VwGH 95/01/0092

VwGH95/01/00926.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der K in M, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. März 1995, Zl. 4.274.464/16-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. März 1995 wurde in Erledigung der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 3. Juli 1989 ausgesprochen, daß Österreich der Beschwerdeführerin - einer rumänischen Staatsangehörigen, die am 11. März 1989 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 13. März 1989 den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin hat bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 17. März 1989 hinsichtlich ihrer Fluchtgründe angegeben, der ungarischen Minderheit in Rumänien anzugehören und dieses Land mit ihrer Familie verlassen zu haben, weil man dort "kein ordentliches Leben führen kann". Sie hätten an Sonn- und Feiertagen arbeiten müssen, aber nur 70 % ihres Gehaltes bekommen, "da man Bukarest aufbauen mußte". Ceausescu mache in diesem Land, was er wolle. Das Dorf, in dem sie geboren worden sei, werde demnächst dem Erdboden gleichgemacht. Verfolgungen in Rumänien sei sie nicht ausgesetzt gewesen und auch nicht von der Miliz belästigt oder vorgeladen worden. Rumänien habe sie verlassen, da sie "in einem freien Land ein ordentliches Leben" gemeinsam mit ihrer Familie "leben möchte". Außerdem habe sie ihren Gatten "nicht allein gehen lassen" wollen. Weitere Gründe könne sie nicht anführen.

Die belangte Behörde hat richtig erkannt, daß sich diesem Sachverhalt keine konkreten, im zeitlichen Konnex zu ihrer (der Aktenlage nach bereits am 14. März 1988 erfolgten) Ausreise stehenden, individuell gegen sie gerichteten und die Intensität einer Verfolgung im Sinne der asylrechtlichen Vorschriften entsprechenden Maßnahmen entnehmen ließen, die mit den im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 taxativ aufgezählten Gründen im Zusammenhang gestanden wären. Auch wenn sich, dem Beschwerdevorbringen folgend, die Anordnung der Sonn- und Feiertagsarbeit und der verminderten Lohnzahlung nur auf die Angehörigen der ungarischen Minderheit bezogen hätte, fehlte es an der für die Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung erforderlichen Intensität der Maßnahme, durch die ein weiterer Verbleib in ihrem Heimatland für die Beschwerdeführerin unerträglich gewesen wäre. Abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin davon nicht unmittelbar betroffen gewesen wäre, weil sie der Aktenlage nach dort nicht mehr gelebt hat, behauptet sie auch gar nicht, daß der Plan, ihren Geburtsort zu zerstören, in der Folge tatsächlich verwirklicht worden sei bzw. noch weiterhin bestehe.

Die Beschwerdeführerin rügt, daß die belangte Behörde davon ausgegangen sei, daß keiner der im § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 genannten Fälle, auf Grund derer eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen gewesen wäre, vorliege, und sie daher gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. ihrer Entscheidung lediglich das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde gelegt hat. Daß aber das Ermittlungsverfahren, betreffend die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft, im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 (in der bereinigten Fassung nach der Kundmachung BGBl. Nr. 610/1994) mangelhaft gewesen sei, hat die Beschwerdeführerin nicht hinreichend dargetan. Ihrer Ansicht nach habe die belangte Behörde übersehen, daß ihre Fluchtgründe mit denen ihres Mannes in einem engen Zusammenhang stünden und sie sich daher in ihrer Berufung auch ausdrücklich auf dessen Ausführungen in seiner Berufung bezogen habe. Da in den totalitären Staaten bekanntermaßen im Falle von Verfolgungshandlungen gegen eine Person auch deren Familie betroffen sei, hätte die belangte Behörde - so die Beschwerdeführerin - auch auf die von ihrem Gatten geltend gemachten Asylgründe einzugehen gehabt. Die belangte Behörde hätte jedenfalls das Vorbringen ihres Gatten beachten müssen, der durch Jahre hindurch von der Geheimpolizei Securitate gezwungen worden sei, unentgeltlich Kürschnerarbeiten durchzuführen, womit ihre Familie wirtschaftlich und psychisch in den Ruin getrieben worden sei. Ihr Gatte sei der Securitate und ihren Drohungen und Erpressungen derart ausgeliefert gewesen, daß er sich nur durch Flucht hievon habe befreien können. Ungeachtet der Frage, ob aus diesem Vorbringen abgeleitet werden könnte, es habe sich hiebei um Verfolgungshandlungen aus Gründen der Nationalität (oder einem der anderen maßgeblichen Gründe) gehandelt und diesen sei auch die Beschwerdeführerin ausgesetzt gewesen, ist ihr entgegenzuhalten, daß zentrale Entscheidungsgrundlage des Asylverfahrens das Vorbringen des Asylwerbers ist und es diesem obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen, ihre erstinstanzlichen Angaben jedoch einen deutlichen Hinweis in der von ihr erst in der Berufung aufgezeigten Richtung nicht enthielten. Die belangte Behörde hatte daher auf das Berufungsvorbringen nicht Bedacht zu nehmen, zumal die Beschwerdeführerin nie beanstandet hat, daß ihre (unter Beiziehung eines Dolmetschers gemachten) Angaben bei ihrer Vernehmung in der Niederschrift unrichtig oder unvollständig wiedergegeben worden seien.

Richtig ist, daß die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens auch dann anzuordnen hatte, wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung erster Instanz zugrunde gelegt wurde, in der Zwischenzeit geändert hat. Eine derartige wesentliche Änderung sei nach dem Beschwerdevorbringen nach dem Sturz des Regimes von Ceausescu im Dezember 1989 eingetreten, indem sich "die Situation der ungarischen Minderheit im allgemeinen in keiner Weise verbessert, sondern in weiten Bereichen verschlechtert" habe. Vor diesem Hintergrund, insbesondere auf Grund der Tatsache, daß die Strukturen der Securitate gleichgeblieben seien, seien auch die Asylanträge der Beschwerdeführerin und ihres Gatten zu beurteilen. Im Falle ihrer Rückkehr wären beide "denselben Leuten in Rumänien ausgesetzt", deren Verfolgungshandlungen sie zur Flucht bewogen hätten. Auch insoweit geht die Beschwerdeführerin - im Widerspruch zu dem von ihr im erstinstanzlichen Verfahren geschilderten und von der belangten Behörde als erwiesen angenommenen Sachverhalt - von in der Vergangenheit gegen sie selbst vorgenommenen Verfolgungshandlungen seitens der Securitate, die sich nun wiederholen würden, aus. Was aber die allgemeine Lage der ungarischen Minderheit in Rumänien im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, die Rückschlüsse auf die konkrete Situation der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland ermöglichten, anlangt, so wäre es ebenfalls an der Beschwerdeführerin gelegen gewesen, diesbezüglich, insbesondere auch in bezug auf eine maßgebliche Verschlechterung der Verhältnisse, schon im Verwaltungsverfahren von sich aus ein geeignetes Vorbringen zu erstatten. Wenn sie dies nunmehr nachzuholen versucht, so muß dieses Vorbringen als unzulässige Neuerung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unberücksichtigt bleiben.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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