VwGH 94/20/0402

VwGH94/20/040226.7.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Mai 1994, Zl. 4.331.598/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §19 Abs1;
B-VG Art140 Abs1;
AsylG 1991 §19 Abs1;
B-VG Art140 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben am 29. Jänner 1991 (Einreisestempel laut Reisepaß jedoch 25. Jänner 1991) in das Bundesgebiet ein. Er beantragte am 13. Februar 1991, daß ihm Asyl gewährt werde.

Er führte in seinem schriftlich gestellten Asylantrag Fluchtgründe an. Die Bundespolizeidirektion Wien, Büro für Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten, lud den Beschwerdeführer zur Einvernahme für den 23. Oktober 1991 im Wege seiner ausgewiesenen Vertreterin vor. Sein Nichterscheinen wurde am Nachmittag desselben Tages durch diese telefonisch entschuldigt. Es wurde der 29. Oktober 1991 als neuer Einvernahmetermin vereinbart. Zu diesem Termin erschien der Beschwerdeführer im Beisein seiner Vertreterin, entfernte sich jedoch nach Zuwarten von einer Stunde vor der Einvernahme. Die Bundespolizeidirektion Wien, Büro für Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten, lud den Beschwerdeführer im Wege seiner ausgewiesenen Vertreterin neuerlich zur Einvernahme für den 9. Dezember 1991. In den genannten Ladungen wies die Bundespolizeidirektion darauf hin, daß es notwendig sei, daß der Beschwerdeführer hiezu persönlich in das Amt komme. Der in der Ladung ursprünglich maschingeschriebene Tag

9. Dezember 1991 wurde handschriftlich auf den 6. Dezember 1991 ausgebessert, was den Angaben des Beschwerdeführers entspricht, daß der Termin telefonisch vom 9. Dezember 1991 auf den 6. Dezember 1991 vorverlegt wurde. Der Beschwerdeführer leistete dieser Ladung keine Folge.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

In seiner dagegen erhobenen Berufung - welche aufgrund eines durch Zukommen des Originalbescheides an die ausgewiesene Vertreterin am 7. Jänner 1992 geheilten Zustellmangels als rechtzeitig anzusehen war - wiederholt der Beschwerdeführer einerseits die bereits im Asylantrag ausgeführten Fluchtgründe und gibt andererseits an, daß er den letzten Ladungstermin deshalb nicht habe wahrnehmen können, weil ihn die Berichtsschreiben seiner ausgewiesenen Vertreterin nicht erreicht hätten.

Die belangte Behörde wies den Asylantrag des Beschwerdeführers - anders als die Erstbehörde - gemäß § 19 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ab, weil der Beschwerdeführer der zu Handen seiner rechtsfreundlichen Vertreterin am 19. November 1991 zugestellten Ladung für den 6. Dezember 1991 ohne vorhergehende Entschuldigung nicht nachgekommen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der neben der Wiederholung der bereits in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof vorgebrachten Verletzungen verfassungsgesetzlich geschützter Rechte sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Insoweit der Beschwerdeführer die Verletzung verfassungsgesetzlich geschützter Rechte rügt, ist er auf den zu seiner Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zur Zl. B 1370/94-4 vom 28. Februar 1995 ergangenen Beschluß zu verweisen, mit welchem die Behandlung der Beschwerde abgelehnt wurde. Des weiteren ist er auf das im genannten Beschluß zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 1994, B 1219/93 u.a. zu verweisen, demzufolge eine auf § 19 Abs. 1 Asylgesetz 1991 gestützte negative Erledigung bei verfassungskonformer Auslegung als bloße Zurückweisung des Asylantrages zu verstehen ist, sohin an der Verfassungsmäßigkeit des § 19 Abs. 1 Asylgesetz 1991 kein Zweifel besteht.

Die Beschwerde bezweifelt jedoch auch die Anwendbarkeit des § 19 Abs. 1 AsylG 1991. Mit dieser Auffassung ist der Beschwerdeführer im Recht. Der Verwaltungsgerichtshof ist in ständiger Rechtsprechung der Ansicht, daß im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltende Recht anzuwenden ist, es sei denn, eine Übergangsbestimmung enthalte anderes oder es wäre darüber abzusprechen, was zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem konkreten Zeitraum Rechtens war (vgl. Verwaltungsgerichtshof, verstärkter Senat, vom 4. Mai 1977, Slg. 9315 A; vom 15. Juni 1987, Zl. 86/04/0010; sowie das Erkenntnis vom 26. Februar 1987, 86/08/0115, u.a.).

Im Falle der gegenständlichen Ladung für den 9. Dezember 1991 (verlegt auf den 6. Dezember 1991) und deren Nichtbefolgung ist darüber abzusprechen, was zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem konkreten Zeitraum Rechtens war. Denn der Prozeßgegenstand, das ist die die Hauptfrage bildende Angelegenheit, über die im Spruch des angefochtenen Bescheides zu entscheiden ist, wird hier durch einen Sachverhalt bestimmt, der in der Vergangenheit lag und zu einem bestimmten Zeitpunkt (hier: Ladungstermin) abgeschlossen war. Dem steht die Übergangsbestimmung des § 25 Abs. 2 AsylG 1991, wonach am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängige Verfahren nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu Ende zu führen sind, nicht entgegen, weil sie die weitere Vorgangsweise der Behörde regelt, aber bereits gesetzte und abgeschlossene Verfahrensschritte unberührt läßt.

Die belangte Behörde hatte sohin auf den Verfahrensschritt der Ladung und die Beurteilung der Folgen des nicht vorher entschuldigten Nichterscheinens jene Rechtslage anzuwenden, die im Zeitpunkt der Verwirklichung dieses Sachverhaltes bestanden hat, das war das AsylG (1968).

Daß die belangte Behörde demgegenüber bereits die Bestimmungen des AsylG 1991 angewendet hat, führte im gegenständlichen Fall aufgrund des Umstandes, daß das AsylG (1968) die Rechtsfolgen des § 19 Abs. 1 AsylG 1991 bei nicht vorher entschuldigter Nichtbefolgung einer Ladung nicht kannte, zu einer Rechtsverletzung des Beschwerdeführers, weshalb der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes infolge Anwendung einer nicht anzuwendenden Norm gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich im Umfang des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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