VwGH 95/07/0239

VwGH95/07/023928.3.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde der Gemeinde N, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Umweltsenates beim Bundesministerium für Umwelt vom 13. November 1995, Zl. US 01/1995/2, betreffend Feststellung gemäß § 3 Abs. 6 UVP-G, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art131 Abs2;
B-VG Art18 Abs1;
UVPG 1993 §19 Abs3;
UVPG 1993 §20;
UVPG 1993 §3 Abs6;
UVPG 1993 §39 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art131 Abs2;
B-VG Art18 Abs1;
UVPG 1993 §19 Abs3;
UVPG 1993 §20;
UVPG 1993 §3 Abs6;
UVPG 1993 §39 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 20. Dezember 1993 beantragte die A.S.A. beim Landeshauptmann von Oberösterreich die Genehmigung einer Anlage zur thermischen Verwertung von gefährlichen Abfällen gemäß § 29 Abs. 1 Z. 2 AWG. Mit Urkundenvorlage vom 12. Oktober 1994 legte die A.S.A. ein "technisches Detailprojekt" vor. Hiezu teilte der Landeshauptmann von Oberösterreich der A.S.A. mit Schreiben vom 22. März 1995 mit, daß die nunmehr vorgelegten Projektsunterlagen in wesentlichen Punkten von den ursprünglichen Projektsgrundlagen abweichen und beabsichtigt sei, den Genehmigungsantrag abzuweisen. Dem gegenüber vertrat die A.S.A. mit einem an den Landeshauptmann von Oberösterreich gerichteten Schreiben vom 31. März 1995 die Rechtsansicht, mit der Nachreichung der Unterlagen im Oktober 1994 sei ein neuer Antrag gestellt und der Antrag vom Dezember 1993 zurückgezogen worden. Über den neuen Antrag habe der Landeshauptmann zu entscheiden.

Der Landeshauptmann übermittelte hierauf, ausgehend von der Rechtsansicht, daß die A.S.A. mit ihrem Schreiben vom 31. März 1995 den Antrag vom Dezember 1993 zurückgezogen und gleichzeitig einen neuen Antrag eingebracht habe, die Antragsunterlagen an die Oberösterreichische Landesregierung, welche ihrerseits von Amts wegen ein Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 6 UVP-G einleitete.

Mit Bescheid vom 7. Juli 1995 stellte die Oberösterreichische Landesregierung fest, daß für das von der A.S.A. beantragte Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G) durchzuführen sei.

In der dagegen erhobenen Berufung der A.S.A. wurde die Unzuständigkeit der Oberösterreichischen Landesregierung eingewendet, da gemäß § 46 Abs. 3 UVP-G der zweite Abschnitt dieses Gesetzes auf Vorhaben nicht anzuwenden sei, für die ein nach den Verwaltungsvorschriften erforderliches Genehmigungsverfahren bis zum 31. Dezember 1994 eingeleitet wird, sofern nicht der Projektwerber/die Projektwerberin bei der Landesregierung die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung und des konzentrierten Genehmigungsverfahrens für die nach dem 30. Juni 1994 eingeleiteten, aber noch nicht durch Bescheid erledigten Genehmigungen beantragt.

Schon auf Grund der vorliegenden Anträge nach dem Wasserrechtsgesetz und dem Oberösterreichischen Elektrizitätsgesetz könne das UVP-G nicht zur Anwendung kommen. Auch das Hauptverfahren nach § 29 AWG sei vor dem 1. Jänner 1995 eingeleitet worden. Die A.S.A. habe ihren ursprünglichen Antrag nie ausdrücklich zurückgezogen und keinen neuen Bewilligungsantrag gestellt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der A.S.A. Folge gegeben und der Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ersatzlos behoben. Die A.S.A. habe mit ihrem Schriftsatz vom 31. März 1995 weder ihren Antrag vom Dezember 1993 zurückgezogen noch einen neuen Antrag gestellt. Durch die Nachreichung weiterer Unterlagen im Oktober 1994 sei es zu einer wesentlichen Änderung des ursprünglichen Antrages gekommen, sodaß keine Antragsidentität mehr vorliege. Der ursprünglich eingebrachte Antrag sei im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 8. November 1994, 94/04/0011) als konkludent zurückgezogen zu betrachten und nicht mehr zu behandeln. Mit der Nachreichung der Unterlagen am 12. Oktober 1994 sei ein neues Verfahren nach § 29 AWG eingeleitet worden. Dieser Antrag sei vom zuständigen Landeshauptmann noch nicht erledigt worden. Selbst wenn man die Ansicht vertreten sollte, daß die am 12. Oktober 1994 vorgelegten Unterlagen keine wesentliche Änderung des ursprünglich eingereichten Projektes bewirkt hätten, wäre der Antrag der A.S.A. vom 20. Dezember 1993 noch offen. Da somit ein nach den Verwaltungsvorschriften erforderliches Genehmigungsverfahren für das gegenständliche Vorhaben vor dem 31. Dezember 1994 eingeleitet worden sei, sei gemäß § 46 Abs. 3 UVP-G der zweite Abschnitt dieses Gesetzes auf dieses Vorhaben nicht anzuwenden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin ist Standortgemeinde der hier zu beurteilenden Anlage. Sie erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, nämlich Verstoß gegen § 46 Abs. 3 UVP-G i.V.m. § 3 Abs. 6 UVP-G in eventu wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Beachtung die belangte Behörde zu einem für die Beschwerdeführerin günstigeren Bescheid gelangt wäre, in ihren Rechten verletzt".

Die Beschwerde ist unzulässig.

Die belangte Behörde hat einen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung, in welchem gemäß § 3 Abs. 6 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G), BGBl. Nr. 697/1993, festgestellt wurde, daß für das im Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin projektierte Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist, in Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG und des § 10 Abs. 1 Bundesgesetz über den Umweltsenat, BGBl. Nr. 698/1993, (USG), ersatzlos aufgehoben.

Gemäß § 2 Abs. 2 UVP-G ist unter Vorhaben die Errichtung einer Anlage oder ein sonstiger Eingriff in Natur und Landschaft sowie sämtliche damit in einem räumlichen Zusammenhang stehende Maßnahmen zu verstehen.

Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle gelten als Genehmigungen die in den einzelnen Verwaltungsvorschriften für die Zulässigkeit der Ausführung eines Vorhabens vorgeschriebenen behördlichen Akte und Unterlassungen, wie insbesondere ihre Genehmigungen, Bewilligungen, Feststellungen oder Konzessionen.

Gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. sind Vorhaben, bei denen auf Grund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist und die im Anhang 1 angeführt sind, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen.

Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen sind, wenn ein Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist, alle nach den Verwaltungsvorschriften, auch soweit sie im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu vollziehen sind, für die Ausführung des Vorhabens erforderlichen Genehmigungsverfahren von der Behörde (§ 39 Abs. 1) in einem konzentrierten Verfahren durchzuführen (konzentriertes Genehmigungsverfahren).

Gemäß Abs. 6 dieses Paragraphen hat die Behörde auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes innerhalb von drei Monaten mit Bescheid festzustellen, ob für das Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Parteistellung haben der Projektwerber/die Projektwerberin, die mitwirkende Behörde, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde.

Gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. hat der Projektwerber/die Projektwerberin eines UVP-pflichtigen Vorhabens das Vorhaben mindestens sechs Monate vor der geplanten Antragstellung (§ 5) der Behörde unter Darlegung der Grundzüge des Vorhabens und Vorlage eines Konzepts für die Umweltverträglichkeitserklärung anzuzeigen.

Gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. hat der Projektwerber/die Projektwerberin eines Vorhabens, für das gemäß § 3 eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, bei der Behörde einen Genehmigungsantrag einzubringen, der die nach den Verwaltungsvorschriften für die Genehmigung des Vorhabens erforderlichen Anträge, Anzeigen, Angaben und Unterlagen, gegliedert nach den einzelnen Verwaltungsvorschriften, und die Umweltvertäglichkeitserklärung (§ 6) in der jeweils erforderlichen Anzahl enthält.

Gemäß § 19 Abs. 3 leg. cit. haben der Umweltanwalt sowie die Standortgemeinde und die an diese unmittelbar angrenzenden österreichischen Gemeinden im Genehmigungsverfahren und im Verfahren nach § 20 Parteistellung. Sie sind berechtigt, die Einhaltung von Rechtsvorschriften, die dem Schutz der Umwelt und der von ihnen wahrzunehmenden öffentlichen Interessen dienen, als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen, Rechtsmittel zu ergreifen und Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben.

Gemäß § 39 Abs. 1 leg. cit. sind das Verfahren zur Prüfung der Umweltverträglichkeit, einschließlich des Feststellungsverfahrens nach § 3 Abs. 6, das konzentrierte Genehmigungsverfahren bei UVP-pflichtigen Vorhaben und die Nachkontrolle gemäß § 21 von der Landesregierung durchzuführen.

Gemäß Abs. 2 erster Satz dieses Paragraphen erstreckt sich die Zuständigkeit der Landesregierung für das konzentrierte Genehmigungsverfahren vom Antrag gemäß § 5 Abs. 1 bis zum Zuständigkeitsübergang gemäß § 22 und umfaßt auch die Ermittlungen, Entscheidungen und Überwachungen nach jenen Verwaltungsvorschriften, für die gemäß § 5 Abs. 1 Genehmigungsanträge zu stellen sind.

Gemäß § 40 Abs. 1 leg. cit. ist in den Angelegenheiten des zweiten Abschnittes (§§ 3 bis 23 UVP-G) der Umweltsenat Berufungsbehörde und sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne der §§ 5, 68 und 73 AVG. Er entscheidet auch über Wiederaufnahmsanträge nach § 69 AVG.

Gemäß § 46 Abs. 3 leg. cit. ist der zweite Abschnitt auf Vorhaben nicht anzuwenden, für die ein nach den Verwaltungsvorschriften erforderliches Genehmigungsverfahren bis zum 31. Dezember 1994 eingeleitet wird, sofern nicht der Projektwerber/die Projektwerberin bei der Landesregierung die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung und des konzentrierten Genehmigungsverfahrens für die nach dem 30. Juni 1994 eingeleiteten, aber noch nicht durch Bescheid erledigten Genehmigungen beantragt. Auch in diesem Fall bleiben rechtskräftig erteilte Genehmigungen unberührt.

Aus der vordargestellten, für die Lösung des gegenständlichen Beschwerdefalles maßgeblichen Rechtslage, insbesondere aus § 39 Abs. 1 UVP-G ergibt sich, daß zwischen dem Verfahren zur Prüfung der Umweltverträglichkeit und jenem zur Prüfung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens (konzentriertes Genehmigungsverfahren) zu unterscheiden ist. Zur Klärung der Frage, ob ein konkretes Vorhaben ein solches im Sinne des § 3 Abs. 1 UVP-G ist, besteht die Möglichkeit der Einleitung eines Feststellungsverfahrens über Antrag der im § 3 Abs. 6 UVP-G genannten Personen; auch die amtswegige Einleitung eines solchen Feststellungsverfahrens ist möglich. Der Standortgemeinde kommt kein Antragsrecht zu. Wem im Verfahren auf Feststellung, ob für das Vorhaben eine UVP durchzuführen ist, Parteistellung zukommt, wird im letzten Satz des § 3 Abs. 6 UVP-G ausdrücklich geregelt. Anders als die der Standortgemeinde im § 19 Abs. 3 UVP-G im Genehmigungsverfahren und im Verfahren nach § 20 gewährte Parteistellung, welche die in dieser Gesetzesstelle genannten Parteien berechtigt, die Einhaltung von Rechtsvorschriften, die dem Schutz der Umwelt oder der von ihnen wahrzunehmenden öffentlichen Interessen dienen, als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen, Rechtsmittel zu ergreifen und Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben, räumt § 3 Abs. 6 UVP-G für das Verfahren zur Feststellung, ob für das Vorhaben eine UVP nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist, der Standortgemeinde subjektive Rechte und eine Rechtsmittel- und Beschwerdebefugnis nicht ein. Aus der Fassung des § 3 Abs. 6 UVP-G ergibt sich vielmehr, daß der Standortgemeinde im Feststellungsverfahren die Stellung einer Formal- (Legal-)Partei zukommt. Ihr fehlt, was die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung in Ansehung der im Verfahren gemäß § 3 Abs. 6 UVP-G anzuwendenden relevanten materiell-rechtlichen Bestimmungen anlangt, ein subjektives Recht, dessen Verletzung sie vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend machen könnte.

Nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann - nach Erschöpfung des Instanzenzuges - gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Bei der Beurteilung der Beschwerdeberechtigung im Fall einer auf diese Bestimmung gestützten Beschwerde kommt es - unabhängig von der Parteistellung im Verwaltungsverfahren - lediglich darauf an, ob der Beschwerdeführer nach der Lage des Falles durch den angefochtenen Bescheid unabhängig von der Frage seiner Gesetzmäßigkeit in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sein kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 1988, Slg. N.F. Nr. 12662/A, und die dort zitierte hg.

Rechtsprechung). Die Beschwerdelegitimation setzt voraus, daß die auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützte Beschwerde unter Berufung auf eine eigene, gegenüber dem Staat - als Träger der Hoheitsgewalt - bestehende Interessenssphäre des Beschwerdeführers erhoben wird (vgl. hiezu den hg. Beschluß vom 13. März 1990, Slg. N.F. Nr. 13138/A, und die dort zitierte Vorjudikatur). Fehlt es an der Behauptung, in einer eigenen Interessenssphäre verletzt zu sein, oder überhaupt an der Möglichkeit einer derartigen Verletzung, dann bedarf es zur Beschwerdeerhebung außer in den bundesverfassungsgesetzlich vorgesehenen Fällen einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung. Eine solche ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zu einer Beschwerdeführung im Sinne des Art. 131 Abs. 2 B-VG enthält § 3 Abs. 6 UVP-G im Gegensatz zu § 19 Abs. 3 leg. cit. nicht.

Die Beschwerdeführerin als Standortgemeinde des der Beschwerde zugrundeliegenden Vorhabens der A.S.A. konnte daher durch den angefochtenen Bescheid, mit welchem ein auf § 3 Abs. 6 UVP-G gestützter Feststellungsbescheid ersatzlos behoben wurde, in ihren Rechten nicht verletzt sein.

Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zur Erhebung in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte