Normen
AVG §58 Abs2;
LStG Tir 1989 §43;
LStG Tir 1989 §44 Abs3;
AVG §58 Abs2;
LStG Tir 1989 §43;
LStG Tir 1989 §44 Abs3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.960,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Die mitbeteiligte Partei suchte mit Eingabe vom 28. Juli 1995 um Durchführung des Baubewilligungs- und Grundeinlösungsverfahrens für die Errichtung eines Gehweges im Bereich der L 40 (Oberndorfer Straße) und der B 161 (Paß Thurn Straße) an. Im Bereich der B 161 sollte - unter Ausnützung vorhandener "Grundreserven der Bundesstraße" - ausgehend vom bestehenden Asphaltrand im Anschluß an einen 1 m breiten Grünstreifen ein 1,75 m bis 1,25 m breiter und 200 m langer Gehweg errichtet werden. Auch im Bereich der L 40 sollte das geplante Gehwegprojekt auf bereits zum Straßengrund gehörenden Grundflächen zur Ausführung gelangen. Als verbleibende Mindestbreite der Fahrbahnfläche wurden 5,70 m festgelegt, sodaß im Anschluß daran eine 1,20 m breite Grünfläche und eine Breite von 1,60 m für den Gehweg zur Verfügung stünden. Von der Außenkante des Gehweges war eine mit 15 % geneigte Ausflachung (Böschung) in Richtung des Grundstückes GP 4433, dessen Eigentümer der Beschwerdeführer ist, vorgesehen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung über das Straßenbauprojekt wandte sich der Beschwerdeführer gegen das geplante Bauprojekt, welches die landwirtschaftliche Nutzung seines Grundstückes unzumutbar beeinträchtigen würde. Eine Nutzung als Acker wäre im Bereich der Böschung ausgeschlossen, eine Nutzung als Wiese gravierend erschwert. Da nicht einmal ein gefahrloses Befahren möglich sei, sei das Grundstück praktisch wertlos. Der Beschwerdeführer beantragte die Abweisung des Antrages und führte dazu aus, daß weder zwingende öffentliche Verkehrsinteressen, noch verkehrstechnische, straßenpolizeiliche oder kraftfahrrechtliche Vorschriften, noch auch ein gegenwärtiges oder zukünftiges Verkehrsbedürfnis gegeben seien, die die geplante Beeinträchtigung und Inanspruchnahme des Grundstückes rechtfertigen würden. Das Projekt solle dahingehend abgeändert werden, daß der Gehweg mit einer Mauer abgegrenzt werde und die Böschung wegfalle bzw. auf den Grünstreifen verzichtet werde und die Abgrenzung des Gehweges mittels Markierung erfolge. Eine Verringerung des Gehweges auf 1,50 m bedeutete ebenfalls ein Wegfallen der Böschung. Der dem Verfahren beigezogene landwirtschaftliche Sachverständige stellte fest, daß Flächen mit einer Neigung von bis zu 20 % ackerfähig und mit allen landwirtschaftlichen Maschinen bearbeitbar seien.
Mit Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides erteilte die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei gemäß § 44 Abs. 3 Tiroler Straßengesetz die Baubewilligung für das Gehwegprojekt. Die mündliche Verhandlung habe ergeben, daß bei projektsgemäßer Ausführung in öffentlicher Hinsicht keine Bedenken gegen das Bauvorhaben bestünden und die Voraussetzungen zur Erteilung der Straßenbaubewilligung gegeben seien. Hinsichtlich der Inanspruchnahme der zur Ausführung des Straßenbauvorhabens benötigten und im Grundeinlösungsplan dargestellten Grundflächen seien großteils Vereinbarungen betreffend Gegenstand, Umfang und Ausmaß der Entschädigung zwischen der mitbeteiligten Partei und den Grundeigentümern zustandegekommen. Der Bescheid enthält weiters unter der Überschrift "Die Tiroler Landesregierung entscheidet ... wie folgt:" unter der Überschrift "II. Beurkundung über die zu leistenden Entschädigungen und die Parteienerklärungen" eine Angabe betreffend Grundstücksnummern, Eigentümern, Quadratmeterangaben, aber keine Betragsangaben bezüglich Entschädigungsleistungen. Auf diese Angaben bezieht sich der Satz in der Begründung, daß "zum Großteil Vereinbarungen" hinsichtlich der Inanspruchnahme des Grundes zustande gekommen seien, "die zu beurkunden waren".
Gegen diesen Bescheid (zur Gänze) richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde erstattete unter gleichzeitiger Vorlage der Verwaltungsakten ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht einen Verstoß gegen die Bestimmungen der §§ 58 ff AVG geltend und wirft der belangten Behörde vor, weder die im Spruch angeordnete Rechtsfolge entsprechend konkretisiert zu haben, noch sich in der Begründung mit den Einwendungen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt zu haben.
Dazu ist folgendes festzustellen:
1. § 43 und § 44 Tiroler Straßengesetz, LGBl. Nr.13/1989, lauten:
"§ 43
Rechte der betroffenen Grundeigentümer
(1) Die Eigentümer der von einem Bauvorhaben betroffenen Grundstücke sowie jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein im Privatrecht begründetes dingliches Recht, das zum Gebrauch oder zur Nutzung des Grundstückes berechtigt, oder als Teilwaldberechtigten ein öffentlich-rechtliches Nutzungsrecht zusteht, können eine Änderung des Bauvorhabens hinsichtlich der Straßentrasse - unbeschadet des § 44 Abs. 4 - und der technischen Ausgestaltung der Straße beantragen, sofern dadurch die Beanspruchung ihrer Grundstücke vermieden oder verringert werden kann.
(2) Die Behörde hat bei der Erteilung der Straßenbaubewilligung einem Antrag nach Abs. 1 Rechnung zu tragen, soweit die beantragte Änderung
- a) den Erfordernissen nach § 37 Abs. 1 entspricht und
- b) mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg wirtschaftlich vertretbaren Aufwand durchgeführt werden kann.
Die Behörde hat bei der Beurteilung eines Antrages nach Abs. 1 die aus der beantragten Änderung sich ergebende Beanspruchung anderer Grundstücke angemessen zu berücksichtigen.
§ 44
Straßenbaubewilligung
(1) Die Behörde hat über ein Ansuchen nach § 41 mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden.
(2) Das Ansuchen ist abzuweisen, wenn das Bauvorhaben den Erfordernissen nach § 37 Abs. 1 nicht entspricht.
(3) Liegt kein Grund für eine Zurückweisung oder für eine Abweisung vor, so ist die Straßenbaubewilligung entsprechend dem Ansuchen zu erteilen. Sie ist unter Bedingungen und mit Auflagen zu erteilen, soweit dies erforderlich ist, damit den Erfordernissen nach § 37 Abs. 1 entsprochen wird. In der Straßenbaubewilligung ist ferner über allfällige Verpflichtungen des Straßenverwalters nach den §§ 38 und 39 abzusprechen.
(4) Soweit die Trasse einer Straße durch die Festlegungen des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes bestimmt ist, ist die Behörde bei der Erteilung der Straßenbaubewilligung daran gebunden."
Das vorliegende Projekt beansprucht das Grundstück des Beschwerdeführers nur insoweit, als ausgehend von der Außenkante des Gehweges eine 15 % geneigte Ausflachung "in Richtung Grundparzelle 4433" vorgesehen ist. Einen ausdrücklichen Ausspruch über eine Enteignung (sei es durch Übertragung des Eigentums oder durch Einräumung eines dinglichen Rechts oder die Auferlegung einer Duldungsverpflichtung) enthält der angefochtene Bescheid nicht.
Da das Grundstück 4433 des Beschwerdeführers nach den vorgelegten Planunterlagen direkt an die Landesstraße L 40 grenzt, soll die mit dem angefochtenen Bescheid bewilligte "Ausflachung" offenbar auf dem Grundstück des Beschwerdeführers errichtet werden; eine ausdrückliche Feststellung enthält der Bescheid diesbezüglich nicht. Im Hinblick auf die Erteilung der Straßenbaubewilligung "nach Maßgabe des vorliegenden Projektes" in Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides und der Überschrift zu Spruchpunkt II des Bescheides "Beurkundung über die zu leistenden Entschädigungen und die Parteienerklärungen" ist der Inhalt des angefochtenen Bescheides insoferne unklar. Da das Grundstück des Beschwerdeführers jedoch jedenfalls vom Antrag der mitbeteiligten Partei betroffen ist, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, daß der Beschwerdeführer - der auch von der Verwaltungsbehörde als Partei dem Verfahren beigezogen wurde - als Eigentümer eines von dem gegenständlichen Bauvorhaben "betroffenen Grundstücks" im Sinne des § 43 Abs. 1 Tiroler Straßengesetz, LGBl. Nr. 13/1989, Parteistellung im Verfahren über die Straßenbaubewilligung hatte. Die Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG und § 34 Abs. 1 VwGG ist daher gegeben.
Wie sich aus den zuvor genannten Bestimmungen (§§ 43 und 44 Tiroler Straßengesetz) ergibt und der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang bereits ausgesprochen hat, muß der Begründung einer nach § 44 Abs. 3 Tiroler Straßengesetz erteilten Bewilligung entnommen werden können, aus welchen Gründen einem Antrag des vom Bauvorhaben betroffenen Eigentümers gemäß § 43 Tiroler Straßengesetz nicht gefolgt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1996, Zl. 95/06/0245).
Dies bedeutet, daß die Behörde die für die Notwendigkeit des Straßenbauvorhabens sprechenden Gründe darzulegen hat und sich mit den Einwendungen der Anrainer, soweit diese im Lichte des § 43 Tiroler Staßengesetz relevant sind, auseinanderzusetzen hat.
2. Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde weder eine genaue Projektsbeschreibung und Sachverhaltsdarstellung vorgenommen - sie hat auch nicht dargelegt, unter Zugrundelegung welcher Rechtsvorschriften sie zur Annahme gelangt, das Projekt sei bewilligungsfähig - noch ist sie auf die Einwendungen des Beschwerdeführers eingegangen. Dies führt im Beschwerdefall zunächst dazu, daß der Inhalt des Bescheides insofern unklar bleibt, als nicht deutlich zum Ausdruck kommt, ob dem Beschwerdeführer mit dem Bescheid die Verpflichtung zur Duldung der beschreibungsgemäßen Errichtung der "Ausflachung" auferlegt werden soll. Abgesehen davon ist die Feststellung, daß die Behauptungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Beeinträchtigung der Restfläche derart "realitätsfremd" seien und es daher einer weiteren Begründung als den Hinweis auf das Gutachten des Sachverständigen nicht bedürfe, für die Erfüllung der Begründungspflicht nicht ausreichend, zumal es sich bei dem Gutachten, auf welches sich die belangte Behörde beruft, lediglich um eine Feststellung und keineswegs um begründete gutachterliche Ausführungen handelt. Auch die Ausführungen, dem Antrag auf Umplanung und Errichtung einer Mauer anstelle der projektierten Böschung könne aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nicht entsprochen werden, und die Behauptungen, daß die Errichtung eines Gehweges weder den gegenwärtigen noch dem zukünftigen Verkehrsbedürfnis entsprechen würden, seien "ebenso absurd", sind rein feststellend und entbehren jeglicher Begründung (insbesondere im Hinblick auf einen Vergleich der Kosten für die verschiedenen Varianten). Die belangte Behörde stellt nicht konkret dar, auf welche Tatsachen sich die Annahme stützt, daß im Beschwerdefall die Voraussetzungen für die Erteilung einer Baubewilligung ohne Berücksichtigung der Anträge des Beschwerdeführers im Sinne des Tiroler Straßengesetzes gegeben sind.
3. Der Hinweis der belangten Behörde, es bestünden aus öffentlich rechtlicher Sicht keine Bedenken gegen das Bauvorhaben, reicht nicht aus, die vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung konkret erhobenen Einwendungen zu entkräften. Bezüglich des Änderungsantrages wäre die belangte Behörde zu einer Überprüfung der in § 37 Abs. 1
Tiroler Straßengesetz normierten Voraussetzungen verpflichtet gewesen.
4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellen Mängel in der Begründung des angefochtenen Bescheides eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften dar, welche zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn sie wesentlich sind. Die belangte Behörde hätte sich sowohl mit den Erfordernissen nach § 37 Abs. 1 Tiroler Straßengesetz als auch mit der Frage des wirtschaftlichen Aufwandes (allenfalls nach Einholung von Gutachten) befassen müssen. Nach ständiger Rechtsprechung sind Begründungsmängel dann wesentlich, wenn sie die Nachprüfung des Bescheides auf die Gesetzmäßigkeit seines Inhaltes hindern (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 23. November 1995, Zl. 92/06/0053, oder vom 30. Mai 1996, Zl. 95/06/0245, jeweils mit weiteren Nachweisen). Dies ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf die aufgezeigten offenen Fragen gegeben.
5. Im Hinblick auf die dargestellte Unklarheit des Bescheides hinsichtlich des Spruchteiles II leidet der Bescheid weiters insoweit an Rechtswidrigkeit, als dem Bescheid nicht mit der nach § 59 Abs. 1 AVG gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen ist, welchen Bescheidwillen die belangte Behörde mit Spruchpunkt II zum Ausdruck bringen wollte.
Spruch und Begründung des Bescheides stehen in diesem Zusammenhang insofern in einem Widerspruch, als nicht klar wird, ob eine Entscheidung hinsichtlich jener Eigentümer, bezüglich derer es zu keiner Vereinbarung gekommen ist, vorliegt. Dies umso mehr, als der Bescheid am Ende (nach der Begründung) neuerlich "Beurkundungen" enthält, sodaß die Auffassung vertretbar ist, daß es sich bei Verwendung des Wortes "Beurkundung" im "Entscheidungsteil" des Bescheides um ein Vergreifen im Ausdruck handelt. Darüber hinaus ist der Begründungsteil betreffend die Beurkundung der insbesondere hinsichtlich des Ausmaßes der Entschädigung getroffenen Vereinbarungen insofern völlig unverständlich, als in Spruchpunkt II kein einziger derartiger Entschädigungsbetrag genannt ist.
6. Der angefochtene Bescheid war daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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