VwGH 94/20/0397

VwGH94/20/039721.2.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Blaschek und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des N in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Mai 1994, Zl. 4.331.280/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, der am 28. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 27. Februar 1992, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft.

Mit Bescheid vom 30. Mai 1994 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und versagte die Gewährung von Asyl.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner Ersteinvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 3. Februar 1992 angegeben, sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Rumänien aufgehalten zu haben. Die belangte Behörde hat die Abweisung seiner Berufung und damit die Versagung von Asyl, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, ausschließlich darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer auf Grund seines Aufenthaltes in Rumänien bereits in diesem Staat vor Verfolgung sicher gewesen sei, weshalb ausgehend von § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 die Gewährung von Asyl gemäß § 3 leg. cit. nicht in Betracht komme. Die belangte Behörde befaßte sich hiebei näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit", wobei sie im wesentlichen im Einklang mit der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (beginnend mit dem Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, und insbesondere dem hg. Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, die Rechtslage richtig erkannt hat.

Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerde insbesondere geltend gemacht, die von der belangten Behörde herangezogenen Beweisergebnisse reichten nicht aus, um Schutz des Beschwerdeführers vor Verfolgung in Rumänien zu belegen. Für die Beurteilung dieser Frage fehle es an entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen. Im Fall der Gewährung des Parteiengehörs zu dieser Frage wäre es dem Beschwerdeführer möglich gewesen darzutun, daß er in Rumänien nicht vor Verfolgung sicher gewesen sei.

Mit diesem Vorbringen hat der Beschwerdeführer geltend gemacht, es seien keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen worden, um annehmen zu können, Rumänien biete - wie dies die belangte Behörde allein auf Grund der Mitgliedschaft dieses Staates bei der Genfer Flüchtlingskonvention annahm - als Zufluchtsstaat von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz.

Diese Ausführungen sind nach Maßgabe der den Beschwerdeführer im Verfahren treffenden Mitwirkungspflicht ausreichend konkretisiert, um die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verletzung von Verfahrensvorschriften (Parteiengehör, Ermittlungs- und Begründungspflicht) zu erkennen. Die Mitwirkungspflicht der Partei geht nicht so weit, daß sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Verfahren ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie (hier gemäß §§ 11 und 16 Asylgesetz 1991 in Verbindung mit §§ 39, 45 und 60 AVG) verpflichtet ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1984, Zl. 81/05/0019, u.v.a.). Der Mitwirkungspflicht kommt dort Bedeutung zu, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Jänner 1987, Zl. 86/11/0044, und vom 27. April 1993, Zl. 91/08/0123). Dies trifft auf die allgemein in Rumänien beobachtete Vorgangsweise betreffend den Schutz von Flüchtlingen vor Rückschiebung in ihren Heimatstaat nicht zu. Die Pflicht eines Beschwerdeführers zur Darlegung der Wesentlichkeit von Verfahrensmängeln vor dem Verwaltungsgerichtshof geht nicht weiter als seine Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren gegangen wäre, hätte die belangte Behörde die Verfahrensvorschriften beachtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413).

Der Beschwerdeführer hat die angeführten Einwendungen zwar erstmals in der Beschwerde erhoben, doch wurde ihm im Verwaltungsverfahren - die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich ist zufolge der von ihr anzuwendenden Rechtslage des Asylgesetzes (1968) nicht von Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers in Rumänien ausgegangen - nicht Gelegenheit geboten, zur Frage der Verfolgungssicherheit in diesem Staat Stellung zu nehmen, weshalb seine Rüge, es lägen in dieser Hinsicht Verfahrensverletzungen vor, berechtigt ist. Daraus ergibt sich weiters, daß der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen nicht dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot unterliegt.

Die belangte Behörde hat somit dadurch, daß sie den angefochtenen Bescheid ohne Vorliegen von - unter dem Blickwinkel der Beschwerdeausführungen - entsprechenden Ergebnissen eines unter Wahrung des Parteiengehörs durchgeführten Ermittlungsverfahrens erlassen hat, diesen mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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