VwGH 95/05/0145

VwGH95/05/014518.2.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der E und des

R N in M, die Erstbeschwerdeführerin vertreten durch DDr. R N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. August 1994, Zl. R/1-V-91032/10, betreffend eine Baueinstellung (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde Mödling, vertreten durch den Bürgermeister, 2. I-Gesellschaft m.b.H. in M,

3. B-Gesellschaft m.b.H. in M, die Zweit- und die Drittmitbeteiligte vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in B), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
BauO NÖ 1976 §109 Abs3;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §42 Abs3;
VwGG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BauO NÖ 1976 §109 Abs3;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §42 Abs3;
VwGG §63 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 13.020,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Hinsichtlich des mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 8. März 1993 im Instanzenzug bewilligten Bauvorhabens der Zweitmitbeteiligten erließ der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 26. November 1993 eine Baueinstellung und verfügte, daß die konsenslos errichteten Bauwerke innerhalb von zwei Monaten abzubrechen und der ursprüngliche Zustand wieder herzustellen seien. Zufolge einer Aufhebung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes durch den Verfassungsgerichtshof entspreche das eingereichte Projekt nicht mehr den derzeit geltenden Bebauungsbestimmungen, weshalb gemäß § 109 Abs. 3 NÖ BauO vorzugehen gewesen sei.

Einer dagegen von den Bauwerbern erhobenen Berufung gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 6. Mai 1994 Folge und hob den Bescheid des Bürgermeisters vom 26. November 1993 auf. Begründend wurde ausgeführt, daß einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde der Bauwerber gegen den den eingangs genannten Baubewilligungsbescheid aufhebenden Vorstellungsbescheid (vom 19. Oktober 1993) die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei; damit seien die Rechtswirkungen dieses Vorstellungsbescheides "aufgehoben" worden und sei zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gemeinderates als Baubehörde zweiter Instanz von der erteilten Baubewilligung vom 8. März 1993 auszugehen.

Dieser Verwaltungsgerichtshofbeschwerde der Bauwerberin wurde mit hg. Erkenntnis vom 8. März 1994, Zl. 93/05/0276, Folge gegeben und der Vorstellungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben (weil der Verwaltungsgerichtshof andere Versagungsgründe hinsichtlich der Baubewilligung als gegeben annahm). Dem entsprechend erließ die belangte Behörde am 9. Mai 1994 einen die Baubewilligung vom 8. März 1993 abermals aufhebenden Ersatzbescheid, der der mitbeteiligten Stadtgemeinde am 11. Mai 1994 zugestellt worden war.

Gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 6. Mai 1994, mit welchem die Baueinstellung wieder aufgehoben wurde, erhoben die beschwerdeführenden Nachbarn Vorstellung. Sie verwiesen insbesondere darauf, daß gemäß § 63 Abs. 1 VwGG die Verwaltungsbehörden, also nicht nur die belangte Behörde, verpflichtet seien, unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Der Gemeinderat habe sich über diese Bindung an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes hinweggesetzt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Vorstellung als unbegründet ab. Die Rechtswirkungen der Baubewilliung vom 8. März 1993 seien durch den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1993, Zl. AW 93/05/0076, mit dem der Beschwerde der Bauwerberin die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, wieder hergestellt worden, sodaß ab diesem Zeitpunkt wieder eine rechtswirksame Baubewilligung vorgelegen sei. Im Zeitpunkt der Zustellung des bei der Vorstellungsbehörde bekämpften Berufungsbescheides vom 6. Mai 1994 am 16. Mai 1994 sei im Hinblick auf die Vierwochenfrist des § 61 Abs. 5 der NÖ Gemeindeordnung trotz des neuerlich aufhebenden Ersatzbescheides der belangten Behörde, der am 11. Mai 1994 der Gemeinde zugestellt worden sei, eine rechtswirksame Baubewilligung vorgelegen. Daher habe der Gemeinderat in Anbetracht der Rechtslage den Auftrag zur Baueinstellung und insbesondere den Auftrag zur Herstellung des vorherigen Zustandes zu Recht aufgehoben.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der ursprünglich an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluß vom 16. März 1995, B 1918/94, ab. Darin wertete er insbesondere die Bestimmung des § 61 Abs. 5 zweiter Satz der NÖ Gemeindeordnung als verfassungsrechtlich unbedenklich.

In ihrem Abtretungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof machten die Beschwerdeführer geltend, sie seien durch den angefochtenen Bescheid in ihrem aus § 63 Abs. 1 VwGG herrührenden Recht verletzt. Sie begehren die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die Zweit- und die Drittmitbeteiligte, eine Gegenschrift. Die Beschwerdeführer replizierten und erstatteten einen weiteren Schriftsatz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie die Beschwerdeführer im zuletzt erstatteten Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof darlegten, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 26. September 1995, Zl. 93/04/0124, und zuvor schon im Erkenntnis vom 30. Juni 1994, Zl. 91/06/0174, ausgesprochen, daß auch der aufhebenden Entscheidung einer Vorstellungsbehörde - analog zu § 42 Abs. 3 VwGG - eine ex-tunc-Wirkung zukomme. Im Zeitpunkt der Erlassung des hier angefochtenen Bescheides mußte die belangte Behörde berücksichtigen, daß aufgrund ihres aufhebenden Bescheides vom 9. Mai 1994 dem Baubewilligungsbescheid vom 8. März 1993 von Anfang an, also insbesondere auch im Zeitpunkt der Entscheidung durch die Berufungsbehörde am 6. Mai 1994, keine Rechtswirkung zukam. Es genügte nicht der Hinweis im angefochtenen Bescheid, daß im Hinblick auf die "nunmehr" eingetretenen Rechtswirkungen des Bescheides der Aufsichtsbehörde vom 9. Mai 1994 die neuerliche Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages gemäß § 109 Abs. 3 NÖ BauO nicht gehindert werde; vielmehr hätte die belangte Behörde das Nichtvorliegen einer Baubewilligung ihrer Entscheidung zugrunde legen müssen. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. In Anbetracht der Vorjudikatur konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994. Ein Aufwandersatz für die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof erwachsenen Barauslagen findet nicht statt.

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