nichtunterfertigten") durch die S. GmbH "vertreten" werde, lassen eine Entstehung der teilweise unterfertigten Namensliste in einem völlig anderen Zusammenhang aber auch nicht als ausgeschlossen erscheinen.

Da der Mängelbehebungsauftrag nur unvollständig befolgt wurde, war die Beschwerde hinsichtlich der zu 1. bis 37. als Beschwerdeführer bezeichneten Personen gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1, zweiter Satz, VwGG als zurückgezogen anzusehen und das Verfahren insoweit einzustellen.

II. Die Beschwerde der S. GmbH kann nur auf die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag bezogen werden. Daß die erstinstanzlichen Bescheide der S. GmbH am 20. September 1993 wirksam zugestellt wurden, wird auch in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Der Schriftsatz des Beschwerdevertreters vom 20. Jänner 1994 brachte die Rechtsansicht zum Ausdruck, die S. GmbH habe nicht zu den "Bescheidadressaten" gehört (Teil 2 des Schriftsatzes) und selbst keine Frist zu wahren gehabt (vgl. auch Teil 3 des Schriftsatzes: Fristvormerkung durch die Geschäftsführerin "aus purer Vorsicht, obwohl sie nicht Zustellbevollmächtigte ist"). Trotz ausdrücklicher Hervorhebung des Umstandes, daß die Bescheide der S. GmbH am 20. September 1993 zugestellt worden seien, wurde die Wiedereinsetzung nur für den Fall beantragt, daß dem (nicht auf die S. GmbH bezogenen) Zustellantrag nicht Folge gegeben würde (vgl. dazu auch die Ausführungen im Einspruch vom 18. März 1994 und die Berufungsanträge vom 8. August 1994). Demgegenüber waren die mit dem Wiedereinsetzungsantrag verbundenen "Einsprüche" aus der Sicht der S. GmbH und nicht "der jeweiligen" bzw. "unserer Werkhersteller" formuliert. Genau das Gegenteil traf aber auf den zugleich vorgelegten "Sammeleinspruch" zu, dessen versehentlich unterbliebene Postaufgabe den Wiedereinsetzungsgrund bilden sollte. In diesem Einspruch, der ausschließlich aus der Sicht der in den erstinstanzlichen Bescheiden erwähnten Arbeiter formuliert war, schien die

S. GmbH nur als Vertreter des "Rests" dieser Arbeiter und der "obigen Nichtunterfertigten" auf. Insoweit die Eingabe vom 20. Jänner 1994 auch als Wiedereinsetzungsantrag der S. GmbH zu verstehen gewesen sein sollte, war sie schon deshalb nicht schlüssig.

Es ist aber auch (anders als z.B. das weisungswidrige Verhalten einer Rechtsanwaltsangestellten im Verhältnis zu der vom Rechtsanwalt vertretenen Partei) das Verhalten ihres Geschäftsführers Janusz S. der S. GmbH unmittelbar zuzurechnen und das Aufschieben der Postaufgabe eines Einspruches bloß wegen eines Kundenbesuches sowie das darauffolgende Vergessen kein unvorhergesehenes oder unabwendbares, nur auf einem minderen Grad des Versehens beruhendes Ereignis. Eine Rechtsverletzung zum Nachteil der S. GmbH liegt somit nicht vor.

Die Beschwerde der S. GmbH war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte insoweit, als das Verfahren nicht einzustellen war (§ 39 Abs. 2 Z. 1 VwGG), gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

III. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. In Ermangelung eines ausreichenden Vollmachtsnachweises war die Beschwerde insoweit, als sie namens der zu 1. bis 37. genannten Personen erhoben wurde, dem Beschwerdevertreter zuzurechnen. Gemäß § 51 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 und § 53 Abs. 1, letzter Satz, VwGG folgt daraus die geteilte Kostenersatzpflicht des Beschwerdevertreters und der S. GmbH.

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