VwGH 95/05/0283

VwGH95/05/028323.3.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Michael Melchart in Wien, vertreten durch

Mag. Dr. Otto Ranzenhofer, Rechtsanwalt in Wien VIII, Laudongasse 26, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 29. August 1995, Zl. MD-VfR - B XIX - 46/95, betreffend Bauaufträge, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
BauO Wr §101;
BauO Wr §114a Abs6;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauRallg;
AVG §38;
BauO Wr §101;
BauO Wr §114a Abs6;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Wohnungseigentümer am Lokal 1 des Hauses Wien XIX, Sieveringer Straße 62. Der dort etablierten

B. Gastronomiegesellschaft m.b.H. wurde mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den

19. Bezirk, vom 12. Oktober 1988 gemäß § 81 GewO 1973 die Genehmigung für die Änderung der Betriebsanlage durch Errichtung einer Be- und Entlüftung für den Gastraum, welche über die linke Feuermauer führt, erteilt.

Anlässlich einer Anzeige einer Miteigentümerin der Nachbarliegenschaft Sieveringer Straße 64 wurde im Rahmen eines Lokalaugenscheines am 4. Mai 1995 festgestellt, dass die straßenseitige Fassade des Hauses Sieveringer Straße 62 schadhaft sei, dass in Abweichung vom zuletzt bewilligten Plan vom 23. Oktober 1987 vom Abstellraum des Gastlokales im Kellergschoß zur Nachbarliegenschaft Sieveringer Straße 64 zwei Feuermauerdurchbrüche hergestellt wurden und dass beim vorderen Feuermauerdurchbruch ein Teil der Lüftungsleitung über dem Nachbargrundstück angebracht wurde.

Mit Bescheid vom 8. Mai 1995 trug der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, gemäß § 129 Abs. 2, 4 und 10 der Bauordnung für Wien "dem Eigentümer der Luftleitung und den

Hauseigentümern auf der ... Liegenschaft" auf,

  1. 1. die Fassade bauordnungsgemäß instand zu setzen,
  2. 2. die beiden vom Abstellraum des Gastlokales im Kellergeschoß zum Nachbargrundstück Nr. 293/4 hergestellten Feuermauerdurchbrüche bauordnungsgemäß abzumauern und

    3. die bei dem vorderen Feuermauerdurchbruch über dem Nachbargrundstück angebrachte Luftleitung zu entfernen.

    Offenkundig nur gegen die Punkte 2 und 3 richtete sich die Berufung des Beschwerdeführers. Die Lüftungsanlage sei mit Bescheid der Gewerbebehörde rechtskräftig genehmigt worden. Die Situierung der Abluftöffnung sei technisch nicht anders möglich gewesen. Die Demontierung der Be- und Entlüftungsleitungen bzw. des Ansaugstutzens würde bedeuten, dass im Lokal keine ausreichende Versorgung mit Frischluft gewährleistet wäre. Insbesondere während der Wintermonate wäre eine Entlüftung auf natürlichem Wege unmöglich, was gewerberechtlich wie arbeitnehmerschutzrechtlich verboten sei. Vom Eigentümer der Nachbarliegenschaft habe der Beschwerdeführer die Genehmigung erhalten, die Abluftleitung über seinen Grund zu führen, weil es technisch nicht anders möglich sei und weil es sich nicht störend auswirke. Er kündigte an, dass er für die Durchbrechung der Feuermauer und für die Herstellung der Lüftungsleitung nachträglich um die Erteilung der Baubewilligung ansuchen werde. Er sei bereit, den Durchbruch der Feuermauer brandschutztechnisch ausreichend zu gestalten. Gemäß § 115 Abs. 5 der Bauordnung für Wien dürften Luftleitungen auch so ausgeführt werden, dass sie Brandmauern und Geschoßdecken durchstoßen. Allenfalls seien sie mit Brandschutzklappen zu versehen.

    Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Bescheide, mit denen die Betriebsanlage von Gastgewerbebetrieben bewilligt würden, vermögen nicht eine nach der Bauordnung für Wien erforderliche Baubewilligung zu ersetzen. Bei der Herstellung eines Feuermauerdurchbruches und der Anbringung einer Lüftungsleitung handle es sich um Baumaßnahmen, zu deren Durchführung die vorherige Erwirkung einer Baubewilligung nach § 60 Abs. 1 lit. c der Bauordnung für Wien erforderlich sei. Eine solche Bewilligung sei nicht erteilt worden; diese Vorschriftswidrigkeit müsse der Gebäudeeigentümer gemäß § 129 Abs. 10 der BauO für Wien beheben.

    In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Freiheit von baubehördlichen Aufträgen verletzt. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

    Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

    Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

    Zunächst ist darauf zu verweisen, dass "Sache" des Berufungsverfahren nur der Gegenstand des Verfahrens in der Vorinstanz ist, so weit der darüber ergangene Bescheid mit Berufung angefochten wurde (Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 572, E 100 b zu § 66 Abs. 4 AVG). Zwar hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung den Antrag gestellt, "zumindest die mich betreffenden Punkte 2 und 3" des von ihm bekämpften erstinstanzlichen Bescheides ersatzlos zu beheben, jedoch in der Begründung des Berufungsantrages nur auf die Spruchpunkte 2 und 3 dieses Bescheides Bezug genommen. Daher haben nur diese beiden Spruchpunkte die Sache des Berufungsverfahrens gebildet. So weit der Beschwerdeführer nunmehr geltend macht, die belangte Behörde hätte ein Sachverständigengutachten zur Frage des Erfordernisses der Herstellung des Verputzes einholen müssen, ist er darauf zu verweisen, dass der Punkt 1 des erstinstanzlichen Bescheides nicht Sache des Berufungsverfahrens war und der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid insofern in seinen Rechten nicht verletzt sein kann.

    Gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (hier in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 2/1994; BO) sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen. Vorschriftswidrig ist jeder Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung eine baubehördliche Bewilligung erforderlich war (und weiterhin erforderlich ist), für den aber eine Baubewilligung nicht vorliegt (hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1993, Zl. 91/05/0088, mit einem weiteren Nachweis). Gemäß § 60 Abs. 1 lit. c sind unter anderem folgende Bauführungen bewilligungspflichtig:

    "Änderungen oder Instandsetzungen von Gebäuden und baulichen Anlagen, wenn diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, sowie jede Änderung der bewilligten Raumwidmungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage."

    Zufolge § 101 Abs. 1 BO muss ein Gebäude, wird es an Nachbargrenzen angebaut, an diesen in allen Geschoßen feuerbeständige Feuermauern ohne Öffnungen enthalten, die den Anforderungen für Außenwände entsprechen. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung ist die Herstellung von Öffnungen in Feuermauern mit Zustimmung der Eigentümer der Nachbarliegenschaft nur gegen jederzeitigen Widerruf zulässig, sofern keine öffentlichen Rücksichten entgegenstehen. Aus der Feuer- und Brandmauern regelnden Bestimmung des § 101 BO ergibt sich unzweifelhaft, dass der Durchbruch von Feuermauern eine Änderung eines Gebäudes darstellt, welche von Einfluss auf die Feuersicherheit ist. Daher ist ein solcher Durchbruch gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO bewilligungspflichtig. In einem Bewilligungsverfahren ist zu prüfen, ob die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Voraussetzungen nach § 114a Abs. 6 BO vorliegen.

    Die Lüftungsleitung beim vorderen Feuermauerdurchbruch stellt eine Einheit mit der Feuermaueröffnung dar und ist daher gleichfalls von der Bewilligungspflicht nach § 60 Abs. 1 lit. c BO umfasst. Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass in diesem Umfang keine Baubewilligung vorliegt.

    In einem Verfahren gemäß § 129 Abs. 10 BO ist die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen einer nachträglichen Baubewilligung nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Frage, ob eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden kann, ist keine Vorfrage für die Erlassung eines Abtragungsauftrages nach § 129 Abs. 10 BO, da diese Bestimmung darauf abstellt, dass ein vorschriftswidriger Bau vorliegt, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist. Jeder unbefugt errichtete Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt wurde, kann Gegenstand eines Bauauftrages sein, auch dann, wenn ein Ansuchen um nachträgliche Bewilligung eingebracht wurde (hg. Erkenntnis vom 7. September 1993, Zl. 93/05/0121, m.w.N.).

    Es kommt im vorliegenden baupolizeilichen Auftragsverfahren nicht darauf an, ob für die Feuermauerdurchbrüche und die Lüftungsanlage eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden kann und und ob ein Ansuchen um nachträgliche Bewilligung eingebracht wurde. Die Aufträge zur Abmauerung der Feuermauerdurchbrüche und zur Entfernung der Luftleitung ergingen somit zu Recht. Unzulässig ist lediglich die Vollstreckung des Bauauftrages, solange ein Ansuchen um nachträgliche Bewilligung anhängig ist (siehe das zitierte hg. Erkenntnis vom 7. September 1993).

    Die Beschwerde erwies sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

    Wien, am 23. März 1999

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte