VwGH 95/04/0151

VwGH95/04/015128.10.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde

1.) der Marktgemeinde N, 2.) der Marktgemeinde P, 3.) der Gemeinde B, 4.) der H in L, 5.) der A in N, und 6.) des K in N, alle vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 4. November 1994, Zl. 313.575/1-III/A/2a/94, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei:

S-Gesellschaft m.b.H. in T, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W),

Normen

AVG §42 Abs1;
AVG §42;
AVG §8;
GewO 1973 §356 Abs3 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs3 impl;
GewO 1994 §356 Abs3 impl;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §74 Abs2 Z5;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §75 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs3;
WRG 1959 §107 Abs2;
AVG §42 Abs1;
AVG §42;
AVG §8;
GewO 1973 §356 Abs3 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs3 impl;
GewO 1994 §356 Abs3 impl;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §74 Abs2 Z5;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §75 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs3;
WRG 1959 §107 Abs2;

 

Spruch:

I) den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird, soweit sie von den Viert- bis Sechstbeschwerdeführern erhoben wurde, zurückgewiesen.

II) zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird, soweit sie von den Erst- bis Drittbeschwerdeführerinnen erhoben wurde, als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 8. Februar 1989 suchte die mitbeteiligte Partei um gewerbebehördliche Genehmigung der Änderung der gewerbebehördlich genehmigten "Deponie L" durch Hinzunahme mehrerer näher bezeichneter Grundstücke an.

Über dieses Ansuchen führte die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt als Gewerbebehörde erster Instanz am 2. April 1990, am 12. März 1993 und am 14. Mai 1993 mündliche Augenscheinsverhandlungen durch.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 9. Juli 1994 wurde der mitbeteiligten Partei die beantragte Genehmigung unter Vorschreibung von insgesamt 54 Auflagen und unter Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer Berufung erteilt.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Erst- bis Drittbeschwerdeführerinnen Berufung.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. März 1994 wurde den Berufungen insofern Folge gegeben, als drei zusätzliche Auflagen vorgeschrieben wurden und der Ausschluß der aufschiebenden Wirkung behoben wurde.

Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl die mitbeteiligte Partei als auch die Erst- bis Drittbeschwerdeführerinnen Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 4. November 1994 wurden die Berufungen abgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde - auf das für das verwaltungsgerichtliche Verfahren Wesentliche zusammengefaßt - aus, die von den Erst- bis Drittbeschwerdeführerinnen behauptete Unzuständigkeit der belangten Behörde liege nicht vor. Auf Grund des § 44 Abs. 6 AWG in der Fassung der AWG-Novelle 1994, BGBl. Nr. 155, und der Tatsache, daß mit der Einbringung des Ansuchens am 8. Februar 1989 das Verfahren im Sinne dieser Bestimmung am 1. Juli 1990 anhängig gewesen sei, sei die Gewerbebehörde und nicht die Abfallwirtschaftsbehörde für das Verfahren zuständig gewesen. Das Erfordernis einer Baubewilligung für die gegenständliche Deponieerweiterung sei für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung, weil die belangte Behörde bautechnische Bestimmungen nicht anzuwenden habe. Diese fielen in die ausschließliche Zuständigkeit der Baubehörde. Ebenso sei das Nichtvorliegen eines rechtskräftigen wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides nicht "von Bedeutung". Vielmehr sei es Sache der Genehmigungswerberin, nach dem im österreichischen Verwaltungsrecht herrschenden Kumulationsprinzip alle für das Betreiben der Betriebsanlage erforderlichen Genehmigungen und Bewilligungen, sei es bundes- oder landesgesetzlicher Natur, zu erwirken. Das Fehlen einer Bewilligung oder Genehmigung habe jedoch auf die Verfahrenserteilung einer anderen keinen Einfluß. Auch erscheine eine Ergänzung des Gutachtens über Gassicherheitstechnik für den Explosionsfall nicht erforderlich, da bereits in der Berufung die Aussage des Sachverständigen wiedergegeben worden sei, daß die Entgasungsanlage eine dem Stand der Technik entsprechende Sicherheitsmaßnahme sowohl im Hinblick auf die Explosionsgefahr als auch im Hinblick auf Geruchsimmissionen darstelle. Eine explosionsgefährliche Entgasungsanlage könnte dieses Kriterium nicht erfüllen und könnte auch nicht vom Sachverständigen als bewährt bezeichnet werden, wie dies im vorliegenden Fall erfolgt sei. Objektive Messungen von Geruchsimmissionen seien mangels dazu geeigneter Meßgeräte nicht möglich. Etwas geradezu Unmögliches könne jedoch, genau so wenig wie Gegenstand eines Vertrages nach § 878 ABGB, Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens sein. Erschütterungsimmissionen würden schon nach der eigenen Lebenserfahrung eine starre Verbindung zwischen dem Emissions- und Immissionsort voraussetzen. Gerade dies sei bei einer Mülldeponie keineswegs gegeben, weil für eine solche geradezu eleastische Bodenverhältnisse charakteristisch seien. Eine allfällige Beeinträchtigung des Grundwassers sei im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, da eine wasserrechtliche Bewilligung ohne Zweifel erforderlich sei. Zu dem Vorbringen betreffend nicht ausreichende Ermittlungen hinsichtlich des Einwandes von Lärm- und Geruchsimmissionen sei mit dem Bescheid der Behörde erster Instanz darauf zu verweisen, daß bereits bei dem nächstgelegenen Wohnhaus in ca. 400 m Entfernung weder Lärmnoch Geruchsimmissionen zu erwarten seien und dies umso mehr für die in weit größerer Entfernung befindlichen Liegenschaften und Einrichtungen der Erst- bis Drittbeschwerdeführerinnen gelten müsse. Die in der Berufungsschrift erwähnte Studie des Univ. Prof. DDr. H sei eine allgemeine Studie, die sich nicht auf das konkrete Projekt beziehe. Das Betriebsanlagengenehmigungsverfahren sei jedoch ein projektbezogenes Einzelverfahren (so wie jenes gemäß § 81 GewO 1994), in dem sich der ärztliche Sachverständige - fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen - darüber zu äußern habe, welche Einwirkungen die zu erwartenden umvermeidlichen Immissionen der konkreten Anlage nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus entsprechend diesem Zusammenhang im § 77 Abs. 2 GewO 1994 enthaltenen Tatbestandsmerkmale auszuüben vermögen. Wenn - wie im vorliegenden Fall - jedoch keine Einwirkungen, sei es an Lärm- oder Luftschadstoffen auf die Einrichtungen der Erst- bis Drittbeschwerdeführerinnen (Schulen, Kindergärten, Kurzentrum) nach dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen zu erwarten seien, könne sich auch der medizinische Sachverständige - mangels solcher Einwirkungen - gar nicht weiter mit gesundheitlichen Auswirkungen nicht vorhandener Immissionen auseinandersetzen. Aus diesem Grunde könne die erwähnte allgemeine Studie für das vorliegende Verfahren nicht von Bedeutung sein.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 13. Juni 1995, B 189/95-8, ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig hinsichtlich der Erst- bis Drittbeschwerdeführerinnen als unbegründet abzuweisen und hinsichtlich der Viert- bis Sechstbeschwerdeführer als unzulässig zurückzuweisen.

Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenso - allerdings ohne ein Kostenersatzbegehren zu stellen - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde hinsichtlich der Erst- bis Drittbeschwerdeführerinnen abzuweisen und hinsichtlich der Viert- bis Sechstbeschwerdeführer zurückzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in dem "gesetzlich gewährleisteten Recht auf Nichtgenehmigung einer Betriebsanlage bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen der §§ 74 ff GewO bzw. durch eine unzuständige Behörde unter Anwendung unrichtigen materiellen Rechtes und Verletzung des Rechts auf Durchführung eines mängelfreien Verfahrens verletzt". Die Viert- bis Sechstbeschwerdeführer machen als Beschwerdepunkt auch die Verletzung des Rechtes auf Einräumung der Parteistellung geltend. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes wird im wesentlichen ausgeführt, die belangte Behörde sei zur Erlassung des angefochtenen Bescheides sachlich unzuständig gewesen, weil das verfahrensgegenständliche Projekt der Bewilligungspflicht nach § 29 AWG unterliege. Der Verweis der belangten Behörde auf die Ausnahmebestimmung des § 44 Abs. 6 AWG in der Fassung der AWG-Novelle 1994 erfolge rechtswidrig und sei nicht zutreffend. Der Verwaltungsgerichtshof habe diesbezüglich in seinem Erkenntnis vom 28. September 1993, Zl. 91/12/0187, festgestellt, daß der Begriff "anhängiges Genehmigungsverfahren" im § 44 Abs. 6 AWG nur strikt auf solche Verfahren bezogen sein könne, die spezifisch abfallrechtliche Normen der Länder oder des Bundes vor Inkrafttreten des AWG zum Gegenstand gehabt hätten. Das Verfahren sei mangelhaft gewesen, weil die belangte Behörde überhaupt nicht Bedacht auf die bautechnischen Bestimmungen der NÖ. Bauordnung genommen habe, obwohl diese Vorschriften richtigerweise im gegenständlichen Genehmigungsverfahren nach dem AWG zu berücksichtigen gewesen wären. Des weiteren würde (wegen Änderung des Projektes durch Tieferlegung der Deponie) für das nunmehr vorliegende Projekt eine wasserrechtliche Bewilligung fehlen, ohne die jedoch eine abschließende Beurteilung der Betriebsanlage nicht möglich sei. Entsprechend den Feststellungen des Verhandlungsleiters anläßlich der "Büroverhandlung" vom 14. Mai 1993 sei ein Amtssachverständiger für Gassicherheitstechnik aus terminlichen Gründen verhindert gewesen und es sei ihm aufgetragen worden, eine schriftliche Stellungnahme zu den Fragen abzugeben, "ob die geplante aktive Entgasungsanlage eine Gefährdung von Personen und des Eigentums der Nachbarn vorwiegend im Explosionsfall darstellt bzw. ob das geplante Projekt so ausgeführt ist, daß eine Explosion ausgeschlossen werden kann bzw. welche Maßnahmen erforderlich sind, um diese Gefährdungen durch Explosionen auszuschließen". Das hiezu erstattete Gutachten des Amtssachverständigen sei jedoch auf die konkrete Fragestellung der Explosionsgefahr nicht eingegangen. Wenn nun die belangte Behörde vermeine, daß eine Ergänzung des Gutachtens für Gassicherheitstechnik für den Explosionsfall nicht erforderlich erscheine, weil die Ausführung des Sachverständigen, "vergleichbare Entgasungsanlagen haben sich als Sanierungsmaßnahme bei schon bestehenden Deponien bewährt und stellen eine dem Stand der Technik entsprechende Sicherheitsmaßnahme sowohl im Hinblick auf Explosionsgefahr als auch im Hinblick auf Geruchsemission dar", so könne dem nicht gefolgt werden. Die Aussagen des Sachverständigen bezögen sich, und das ergebe sich aus dem Wortlaut, lediglich auf vergleichbare Entgasungsanlagen, die sich als Sanierungsmaßnahme bei schon bestehenden Deponien bewährt hätten. Zu einer Erhöhung der Explosionsgefahr nehme der Amtssachverständige überhaupt nicht Stellung. Sohin seien durch den Amtssachverständigen die obzitierten Fragen, deren Beantwortung im Hinblick auf die erhobenen Einwendungen eine Beurteilung der Rechtssache erst möglich gemacht hätten, nicht beantwortet worden und es sei das Ermittlungsverfahren gravierend mangelhaft geblieben und daher eine abschließende Beurteilung nicht möglich. Bei Einholung eines die obzitierten Fragen beantwortenden Gutachtens wäre die belangte Behörde zu einer abweichenden Sachverhaltsfeststellung gekommen und es wäre auf dieser Grundlage ein inhaltlich anderer

- abweisender - Bescheid die Folge gewesen. Die belangte Behörde habe von der Beischaffung der Studie des Institutes für Umwelthygiene Dris. H abgesehen, obwohl sich diese Studie umfangreich mit gesundheitlichen Gefährdungen von Anrainern durch Abfallbehandlungsanlagen durch Deponiegase auseinandersetze. Es sei zwar zutreffend, daß Gegenstand dieser Studie nicht die konkrete Betriebsanlage sei, sehr wohl beschäftige sich die Studie aber in concreto mit Gesundheitsgefährdungen von Anrainern derartiger Abfallbehandlungsanlagen. Da ein exakter Wirkungsgrad der projektierten Entgasungsanlage vom beigezogenen technischen Amtssachverständigen nicht habe definiert werden können, die zu erwartenden Gasmengen auf Schätzungen und Hochrechnungen beruhten und die tatsächlichen Gasemissionen weit höher sein könnten, sei eine gesundheitliche Gefährdung von Anrainern, Schulkindern, Lehrern und sonstigen im Schulbetrieb Beschäftigten, der von der Erstbeschwerdeführerin gehaltenen Volks- und Hauptschule, der von den Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen jeweils gehaltene Volksschule sowie den Viert- bis Sechstbeschwerdeführern zu befürchten. Ohne die Beischaffung der oben zitierten Studie sei aber der "Stand der Technik" im Sinne der Gewerbeordnung, welcher als "auf den einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhender Entwicklungsstand fortschrittlicher technologischer Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, deren Funktionstüchtigkeit erprobt und erwiesen ist", definiert werde, nicht zu ermitteln. Da der Mitauftragsgeber dieser Studie des Instituts für Umwelthygiene das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung gewesen sei, wäre die Beschaffung durch die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt bzw. insbesondere durch den Landeshauptmann für das Land Niederösterreich ohne Schwierigkeit möglich gewesen und hätte somit eine zumutbare Maßnahme im Sinne des gebotenen amtswegigen Ermittlungsverfahrens dargestellt. Die Nichtbeischaffung dieser Studie begründe daher eine relevante Mangelhaftigkeit des Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens und es hätte sich bei Vorliegen dieser Studie ergeben, daß die erhobenen Einwendungen berechtigt seien und die projektierte Betriebsanlagenänderung nicht dem Stand der Technik entspreche, somit die geplante Erweiterung der Deponie massiv in subjektive öffentliche Rechte der Beschwerdeführer eingreife. Es sei daher die Genehmigung zu versagen gewesen, zumindest aber hätte eine Interessenabwägung stattzufinden gehabt.

Hinsichtlich der Viert- bis Sechstbeschwerdeführer wird (zum Beschwerdepunkt der Verletzung des Rechtes auf Einräumung der Parteistellung) im wesentlichen vorgebracht, daß die Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Denn der Anschlag in der NÖ. Standortgemeinde L sei für die Bewohner der Bgld. Gemeinde N kein taugliches Mittel, um von der Anberaumung der mündlichen Verhandlung in Niederösterreich Kenntnis zu erlangen, wodurch der Status der übergangenen Parteien gegeben sei und folglich auch eine Präklusion hinsichtlich ihrer Einwendungen in bezug auf die Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2 und 5 GewO nicht eintreten könnte. Sie seien sohin als übergangene Parteien anzusehen und es sei durch die gesetzwidrig unterlassene Ladung derselben die gebotene Mitwirkung der Parteien vereitelt worden. "Lediglich vorsichtshalber erheben" die Viert- bis Sechstbeschwerdeführer "dieselben Einwendungen wie die Erstbeschwerdeführerin im gegenständlichen gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren und erklären diese ausdrücklich zum Gegenstand ihres Vorbringens".

I.

Gemäß dem im Hinblick auf den Abs. 7 der Anlage "Gewerbeordnung/Übergangsrecht" zur GewO 1994 anzuwendenden § 356 Abs. 3 GewO 1973, in der Fassung BGBl. Nr. 399/1988, sind im Verfahren gemäß Abs. 1, unbeschadet des folgenden Satzes, nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an. Weist ein Nachbar der Behörde nach, daß er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach dem ersten Satz zu erlangen, so darf er seine Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2 3 oder 5 auch nach Abschluß der Augenscheinsverhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen und ist vom Zeitpunkt seiner Einwendungen an Partei; solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu ihrer Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Augenscheinsverhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges.

Wie sich aus § 356 Abs. 3 GewO 1973, in der Fassung BGBl. Nr. 399/1988, zweifelsfrei ergibt, vermag die Erhebung von Einwendungen erst nach Ablauf der in dieser Bestimmung genannten Frist die Parteistellung des Nachbarn auch dann nicht mehr zu bewirken, wenn diesen an der Versäumung dieser Frist kein Verschulden trifft, oder die Fristversäumung durch einen Verfahrensverstoß seitens der Behörde bewirkt wurde. Gleiches hat für die Erhebung von Einwendungen nach rechtskräftiger Entscheidung der Angelegenheit zu gelten, wenn nachträgliche Einwendungen nach § 356 Abs. 3 leg. cit. jedenfalls nur bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorgebracht werden dürfen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. März 1997, Zl. 97/04/0030). Dies gilt selbst für den Fall der Verletzung von Ladungsvorschriften, sodaß auf diesen Vorwurf der Beschwerdeführer nicht eingegangen werden muß. Denn nach Wortlaut und Zweck der durch die Gewerberechtsnovelle 1988 geschaffenen (neuen) Regelung des § 356 Abs. 3 GewO 1973 ist mit dieser Bestimmung - nach dem Vorbild des § 107 Abs. 2 WRG - der endgültige Ausschluß auch solcher Nachbarn verbunden, die ohne ihr Verschulden daran gehindert waren, früher Einwendungen vorzubringen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 3. September 1996, Zl. 94/04/0257).

Haben nun die Beschwerdeführer solcherart rechtzeitig keine Einwendungen erhoben, so haben sie nach der diesbezüglich eindeutigen Regelung des § 356 Abs. 3 leg. cit. Parteistellung nicht erlangt. Da die Viert- bis Sechstbeschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nur insoweit in ihren Rechten verletzt sein könnten, als sie durch Einwendungen gemäß § 356 Abs. 3 leg. cit. Parteienrechte begründeten, war die Beschwerde bezüglich der Viert- bis Sechstbeschwerdeführer mangels Beschwerdeberechtigung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

II.

Gemäß § 81 GewO 1994 bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

Gemäß § 44 Abs. 6 AWG in der Fassung BGBl. Nr. 155/1994 bedürfen Anlagen gemäß der §§ 28 bis 30 keiner Genehmigung nach diesem Bundesgesetz, wenn am 1. Juli 1990 auch nur ein nach der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage erforderliches Genehmigungs-, Bewilligungs- oder Anzeigeverfahren anhängig oder rechtskräftig abgeschlossen war. Weitere nach der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage erforderliche Genehmigungs-, Bewilligungs- oder Anzeigeverfahren, die am 1. Juli 1990 anhängig waren oder nach diesem Zeitpunkt anhängig gemacht wurden, sind nach den bisherigen Rechtsvorschriften abzuführen.

Anders als nach der für das - von den Beschwerdeführern herangezogene - Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. März 1995, Zl. 91/12/0187, maßgeblichen Rechtslage vor der AWG-Novelle 1994 ist es nunmehr für die Frage, ob durch ein am 1. Juli 1990 anhängiges oder rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren im Sinne des § 44 Abs. 6 AWG die Genehmigungspflicht einer Anlage gemäß den §§ 28 bis 30 AWG ausgeschlossen wird, ohne Belang, ob dieses Verfahren spezifisch abfallrechtliche Normen der Länder bzw. des Bundes vor Inkrafttreten des AWG zum Gegenstand hatte. Vielmehr wird die Genehmigungspflicht gemäß den §§ 28 bis 30 AWG bereits dadurch ausgeschlossen, daß "auch nur ein" der bis zum 1. Juli 1990 erforderlichen Verfahren zu diesem Zeitpunkt anhängig oder rechtskräftig abgeschlossen war. Die Gesetzesmaterialien (Bericht des Umweltausschusses, 1494 BlgNR, XVIII. GP, 2) bemerken zur Bestimmung des § 44 Abs. 6 AWG, der Verwaltungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 28. September 1993, Zl. 91/12/0187, ausgesprochen, daß sich die Wendung "anhängige Genehmigungsverfahren" im Sinne des § 44 Abs. 6 nur auf solche Verfahren beziehe, die spezifisch abfallrechtliche Normen der Länder und des Bundes vor Inkrafttreten des AWG zum Gegenstand gehabt hätten. Die bisherige Praxis habe im Sinne der seinerzeitigen Intentionen des Gesetzgebers unter anhängigen Genehmigungsverfahren im Sinne des § 44 Abs. 6 AWG auch gewerberechtliche und wasserrechtliche Verfahren verstanden. Es seien daher von den zuständigen Behörden Genehmigungen erteilt worden, die zusätzliche Einholung einer AWG-Genehmigung für diese Anlagen würde einen sehr großen Verwaltungsaufwand bedeuten und könne den zur Vollziehung berufenen Behörden nicht zugemutet werden. Überdies sei das auch den Betreibern der Anlagen nicht zumutbar, die bisher darauf vertraut hätten, daß sie über alle erforderlichen Genehmigungen für ihre Anlagen verfügten. Die Gesetzesmaterialien zeigen also, daß der Neufassung des § 44 Abs. 6 AWG Antwortcharakter auf das zitierte Erkenntnis vom 28. September 1993 zukommt. Aus dem Hinweis der Beschwerdeführer auf dieses Erkenntnis läßt sich somit nichts gewinnen (vgl. zum Ganzen auch das hg. Erkenntnis vom 28. August 1997, Zl. 96/04/0068).

Da das Ansuchen der mitbeteiligten Partei (unbestritten) bereits am 8. Februar 1989 gestellt wurde, ist eine Genehmigungspflicht gemäß §§ 28 bis 30 AWG (nunmehr) jedenfalls ausgeschlossen, weshalb die von den Beschwerdeführern behauptete Unzuständigkeit nicht vorliegt. Damit geht aber auch der Vorwurf der Nichtbeachtung bautechnischer Bestimmungen nach der NÖ. Bauordnung ins Leere.

Ebenso ändert das Fehlen an der wasserrechtlichen Bewilligung nichts an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der belangten Behörde. Zur Wahrnehmung des Schutzes der Gewässer vor einer nachteiligen Einwirkung seitens gewerblicher Betriebsanlagen ist die Gewerbebehörde nämlich nur insoweit zuständig, als nicht (ohnedies) eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1984, Zl. 84/04/0018). Die wasserrechtliche Bewilligungspflicht ist im Beschwerdefall aber unstrittig. Im übrigen setzt der zweite Satzteil des § 74 Abs. 2 Z. 5 GewO 1994 das Vorliegen einer wasserrechtlichen Bewilligung (im Zeitpunkt des gewerbebehördlichen Abspruches) nicht voraus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1988, 88/04/0073).

Sofern die Beschwerdeführer unter dem Aspekt der Gassicherheitstechnik der belangten Behörde Feststellungsmängel vorwerfen, vermag dieses Vorbringen im Zuge der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof die behördlichen Feststellungen nicht in Zweifel zu setzen. Hat doch der gastechnische Amtssachverständige in Ergänzung zur mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 1993 weitere vier Auflagen bzw. Vorschreibungen vorgeschlagen (Auflagen Nr. 51 bis 54), die, worauf die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift unwidersprochen hinweist, der Hintanhaltung bzw. Begrenzung der allfälligen Auswirkungen einer Explosion der Gasanlagen dienen (Erstellung eines Sicherheitsprotokolls für die Elektroinstallationen, die Erdung der Verdichterstation und der beiden Fackeln, die Prüfung der Rohrleitungen und Armaturen auf ihre Dichtheit und Vorkehrungen im Falle von Betriebsausfällen außerhalb der Betriebszeiten). Gerade vor diesem Hintergrund ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar, daß die belangte Behörde unter entscheidungswesentlicher Verletzung von Verfahrensvorschriften zum Schluß gelangte, die Entgasungsanlage stelle eine dem Stand der Technik entsprechende Sicherheitsmaßnahme dar; zumal es die Beschwerdeführer unterlassen, darzutun, inwiefern das Urteil des Sachverständigen, wonach sich vergleichbare Entgasungsanlagen bei Sanierungsmaßnahmen schon bestehender Deponien bewährt hätten, für die Beantwortung der hier anstehenden Frage keinen Aussagewert habe. Schließlich unterlassen es die Beschwerdeführer auch darzutun, ob überhaupt im Falle einer Explosion die von den Erst- bis Drittbeschwerdeführerinnen vertretenen Personen in ihrer Gesundheit gefährdet oder unzumutbar belästigt werden könnten bzw. eine relevante Eigentumsgefährdung in Ansehung der Liegenschaft der Erstbeschwerdeführerin eintreten könnte. Die Geltendmachung anderer als eigener - wenn auch im Sinne des § 75 Abs. 2 dritter Satz GewO 1994 - subjektiv-öffentlicher Rechte steht den Nachbarn nicht zu.

Ein entscheidungswesentlicher Verfahrensmangel ist schließlich für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht darin zu erblicken, daß die in der Beschwerde genannte "Studie des Institutes für Umwelthygiene Dris. H" nicht beigeschafft wurde. Die Beschwerdeführer unterlassen es, die Wesentlichkeit eines allenfalls darin gelegenen Verfahrensmangels darzutun, nämlich (in konkretisierter Form) aufzuzeigen, daß diese Studie - obwohl von den Beschwerdeführern zugestanden wird, sie stelle auf die konkrete Situation des Beschwerdefalles nicht ab - die mangelde Schlüssigkeit der in der Beschwerde genannten "Schätzungen und Hochrechnungen" darlegen könnte. Aus gleichartigen Überlegungen ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, weshalb mangels Beischaffung dieser Studie der "Stand der Technik im Sinne der Gewerbeordnung" nicht habe ermittelt werden können; dabei ist auch anzumerken, daß aus der Bestimmung des § 77 Abs. 3 - sofern mit diesem Beschwerdevorbringen (auch) eine Begrenzung von Luftschadstoffen nach dem Stand der Technik angesprochen werden sollte - sich kein subjektives Nachbarrecht ergibt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. Februar 1990, Zlen. 89/04/0089, 0090).

Die Beschwerde hinsichtlich der Erst- bis Drittbeschwerdeführerinnen erweist sich somit im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auch § 53 Abs. 1 letzter Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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