VwGH 94/20/0532

VwGH94/20/053210.10.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, 1. über den Antrag des HS in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. November 1993, Zl. 4.342.920/1-III/13/93, betreffend Asylgewährung, und 2. in dieser Beschwerdesache den Beschluß gefaßt:

Normen

B-VG Art144 Abs3;
VwGG §26 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
B-VG Art144 Abs3;
VwGG §26 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer brachte am 7. März 1994 eine Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG beim Verfassungsgerichtshof ein, die mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und dem Eventualantrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof verbunden war.

Die Beschwerde richtete sich gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. November 1993, dem Beschwerdeführer zugestellt am 30. November 1993. Nach dem Aufbau der Beschwerdeschrift steht zu Beginn der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, DER NICHT AN EIN BESTIMMT BEZEICHNETES GERICHT gerichtet wird. Im Punkt II der Beschwerdeschrift wird die BESCHWERDE AN DEN VERFASSUNGSGERICHTSHOF gemäß Art. 144 B-VG ausgeführt und schließlich der Eventualantrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gestellt.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 13. Juni 1994, Zl. B 410/94-6, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Begründung dieses Beschlusses wird ausgeführt, die (nicht auf das Vorliegen sämtlicher Prozeßvoraussetzungen geprüfte) Beschwerde rüge die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen. Die Sache sei auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen. Demgemäß sei beschlossen worden, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, ohne daß auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe eingegangen werden müssen.

Vorweg ist aus den im hg. Beschluß vom 29. April 1993, Zlen. 92/12/0282 und 93/12/0017, genannten Gründen - ohne Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung - über den in der abgetretenen Beschwerde enthaltenen Wiedereinsetzungsantrag abzusprechen. Der Wiedereinsetzungsantrag ist NICHT AUSDRÜCKLICH AN DEN VERFASSUNGSGERICHTSHOF GERICHTET, sodaß vor meritorischer Behandlung der Beschwerde die Prozeßvoraussetzung der Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung JEDENFALLS vom Verwaltungsgerichtshof zu prüfen ist (vgl. auch die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1992, Zl. 92/18/0424, vom 16. Dezember 1992, Zlen. 92/02/0273 und 0274, und vom 29. April 1993, Zlen. 92/12/0282 und 93/12/0017).

In dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß die Zustellung des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 11. November 1993 erstmals am 30. November 1993 angekündigt und dieser dann hinterlegt worden sei. Der Beschwerdeführer habe mit der im Hausbrieffach vorgefundenen Hinterlegungsanzeige im Postamt 1150 die Behebung versucht, doch sei ihm der Bescheid nicht ausgefolgt worden, weil er weder im Besitz eines Reisepasses noch eines sonstigen Personalausweises gewesen sei. Er habe die Behebung 4x versucht (zuletzt mit einem Freund, welcher im Besitz eines Reisepasses gewesen sei), 3x sei die Ausfolgung verweigert worden, beim 4. Mal sei die Hinterlegungsfrist bereits abgelaufen gewesen. Mangels ausreichender Deutschkenntnisse sei der Beschwerdeführer im Unklaren geblieben, um welche Art von Schriftstück es sich handelte. Er sei deshalb erstmalig durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter am 22. Februar 1994 davon in Kenntnis gesetzt worden, daß es sich um den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. November 1993 gehandelt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bereits der Asylantrag vom 20. April 1993 trägt folgende

Adressenbezeichnung des Beschwerdeführers:

SH

Korrespondenzadresse:

F - Sozialdienst

z.Hd. Dr. D

K-Gasse 33/13

in W

ind. StA

Das Bundesasylamt hat in der Folge eine Ladung an die genannte Adresse zugestellt, welcher der Beschwerdeführer am 12. Mai 1993 nachkam (wobei ihm eine neue Ladung für den 13. Mai 1993 persönlich übergeben wurde). Auch der Bescheid des Bundesasylamtes wurde an die obzitierte Adresse zugestellt.

Die dagegen erhobene Berufung trägt die gleiche Adressenbezeichnung wie der Asylantrag. Dennoch adressierte die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nicht an diese Adresse, sondern an:

SH

B-Gasse 32/3-4

in W.

Gemäß § 10 AVG können sich die Beteiligten auch nur hinsichtlich des Zustellvorganges vertreten lassen, indem sie eine andere Person als Zustellbevollmächtigten namhaft machen. Von der Vorlage einer Vollmacht kann gemäß § 10 Abs. 4 AVG abgesehen werden, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.

Im gegenständlichen Fall ist unzweifelhaft, ob der - aus vielfachen fremdenrechtlichen Verfahren bekannte - Funktionär der Organisation "F - Sozialdienst" vom Beschwerdeführer als Zustellbevollmächtigter namhaft gemacht wurde. Aus den genannten Zustellvorgängen des Bundesasylamtes ergibt sich, daß das Bundesasylamt offenbar von der Bestimmung des § 10 Abs. 4 AVG Gebrauch gemacht hat und die Zustellvollmacht ohne Vorlage einer ausdrücklichen Vollmacht akzeptiert hat.

Hätte hingegen die belangte Behörde ihrerseits begründete Zweifel gehabt, ob die Zustellvollmacht erteilt wurde, so hätte sie zur Behebung des Formmangels gemäß § 13 Abs. 3 AVG vorgehen müssen. Keinesfalls durfte sie jedoch die Namhaftmachung des Zustellbevollmächtigten einfach übergehen und direkt an den Beschwerdeführer zustellen.

Gemäß § 9 Abs. 1 ZustellG hat die Behörde (sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist), den namhaft gemachten Zustellbevollmächtigten als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Der an den Beschwerdeführer selbst adressierte angefochtene Bescheid wurde sohin NICHT WIRKSAM ZUGESTELLT (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, auf S. 1185 und 1187 zitierte hg. Rechtsprechung). Aus dem vorgelegten Akt ist auch ersichtlich, daß die belangte Behörde keinen weiteren Zustellversuch unternommen hat, und der angefochtene Bescheid dem Zustellbevollmächtigten Dr. D oder dem nunmehr bevollmächtigten Vertreter Dr. P auch in anderer Weise im Original nicht zugekommen ist, da sich das Kuvert des betreffenden Zustellvorganges (Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist 30. November 1993) nach dessen Rückleitung an den Absender original verschlossen im Akt befindet. Somit scheidet die Heilung des Zustellmangels iSd. § 9 Abs. 1, 2. Satz ZustG ebenfalls aus.

Der angefochtene Bescheid ist daher nicht rechtswirksam erlassen, weshalb die Beschwerdefrist noch nicht zu laufen begann und demgemäß auch nicht versäumt werden konnte. Somit war dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattzugeben.

Die gleichzeitig eingebrachte, vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 13. Juni 1994, Zl. B 410/94-6, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene ergänzte Beschwerde war daher mangels bekämpfbaren Bescheides gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluß zurückzuweisen, zumal die Bestimmung des § 26 Abs. 2 VwGG über die vorzeitige Beschwerdeerhebung nur dann zur Anwendung gelangen kann, wenn der angefochtene Bescheid überhaupt erlassen, also einer Partei zugestellt oder verkündet worden ist (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 187, zitierte

hg. Rechtsprechung).

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