VwGH 95/01/0396

VwGH95/01/039627.3.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Stöberl und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde

1. des PK und 2. der FK, beide in L, beide vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 31. Juli 1995,

Zlen. 4.273.278/20-III/13/95 (Erstbeschwerdeführer), und 4.273.278/21-III/13/95 (Zweitbeschwerdeführerin), betreffend Feststellung gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnC Z5;
AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnC Z5;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- und der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird jeweils abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer, ein Ehepaar rumänischer Staatsangehörigkeit, die am 27. Februar 1989 in das Bundesgebiet eingereist waren, waren mit Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 14. September 1989 (Erstbeschwerdeführer) und vom 19. September 1989 (Zweitbeschwerdeführerin) als Flüchtlinge im Sinne des Asylgesetzes (1968) anerkannt worden. Mit Bescheid vom 2. November 1992 stellte das Bundesasylamt hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 in Verbindung mit Artikel 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention und mit Bescheid vom 19. Jänner 1993 hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 in Verbindung mit Artikel 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention jeweils fest, daß die Beschwerdeführer das ihnen zuerkannte Recht auf Asyl verlieren. Die Bescheide der belangten Behörde vom 26. Dezember 1993 (Erstbeschwerdeführer) und vom 28. Jänner 1994 (Zweitbeschwerdeführerin), mit denen die Berufungen der Beschwerdeführer gegen die zuletzt angeführten erstinstanzlichen Bescheide abgewiesen worden waren, wurden mit den hg. Erkenntnissen vom 19. Oktober 1994, Zlen. 94/01/0261 (Erstbeschwerdeführer) und 94/01/0262 (Zweitbeschwerdeführerin), wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben. Mit den Bescheiden vom 31. Juli 1995 stellte die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 fest, daß hinsichtlich beider Beschwerdeführer der in Artikel 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention genannte Tatbestand eingetreten sei.

Gegen diese Bescheide richten sich die jeweils Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden, wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat.

Gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 verliert ein Flüchtling das Asyl, wenn festgestellt wird, daß hinsichtlich seiner Person einer der in Art. 1 Abschnitt C oder F lit. a oder c oder Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestände eingetreten ist. Auf Grund des § 5 Abs. 2 Asylgesetz 1991 ist eine Feststellung gemäß Abs. 1 mit Bescheid der Asylbehörde von Amts wegen zu treffen.

Gemäß Artikel 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet, wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiter ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.

Die belangte Behörde hat hinsichtlich beider Beschwerdeführer das Vorliegen des letztangeführten Tatbestandes angenommen. Dies hat sie betreffend den Erstbeschwerdeführer damit begründet, daß dieser im Zuge kriminalpolizeilicher Vernehmungen anläßlich seiner Beteiligung an mehreren Einbruchsdiebstählen angegeben habe, sich in den letzten Jahren wiederholt in Rumänien aufgehalten zu haben. Diese Aussagen seien von seinen Mittätern bestätigt worden. Die vom Erstbeschwerdeführer vorgelegte Ablichtung seines Reisepasses, in dem keine rumänischen Einreisestempel enthalten seien, könne nicht als Gegenbeweis herangezogen werden, weil dadurch lediglich glaubhaft gemacht werden könne, daß der Erstbeschwerdeführer dieses Dokument bei der Einreise nach Rumänien nicht benützt habe. Entgegen seiner Auffassung sei die belangte Behörde an in einem gegen ihn erlassenen Strafurteil enthaltene Feststellungen - hinsichtlich seines Aufenthaltes zu bestimmten Zeitpunkten - nicht gebunden. Durch diese regelmäßige Reisetätigkeit habe der Erstbeschwerdeführer jedenfalls dokumentiert, daß er sich zumindest subjektiv nicht mehr davor fürchte, der Hoheitsgewalt seines Heimatstaates ausgeliefert zu sein. Daher könne er es nicht weiterhin ablehnen, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen.

Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin hat die belangte Behörde zunächst die Ausführungen in ihrem Bescheid vom 28. Jänner 1994 zum Inhalt des angefochtenen Bescheides gemacht. In diesen Darlegungen war die belangte Behörde davon ausgegangen, daß auch die Zweitbeschwerdeführerin durch ihre regelmäßige Reisetätigkeit nach Rumänien - hiebei sah es die belangte Behörde als erwiesen an, daß sich die Zweitbeschwerdeführerin in den letzten Jahren wiederholt mit ihren Eltern und ihrem Kind in Rumänien getroffen habe - zu erkennen gegeben habe, sich zumindest subjektiv nicht mehr davor zu fürchten, der Hoheitsgewalt ihres Heimatlandes ausgeliefert zu sein. Ergänzend führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, die Behauptung der Zweitbeschwerdeführerin, sich bloß im Niemandsland aufgehalten zu haben, entbehre jeder Plausibilität, weil die Zweitbeschwerdeführerin - im Hinblick auf die in Rumänien bestehende Reisefreiheit - eher ihre Verwandten nach Ungarn bestellt hätte. Die Aussage des Erstbeschwerdeführers, er sei mit ihr nach Rumänien gereist, könne entgegen ihrer Ansicht nicht als unzutreffend bezeichnet werden, weil es im Interesse des Erstbeschwerdeführers gelegen sein müsse, daß die Zweitbeschwerdeführerin als seine Frau in Österreich über einen Aufenthaltstitel verfüge, weshalb eine in dieser Hinsicht selbstschädigende falsche Aussage des Erstbeschwerdeführers nicht vermutet werden könne. Aus der in der Berufung vorgenommenen Einschränkung, wonach die Zweitbeschwerdeführerin bloß "in jüngster Zeit" nicht in Rumänien gewesen sei, könne für sie nichts gewonnen werden, weil daraus nicht geschlossen werden könne, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft seien mittlerweile wieder eingetreten.

Die belangte Behörde hat somit in beiden angefochtenen Bescheiden den von ihr festgestellten Eintritt des in Artikel 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestandes darauf gegründet, daß bei den Beschwerdeführern die subjektive Furcht, in ihrem Heimatstaat verfolgt zu werden, nicht mehr gegeben sei. Wohl kann der Wegfall subjektiv empfundener Furcht allenfalls ein Indiz dafür sein, daß auch objektiv kein asylrechtlich relevanter Verfolgungsgrund mehr vorliegt, doch kann entgegen der Auffassung der belangten Behörde die subjektiv empfundene Furcht eines Flüchtlings vor Verfolgung allein nicht als einer der in Artikel 1 Abschnitt C Z. 5 Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Umstände gewertet werden. Diese Umstände sind gemäß dem Wortlaut der angeführten Konventionsstelle solche, auf Grund deren der Asylwerber als Flüchtling anerkannt worden ist. Gemäß Artikel 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention kann als Flüchtling nur angesehen werden, wer BEGRÜNDETE Furcht vor Verfolgung aus näher dargestellten Gründen glaubhaft macht; bloß subjektiv empfundene Furcht reicht für die Anerkennung als Flüchtling somit nicht aus. Schon aus diesem Grund können durch den Wegfall des subjektiven Furchtempfindens eines Flüchtlings allein die in Artikel 1 Abschnitt C Z. 5 dieser Konvention angeführten Voraussetzungen noch nicht als erfüllt angesehen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, daß es sich bei den Umständen im Sinne dieser Konventionsstelle insbesondere um solche handeln muß, die sich auf grundlegende, die in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention angeführten Fluchtgründe betreffende Veränderungen im Heimatstaat des Flüchtlings beziehen, auf Grund deren angenommen werden kann, daß der Anlaß für die - begründete - Furcht vor Verfolgung nicht mehr länger besteht (vgl. auch das Handbuch des Amtes des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 1979, Rdz. 135). Davon, daß solche Veränderungen im Heimatland der Beschwerdeführer eingetreten wären, ist die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden aber nicht ausgegangen. Sie hat auch nicht den Eintritt des Tatbestandes nach Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Konvention festgestellt.

Da die belangte Behörde sohin die Rechtslage verkannt hat, hat sie die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb diese gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden mußten.

Der Ausspruch über die Aufwandersätze gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die jeweils über das gesetzlich gebotene Ausmaß (je zwei Ausfertigungen der Beschwerden, je eine Ausfertigung der angefochtenen Bescheide) hinausgehend verzeichneten Stempelgebühren.

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