VwGH 95/01/0040

VwGH95/01/004027.3.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des D in L, vertreten durch die Landeshauptstadt Linz (der Magistrat - Amt für Jugend und Familie), diese vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 18. Jänner 1995, Zl. 4.345.607/1-III/13/95, betreffend Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages im Asylverfahren (hg. Zl. 95/01/0040), und vom 26. Jänner 1995, Zl. 4.345.607/2-III/13/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung im Asylverfahren (hg. Zl. 95/01/0043), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §151;
ABGB §865;
AsylG 1968 1991 §13 Abs2;
AsylG 1991 §13 Abs1;
AsylG 1991 §13 Abs2;
AVG §10 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs1;
AVG §9;
ZustG §9 Abs1;
ABGB §151;
ABGB §865;
AsylG 1968 1991 §13 Abs2;
AsylG 1991 §13 Abs1;
AsylG 1991 §13 Abs2;
AVG §10 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs1;
AVG §9;
ZustG §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. Oktober 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen der "Jugosl. Föderation", der am 24. September 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist - vom 27. September 1994 auf Gewährung von Asyl gemäß § 3 Asylgesetz 1991 abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Jugendwohlfahrtsträger (Landeshauptstadt Linz, der Magistrat - Amt für Jugend und Familie) am 28. Oktober 1994 zugestellt. Mit dem am 18. November 1994 bei der Erstbehörde eingelangten, am Tag davor zur Post gegebenen Schriftsatz beantragte der Beschwerdeführer, "vertreten durch Frau Dr. S vom Amt für Jugend und Familie ..., nunmehr" vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J, der sich gemäß § 10 Abs. 2 AVG auf die erteilte Bevollmächtigung berief, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und erhob gleichzeitig Berufung gegen den Bescheid, mit welchem der Asylantrag abgewiesen worden war. Mit dem am 9. Dezember 1994 per Telefax an die Erstbehörde übersandten Schriftsatz genehmigte der Jugendwohlfahrtsträger die Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages und der Berufung durch den vom Beschwerdeführer selbst gewählten Vertreter.

Die belangte Behörde hat mit Bescheid vom 18. Jänner 1995 die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20. Dezember 1994, mit welchem der Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen worden war, abgewiesen. Mit Bescheid vom 26. Jänner 1995 hat sie die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. Oktober 1994 als verspätet zurückgewiesen.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Zur Beschwerde gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages:

Es ist zunächst zu untersuchen, ob ein wirksamer und fristgerechter Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers vorliegt. Der Beschwerdeführer hat im Wiedereinsetzungsantrag vorgebracht, vom "negativen Asylbescheid" erst am 15. November 1994 Kenntnis erhalten zu haben, womit das hindernde Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG weggefallen sei. Ausgehend von diesem Vorbringen stand für den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 2 AVG eine Frist bis 29. November 1994 zur Verfügung. Innerhalb dieser Frist hat der Beschwerdeführer den Wiedereinsetzungsantrag, in dem er auf die Vertretung durch den Jugendwohlfahrtsträger hingewiesen hat, zur Post gegeben. Die Genehmigung der Bevollmächtigung des einschreitenden Rechtsanwaltes sowie der Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages und der Berufung erfolgte jedoch erst nach Ablauf dieser Frist.

Gemäß § 9 AVG ist die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, von der Behörde nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Der für die Vertretung von Minderjährigen im Asylverfahren maßgebliche § 13 Asylgesetz 1991 hat folgenden Wortlaut:

"(1) Asylwerber, die das 19. Lebensjahr vollendet haben, sind in Verfahren nach diesem Bundesgesetz handlungsfähig. Asylanträge können auch von unbegleiteten Fremden, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, gestellt werden.

(2) Im übrigen obliegt die Vertretung von Asylwerbern, die das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in Verfahren nach diesem Bundesgesetz dem örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträger, soweit ihre Interessen von ihrem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können."

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers können daher Fremde, die zwar das 14., nicht aber das 19. Lebensjahr vollendet haben, nur Asylanträge selbständig stellen. Für alle anderen Verfahrenshandlungen (arg: "im übrigen") bedürfen sie eines (gesetzlichen) Vertreters. Dies gilt somit auch für die Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages.

Der minderjährige Beschwerdeführer bedurfte daher auch für die Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages eines Vertreters im Sinne des § 13 Abs. 2 Asylgesetz 1991. Im vorliegenden Fall wurde die zunächst vom Beschwerdeführer selbst vorgenommene Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes durch den Minderjährigen zur Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages und einer Berufung nachträglich vom Jugendwohlfahrtsträger genehmigt. Da das Asylgesetz über die Wirkung einer derartigen nachträglichen Genehmigung keine Vorschriften enthält, sind dazu gemäß § 9 AVG die Vorschriften des bürgerlichen Rechts heranzuziehen.

Nach diesen Vorschriften (insbesondere §§ 151, 865 ABGB) ist aber das vom Beschwerdeführer selbst geschlossene Rechtsgeschäft mit dem Rechtsanwalt, das auch die Bevollmächtigung umfaßt, nicht schlechthin nichtig, sondern kann durch die ex tunc wirkende (Dittrich-Tades, ABGB33, E 25 zu § 865) Genehmigung des gesetzlichen Vertreters volle Gültigkeit erlangen (Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I10, S. 49). Aufgrund der nachträglichen Genehmigung der Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes durch den gemäß § 13 Abs. 2 Asylgesetz 1991 zur Vertretung berufenen Jugendwohlfahrtsträger wurde diese somit bereits ab ihrer Einräumung durch den Beschwerdeführer wirksam. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde liegt somit kein Fall einer erst nach Fristablauf erfolgten Erteilung einer Vollmacht vor. Der Wiedereinsetzungsantrag ist daher wirksam und rechtzeitig eingebracht worden.

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Der Beschwerdeführer begründete seinen Wiedereinsetzungsantrag im wesentlichen damit, daß er von der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, mit welchem sein Asylantrag abgewiesen worden war, an den Jugendwohlfahrtsträger keine Kenntnis hatte und daher gehindert war, rechtzeitig ein Rechtsmittel zu ergreifen.

Der belangten Behörde ist zuzustimmen, daß der Bescheid gemäß § 21 AVG und § 9 Zustellgesetz nur wirksam an den Jugenwohlfahrtsträger als Vertreter zugestellt werden konnte. Eine Zustellung auch an den Beschwerdeführer selbst ist mangels gesetzlicher Grundlage nicht erforderlich. Der Lauf der Berufungsfrist wurde somit durch die Zustellung des Bescheides an den Jugendwohlfahrtsträger in Gang gesetzt.

Verfahrenshandlungen des Vertreters sind dem Vertretenen zuzurechnen (vgl. die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I (1987), S. 245, referierte hg. Rechtsprechung). Daher ist auch das Verstreichenlassen der Berufungsfrist durch den Jugendwohlfahrtsträger dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Da der Jugendwohlfahrtsträger nach dessen Vorbringen im Verwaltungsverfahren bewußt die Berufungsfrist verstreichen ließ, weil er den erstinstanzlichen Bescheid für richtig hielt (und hält), und der Beschwerdeführer gar nicht vorbringt, daß sein Vertreter an der rechtzeitigen Einbringung einer Berufung gehindert gewesen wäre, fehlt es bereits an dieser Tatbestandsvoraussetzung des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S. 647 zitierte hg. Rechtsprechung sowie das hg. Erkenntnis vom 6. März 1996, Zlen. 95/20/0181, 0182).

Schon aus diesem Grund hat die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Da es - wie dargelegt - bereits an der Tatbestandsvoraussetzung des Vorliegens eines hindernden Ereignisses im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG fehlt, war auf das Beschwerdevorbringen zur Frage des Verschuldens (des Jugendwohlfahrtsträgers) nicht einzugehen. Der Mangel dieser Tatbestandsvoraussetzung ergibt sich bereits aus dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag. Die Unterlassung der Vernehmung der als Bescheinigungsmittel angebotenen Zeugen bewirkt daher keine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers.

Abgesehen davon, daß sich die Vertretung des Beschwerdeführers durch den Jugendwohlfahrtsträger aus dem Inhalt des unter Beiziehung eines Dolmetschers aufgenommenen Protokolls über die Erstvernehmung ergibt, hätte auch die mangelnde Kenntnis des Beschwerdeführers von der gemäß § 13 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vorgesehenen Vertretung keinen Einfluß auf die Wirksamkeit dieser Vertretung. Das Beschwerdevorbringen, der Jugendwohlfahrtsträger habe erst durch die Zustellung des den Asylantrag abweisenden Bescheides vom vorliegenden Verfahren Kenntnis erhalten, ist aktenwidrig, weil dem Jugendwohlfahrtsträger nach Ausweis der Akten bereits für die Erstvernehmung des Beschwerdeführers ein Ladungsbescheid zugestellt wurde.

Da sich die Beschwerde gegen den Bescheid vom 18. Jänner 1995 sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

2. Zur Beschwerde gegen die Zurückweisung der Berufung:

Soweit der Beschwerdeführer diesbezüglich rügt, daß aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides vom 26. Jänner 1995 weder das Datum und die Geschäftszahl des angefochtenen Bescheides noch das Datum der "abgewiesenen" Berufung ersichtlich sei, ist ihm zu entgegnen, daß aus der zur Interpretation des Spruches heranzuziehenden Begründung (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, auf S. 435 unter Punkte 10 f zitierte hg. Rechtsprechung) die vom Beschwerdeführer vermißten Angaben zu entnehmen sind.

Die im angefochtenen Bescheid enthaltene Feststellung, daß die Berufung am 9. Dezember 1994 eingebracht worden sei, steht zwar mit dem Akteninhalt, aus dem sich ergibt, daß die Berufung am 17. November 1994 zur Post gegeben wurde, im Widerspruch, doch mangelt es dieser vom Beschwerdeführer geltend gemachten Aktenwidrigkeit an der Wesentlichkeit, weil aufgrund der wirksamen Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides im Asylverfahren an den Jugenwohlfahrtsträger am 28. Oktober 1994 (siehe die Ausführungen zu 1.) auch am 17. November 1994 die Berufungsfrist bereits abgelaufen war, was der Beschwerdeführer im übrigen selbst zugesteht.

Da die belangte Behörde die Berufung somit zu Recht als verspätet zurückgewiesen hat, war die Beschwerde auch diesbezüglich gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, wobei sich ein Eingehen auf die Beschwerdeausführungen zur Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers erübrigt.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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