VwGH 94/20/0884

VwGH94/20/088423.5.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf sowie die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des G in S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. November 1994, Zl. 4.335.433/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AsylG 1991 §25 Abs2;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AsylG 1991 §25 Abs2;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 14. Februar 1992 in das Bundesgebiet ein und stellte am 28. Februar 1992 einen Asylantrag. Darin behauptete er, "aus wohlbegründeter Furcht und Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bzw. wegen seiner politischen Gesinnung" seine Heimat verlassen haben zu müssen. Infolge Drohungen von einflußreichen Gruppen sei er zum Verlassen seiner Heimat genötigt gewesen. Zur Beibringung von Urkunden, die diese Situation belegten, möge ihm eine Frist von 3 Monaten eingeräumt werden.

Bei seiner niederschriftlichen Befragung am 26. März 1992 gab er an, in der Türkei weder aus politischen, ethnischen oder religiösen Gründen verfolgt zu werden. Er sei allein deshalb geflüchtet, weil er im September 1991 in einem Lokal in Usak mit einem namentlich nicht genannten Mann wegen der unterschiedlichen politischen Standpunkte eine tätliche Auseinandersetzung gehabt habe. Dieser Mann sei Mitglied der "ANAP"-Partei gewesen und habe ihn in der Folge gefährlich bedroht.

Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde die Rechtsauffassung der in erster Instanz zuständig gewesenen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (Bescheid vom 27. März 1992), wonach dem Asylwerber die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zukomme, und wies den Antrag auf Gewährung von Asyl unter Heranziehung der Rechtslage nach dem Asylgesetz 1991 ab.

In der Begründung legte die Behörde dar, daß Gründe für eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens nach § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 nicht vorlägen, sodaß gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz auszugehen sei. Diesem lägen ohnehin als zentrales Entscheidungskriterium die Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner Einvernahme zugrunde. Danach könne aber von einer dem türkischen Staat zuzurechnenden oder von diesem gebilligten aktuellen Bedrohung des Beschwerdeführers nicht gesprochen werden. In der gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz erhobenen Berufung hatte der Beschwerdeführer lediglich geltend gemacht, daß die Behörde festzustellen gehabt hätte, daß er in der Türkei massiv bedroht worden war. Diese Bedrohung sei aber nicht von einzelnen Personen, sondern vielmehr von größeren Gruppen ausgegangen.

Über die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensbestimmungen durch die belangte Behörde geltend machende Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner Einvernahme vor der Behörde erster Instanz kann kein Sachverhalt entnommen werden, der den Schluß zuließe, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befände und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt wäre, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen (vgl. § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991, der inhaltlich keine Änderung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Asylgesetz (1968) iVm Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention gebracht hat). Bei seiner Befragung hat der Beschwerdeführer das Verlassen seines Heimatlandes lediglich mit der Auseinandersetzung vom September 1991 und den in weiterer Folge gegen ihn geäußerten Morddrohungen begründet; dies kann selbst dann eine asylrechtlich relevante Verfolgung aus Konventionsgründen nicht begründen, wenn Ursache dieser Auseinandersetzungen die unterschiedliche politische Gesinnung der Kontrahenten war. Insoweit die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung der Verfahrensvorschriften der §§ 16 und 20 Asylgesetz 1991 geltend macht, ist darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid bereits aufgrund der durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1994 (kundgemacht mit BGBl. Nr. 610/1994) bereinigten Fassung des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 erlassen hat. Der Beschwerdeführer hat weder von der Möglichkeit einer Ergänzung seines Berufungsvorbringens Gebrauch gemacht noch in seiner Beschwerdeschrift aufgezeigt, daß das Ermittlungsverfahren erster Instanz im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 mangelhaft und demnach dessen Ergänzung oder Wiederholung von der belangten Behörde anzuordnen gewesen wäre. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in zahlreichen Erkenntnissen ausgesprochen hat, wird der Umfang der Ermittlungspflicht der Asylbehörden durch § 16 Asylgesetz 1991 bestimmt, der eine Konkretisierung der sich aus § 37 AVG iVm § 39 Abs. 2 leg. cit. ergebenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden darstellt, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen. Die Behörden haben daher im Rahmen ihrer Ermittlungspflicht allenfalls vorhandene Zweifel über den Inhalt und die Bedeutung des Vorbringens eines Asylwerbers durch entsprechende Erhebungen, insbesondere ergänzende Befragung, zu beseitigen, wenn das Vorbringen eines Asylwerbers einen hinreichend deutlichen Hinweis auf einen Sachverhalt enthält, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Konvention in Betracht kommt. Konkrete Hinweise in diesem Sinne fehlten jedoch in den Angaben des Beschwerdeführers, sodaß die Behörde ohne weiteres davon ausgehen konnte und durfte, daß die im Asylantrag pauschal aufgestellte Behauptung, er sei aus wohlbegründeter Furcht und Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bzw. wegen seiner politischen Gesinnung geflüchtet, aufgrund der Aussage des Beschwerdeführers selbst kein ausreichendes Tatsachensubstrat enthält. Die Behörde war nicht gehalten, den Beschwerdeführer zu einem asylrechtlich erfolgversprechenden Vorbringen anzuleiten. Der Beschwerdeführer verweist darauf, daß er bereits in seinem Asylantrag angeboten gehabt habe, Unterlagen über den politisch großen Einfluß der "Anap"-Partei innerhalb der Polizei und den Sicherheitskräften in der Türkei vorzulegen, weshalb es ihm verwehrt gewesen sei, in seinem Heimatland den Schutz der Behörden in Anspruch zu nehmen. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß nach dem Vorbringen im Asylantrag lediglich Urkunden zu den darin aufgestellten Behauptungen angeboten wurden, wonach er in der Türkei von nicht näher bezeichneten Gruppen massiv bedroht worden wäre, die einen nicht weiter konkretisierten Einfluß im gesamten Lande hätten. Dabei sprach der Antragsteller davon, daß er innerhalb von 3 Monaten die angesprochenen Unterlagen, deren Inhalt ebenfalls nicht weiter präzisiert wurde, beibringen werde. Wenn nun die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung vom 10. November 1994, also nach mehr als zweieinhalb Jahren von der Aufnahme dieses bislang immer nur angekündigten, nie näher präzisierten Beweismittels Abstand nahm, so kann daraus keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens abgeleitet werden, zumal § 20 Asylgesetz 1991 (auch in der Fassung vor Kundmachung des vorerwähnten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes) die Vorlage erst nachträglich erhaltener Urkunden im Berufungsverfahren nicht ausgeschlossen hätte. Dem Umstand, daß der Beschwerdeführer seine Berufungsschrift gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz noch vor der genannten, am 5. August 1994 erfolgten Kundmachung BGBl. Nr. 610/1994 erheben mußte, kommt also im vorliegenden Fall keine Bedeutung zu, zumal weder das Vorliegen eines anderen als "offenkundigen" Mangels des erstinstanzlichen Verfahrens aufgezeigt noch die Wesentlichkeit eines solchen dargetan wird. Liegen aber die Voraussetzungen für eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens im Sinn des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 nicht vor, hat die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 die Ermittlungsergebnisse des Verfahrens erster Instanz ihrer Entscheidung zugrundezulegen (vgl. hg. Erkenntnisse vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803 und die dort wiedergegebene Judikatur).

Letztlich wäre auch dem Berufungsvorbringen im Verwaltungsverfahren ein zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor einer staatlichen Stellen zuzurechnenden Verfolgung aus Konventionsgründen geeigneter, in zeitlicher und sachlicher Hinsicht ausreichend konkretisierter Sachverhalt nicht zu entnehmen gewesen. Selbst in der Beschwerdeschrift wird zugestanden, daß die behaupteten gefährlichen Drohungen nicht von staatlichen Stellen direkt ausgegangen sind. Auf die in der Beschwerde erstmals näher konkretisierten Behauptungen, wonach der Beschwerdeführer wegen seiner politisch anders lautenden Gesinnung von der in der Türkei maßgeblichen politischen Partei "Anap" verfolgt werde, die die Sicherheitsbehörden unter Kontrolle habe und deshalb der Staat nicht in der Lage wäre, den Beschwerdeführer vor dieser Verfolgung zu schützen, ist schon wegen des im Verwaltungsgerichtshofverfahrens geltenden Neuerungsverbotes (§ 41 Abs. 1 VwGG) nicht weiter einzugehen.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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