VwGH 95/05/0327

VwGH95/05/032723.1.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Horst W in B, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 29. August 1995, Zl. MD-VfR - B XVI - 9/95, betreffend Erteilung eines Bauauftrages, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §129 Abs10;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Der Beschwerdeführer ist seit 1991 Miteigentümer der Liegenschaft D-Gasse n1/N-Gasse n2 in 1160 Wien, auf welcher ein Wohnhaus errichtet ist. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 22. Oktober 1987 wurde Ingrid F eine Baubewilligung zur Schaffung einer Wohnung durch teilweisen Ausbau des Dachbodens des vorzitierten Wohnhauses erteilt. Der Bewilligung lag ein Einreichplan zugrunde, der - den statischen Erfordernissen entsprechend - eine Stahlbetondecke als Fußboden vorsah. Zur Ausführung gelangte jedoch - abweichend von dieser Bewilligung - eine selbsttragende Holzbalkendecke. Im Zuge des Verfahrens auf Konsensüberprüfung wurde der Miteigentümerin der vorzitierten Liegenschaft und Bauwerberin Ingrid F aufgetragen, innerhalb einer Frist von zwei Monaten ein Gutachten eines Sachverständigen zum Nachweis für die ausreichende Tragfähigkeit der konsenswidrig errichteten Holzdecke beizubringen. Dieses Gutachten wurde nicht vorgelegt.

Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom 6. Dezember 1993 die Beseitigung der konsenslosen Baulichkeit, da die Holzdecke nicht tragfähig sei und der jederzeitige Absturz drohe.

Da die angerufene Behörde jedoch über diesen Antrag nicht entschied, brachte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21. Juni 1995 bei der belangten Behörde einen Devolutionsantrag ein.

Mit Bescheid vom 29. August 1995 wies die belangte Behörde "gemäß § 73 Abs. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG)" den "Antrag des Herrn Horst W auf Anordnung der Beseitigung konsensloser Baulichkeiten in Wien 16, D-Gasse n1 in Anwendung der §§ 129 Abs. 10 und 134 Abs. 7 der Bauordnung für Wien (BO)" zurück. Bei der Anordnung der Beseitigung von konsenslosen Baulichkeiten handle es sich um einen baupolizeilichen Auftrag, auf den kein Rechtsanspruch bestehe. Der Antrag sei daher mangels Parteistellung zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "in dem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages zur Beseitigung konsensloser, den Erfordernissen der Statik nicht entsprechender Baulichkeiten, verletzt". In Ausführung dieses Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid sei deswegen rechtswidrig, weil ihm die belangte Behörde zu Unrecht die Parteistellung verwehrt habe. Der Miteigentümer einer Liegenschaft habe ein wesentliches und erhebliches Interesse daran, daß beim Umbau eines auf der Liegenschaft befindlichen Objektes sämtliche Bauvorschriften eingehalten wurden. Diesem Interesse trage der Gesetzgeber insoferne Rechnung, als den (Mit-)Eigentümern im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften ausdrücklich Parteistellung eingeräumt werde. Das Interesse manifestiere sich unter anderem auch in der gesetzlich festgelegten Haftung jedes Miteigentümers einer Liegenschaft der Behörde gegenüber für alle der Bauordnung widersprechenden Zustände auf seiner Liegenschaft und in dem Erfordernis der Zustimmung des Grundstückseigentümers zu Ansuchen auf Baubewilligung. Das rechtliche Interesse am Schutz des Eigentums bzw. körperlicher Unversehrtheit (Einsturzgefahr mangels statischer Entsprechung, Verhinderung des eigenen Rechtes auf Ausbau der zweiten Dachbodenhälfte) sei jedenfalls offensichtlich und lasse sich dieses auch einschlägigen Normen der Wiener Bauordnung entnehmen. Nicht zuletzt durch § 134 Abs. 7 der Wiener Bauordnung werde ihm als möglichem Adressaten des (auch) von Amts wegen zu erlassenden baubehördlichen Auftrages Parteistellung eingeräumt. Zur Vermeidung einer Verletzung dieser Rechte sei die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages gemäß § 129 Abs. 10 der Wiener Bauordnung erforderlich, woraus sich auch ein Rechtsanspruch des Beschwerdeführers auf Erlassung eines Beseitigungsauftrages ergebe. Würde man diesen Rechtsanspruch verneinen, wäre es ihm nicht möglich, die Einhaltung einer - unter seiner Beteiligung und Wahrung seiner Rechte - zustandegekommenen Baubewilligung im Falle der Untätigkeit der zuständigen Behörde zu relevieren. Dies käme einer Rechtsverweigerung gleich und würde auch eine Verletzung subjektiver, verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte mit sich bringen. Die konkrete Verletzung seiner Rechte durch die gegenständliche Bauführung bestehe darin, daß der Beschwerdeführer den benachbarten Dachbodenteil, welcher in seinem Wohnungseigentum stehe, wegen der konsenswidrigen Bautätigkeit nicht durchführen könne und sein (Mit-)Eigentum am Wohnhaus durch den jederzeit drohenden Absturz der Holzdecke gefährdet sei. Die Bestimmung des § 129 Abs. 10

Wiener Bauordnung diene offensichtlich nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern jedenfalls auch dem Interesse eines Miteigentümers einer Liegenschaft und des darauf befindlichen Wohnhauses, in welchem ein konsenswidriger Bau errichtet worden sei. Die Parteistellung und der Rechtsanspruch auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages sei in jüngster Rechtsprechung vom Verwaltungsgerichtshof bei entsprechender räumlicher Nähe und einer möglichen Gefährdung sogar dem Anrainer zugestanden worden und müsse umso mehr einem Miteigentümer zustehen. Der solidarisch haftende Miteigentümer einer bebauten Liegenschaft müsse berechtigt sein, die notwendigen Abwehrmaßnahmen zur Vermeidung von Schäden durchzusetzen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen.

§ 134 BO, welcher die Parteistellung nach diesem Gesetz regelt, normiert in seinem Abs. 7 in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 34/1992:

"(7) Sofern es sich um einen von Amts wegen erlassenen Bescheid handelt, ist die Person Partei, die hiedurch zu einer Leistung, Unterlassung oder Duldung verpflichtet wird. Alle sonstigen Personen, die hiedurch in ihren Privatrechten oder Interessen betroffen werden, sind Beteiligte (§ 8 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes)."

Ausdrücklich wird einem - von einem antragstellenden Bauwerber verschiedenen - (Mit-)Eigentümer einer Liegenschaft Parteistellung gemäß § 134 Abs. 3 BO nur im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften eingeräumt.

Ausgehend von dieser Gesetzeslage hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, daß niemandem, also auch nicht dem Nachbarn oder dem Grundeigentümer, ein Anspruch auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zukommt (vgl. hiezu den hg. Beschluß vom 15. Dezember 1983, Zl. 83/06/0231, BauSlg. Nr. 160, sowie die hg. Erkenntnisse vom 24. April 1990, Zl. 89/05/0164, und vom 22. Jänner 1991, Zl. 90/05/0159). Einige Bauordnungen (siehe hiezu die Ausführungen bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, Seite 198) gestehen dem Nachbarn einen Rechtsanspruch auf Erteilung eines baubehördlichen Auftrages dann zu, wenn das ohne Baubewilligung errichtete Bauwerk dessen subjektiv-öffentlichen Rechte verletzt. Die hier anzuwendende Rechtslage nach der Bauordnung für Wien schränkt jedoch ausdrücklich die Parteistellung bei von Amts wegen zu erlassenden Bescheiden - wie Aufträgen nach § 129 Abs. 10 BO - auf solche Personen ein, die hiedurch zu einer Leistung, Unterlassung oder Duldung verpflichtet werden.

Mit seinem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, daß subjektiv-öffentliche Rechte berührt würden, die einen Rechtsanspruch auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages nach der Bauordnung für Wien gewähren. Die Privatrechtsordnung räumt einem (Mit-)Eigentümer einer Liegenschaft ausreichende Möglichkeiten gegen den ohne seine Zustimmung einen vorschriftswidrigen Bau errichtenden Dritten zum Schutze seines Eigentums ein.

Da dem Beschwerdeführer somit kein Rechtsanspruch auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages im Sinne des § 129 Abs. 10 BO zukommt, hat die belangte Behörde ohne Rechtsirrtum den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlassung eines solchen Auftrages zurückgewiesen.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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