VwGH 95/03/0005

VwGH95/03/000514.6.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der A in N, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 24. Oktober 1994, Zl. 19/147-3/1993, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 12.800 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin im Instanzenzug schuldig erkannt, sie habe am 14. April 1993 um

16.54 Uhr als Lenkerin eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kfz auf der Autobahn A 13 im Gemeindegebiet von Innsbruck, Höhe "Zenzenhof", in Fahrrichtung Norden die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 48 km/h überschritten. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 begangen, weshalb gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Strafe von 3.000 S verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Berufung gegen das Straferkenntnis hatte die Beschwerdeführerin vorgebracht, sie habe am 14. April 1993 die Autobahn A 13 befahren, sich jedoch an die Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten. Es liege eine Verwechslung vor. Sie sei nämlich seinerzeit von einer Polizeistreife (Motorrad) eingeholt und angehalten worden. Der Polizist habe sodann die Insassen des Fahrzeuges angesehen, sich entschuldigt und mitgeteilt, daß er sich geirrt habe. Andernfalls hätte der Beamte sicher eine Amtshandlung vorgenommen. Der Beschwerdeführerin und den weiteren drei Fahrzeuginsassen sei aufgefallen, daß sie von einem gleichartigen Fahrzeug sehr schnell überholt worden seien. Zu diesem Vorbringen bot die Beschwerdeführerin die drei Fahrzeuginsassen als Zeugen an.

Im Berufungsverfahren wurde die schriftliche Stellungnahme des Meldungslegers, Rev.Insp. E eingeholt. Nach dieser Stellungnahme sei am 14. April 1993 auf der A 13 eine Lasermessung durchgeführt worden, bei der zwei Kfz gemessen worden seien, welche die Autobahn mit stark überhöhter Geschwindigkeit in nördlicher Richtung befahren hätten. Die Beschwerdeführerin habe im Gegensatz zum zweiten Fahrzeug nicht angehalten werden können. Der Lenker des zweiten Fahrzeuges sei ebenfalls zur Anzeige gebracht worden; dieser Lenker habe bei seiner Anhaltung das Kennzeichen der Beschwerdeführerin mittels eines Diktiergerätes festgehalten - dieses Kennzeichen habe mit den Aufzeichnungen des Meldungslegers übereingestimmt - und den Meldungsleger gefragt, ob auch der Lenker des anderen Fahrzeuges zur Anzeige gebracht werde. Der Beschwerdeführerin sei damals eine Krad-Streife nachgefahren, habe sie aber wegen stark überhöhter Geschwindigkeit nicht einholen können, weshalb "keine Nationale und keine Rechtfertigung" festgehalten worden seien.

Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin, der die Stellungnahme des Meldungslegers übermittelt worden sei, habe sich in ihrem Antwortschreiben inhaltlich nicht mit dieser befaßt. Aufgrund der Stellungnahme des Meldungslegers stehe fest, daß die von der Beschwerdeführerin vermutete Verwechslung nicht vorliege.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt die Beweiswürdigung der belangten Behörde der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle in der Richtung, ob der Sachverhalt genügend erhoben wurde und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, das heißt, ob sie ua den Denkgesetzen und dem menschlichen Erfahrungsgut entsprechen.

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde besteht im gegenständlichen Fall darin, daß sie der Darstellung des Meldungslegers deshalb folge, weil sich die Beschwerdeführerin nach Vorhaltung dieser Darstellung in ihrem Antwortschreiben inhaltlich nicht mit ihr befaßt habe. Die belangte Behörde hatte die von Meldungsleger eingeholte schriftliche Auskunft der Beschwerdeführerin zur Stellungnahme übermittelt, worauf sie ihren Antrag auf Einvernahme der von ihr angebotenen Zeugen wiederholte. Dies kann aber nur so verstanden werden, daß sie ihr in der Berufung dargestelltes Sachverhaltsvorbringen, zu welchem die Zeugen angeboten waren, aufrecht halte. Bei dieser Sachlage erweist sich aber die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht als schlüssig.

Weiters ist darauf zu verweisen, daß die Verantwortung der Beschwerdeführerin in sich widerspruchsfrei ist. Unter der Voraussetzung, daß sowohl die Meldung des Sicherheitswachebeamten einschließlich seiner ergänzenden Berichte als auch die Verantwortung des Beschuldigten in sich widerspruchsfrei sind, darf nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 26. Juni 1978, Slg. N.F. 9602/A) die Behörde nicht davon ausgehen, daß allein die Eigenschaft des nicht als Zeugen vernommenen Meldungslegers als Organ der öffentlichen Sicherheit schon ausreicht, den leugnenden Beschuldigten der ihm zur Last gelegten Tat überführt anzusehen. In einem solchen Fall ist vielmehr der Meldungsleger als Zeuge einzuvernehmen.

Zu Recht rügt die Beschwerdeführerin auch als Verletzung von Verfahrensvorschriften, daß die belangte Behörde die angebotenen Zeugen nicht einvernommen hat. Beweisanträge dürfen nur abgelehnt werden, wenn Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 304f zitierte hg. Judikatur). Auch nach der Darstellung des Meldungslegers ist eine "Krad-Streife" auf einem Motorrad der Beschwerdeführerin gefolgt. Sollte dieser entgegen der Darstellung des Meldungslegers die Beschwerdeführerin angehalten und von einem Irrtum gesprochen haben, so stellte dies ein Indiz für die von der Beschwerdeführerin behauptete Verwechslung dar, welches der belangten Behörde weitergehende Ermittlungen zur Pflicht machen würde.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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