VwGH 94/19/0092

VwGH94/19/009216.6.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Ing. A in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 30. März 1993, Zl. Jv 707-5b/93, betreffend Entziehung der Eigenschaft als allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger, zu Recht erkannt:

Normen

SVDolmG 1975 §10 Abs1 Z1;
SVDolmG 1975 §2 Abs2 Z1 lite;
SVDolmG 1975 §10 Abs1 Z1;
SVDolmG 1975 §2 Abs2 Z1 lite;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zunächst ist auf das hg. Erkenntnis vom 26. April 1991, Zl. 90/18/0264, zu verweisen. Mit diesem wurde der damals angefochtene Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Nach einer Ergänzung des Beweisverfahrens entzog der Präsident des Handelsgerichtes Wien neuerlich mit Bescheid vom 26. November 1992 dem Beschwerdeführer "die Eigenschaft als allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger".

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers nicht Folge.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die belangte Behörde ging davon aus, daß der Beschwerdeführer seit mehreren Jahren ein außereheliches Liebesverhältnis zu R unterhalten habe. In dieser Zeit habe sich R ihren Lebensunterhalt teilweise durch gelegentliche Schneiderarbeiten verdient, wobei sie jedoch nicht mehr als monatlich S 5.000,-- aus diesen Einkünften bezogen habe. Etwa zu Jahresbeginn 1990 habe R die außereheliche Beziehung zum Beschwerdeführer beenden wollen. Da der Beschwerdeführer durch massiven psychischen Druck R wieder an sich binden habe wollen, habe er Eingaben wegen unbefugter Gewerbeausübung als Schneiderin beim Finanzamt, bei der Wiener Handelskammer, bei der Innung der Kleidermacher und bei der Magistratsabteilung 50, Abteilung Wohnungsbeihilfe, eingebracht. Weiters habe er R wegen Erschleichung geringer Beträge bei der Pensionsversicherungsanstalt und der Wiener Gebietskrankenkasse sowie wegen unbefugter Gewerbeausübung als Prostituierte bei der Wiener Polizeidirektion angezeigt. In dieser Eingabe habe der Beschwerdeführer um strafrechtliche Verfolgung der R ersucht. Er habe auch Kopien angeblicher Insertionsaufträge in einem verschlossenen Kuvert an R übersandt, wobei diese als Auftraggeberin eines Anzeigetextes unter Einbezug ihrer Anschrift aufgeschienen sei:

"Bist Du ein Mann und suchst das Besondere, dann komm bitte sofort zu R, ... ".

Die Inserate seien in den näher genannten Zeitungen nie erschienen; sie seien einzig und allein dazu gedacht gewesen, R mit der (Drohung ihrer) Veröffentlichung unter Druck zu setzen. Weiters habe der Beschwerdeführer einen Brief an eine Konkurrentin der R gerichtet, in dem er diese aufgefordert habe, R wegen unbefugter Gewerbeausübung bei der Gewerbebehörde anzuzeigen. Briefe mit "Warnung vor Beihilfe wegen unbefugter Gewerbeausübung" habe der Beschwerdeführer an weitere Personen gerichtet; desgleichen habe er einen derartigen Brief, in dem sie sowohl der unbefugten Gewerbeausübung als auch der Steuerhinterziehung bezichtigt worden sei, an R mit der Drohung gesandt, den Brief 500 mal in allen Briefkästen in der Wohnhausanlage zu verteilen. Ferner habe der Beschwerdeführer R mehrmals täglich mit Telefonanrufen belästigt, in denen er sie nachhaltig aufgefordert habe, das außereheliche Verhältnis fortzusetzen. Bis zum Sommer 1992 sei es dem Beschwerdeführer mehrmals in der Woche gelungen, sich in das auch tagsüber versperrte Wohnhaus der R dadurch Einlaß zu verschaffen, daß er über die Haussprechanlage andere Hausbewohner geweckt habe. In der Folge habe er durch hartnäckiges und lang andauerndes Klopfen an der Wohnungstüre R dazu zu bewegen gesucht, ihm die Türe zu öffnen. R habe schließlich die Ehegattin des Beschwerdeführers (telephonisch) kontaktiert, um diese zu bitten, dem Verhalten ihres Mannes Einhalt zu gebieten.

In rechtlicher Hinsicht kam die belangte Behörde zur Ansicht, daß die Gründe für die Entziehung der Sachverständigeneigenschaft wegen Fehlens der Eintragungsvoraussetzung des § 2 Abs. 2 Z. 1 lit. e des Bundesgesetzes über den allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher, BGBl. Nr. 137/1975, vorlägen; das in seiner Gesamtheit zu wertende Verhalten des Beschwerdeführers zeige eine Geisteshaltung und ein Persönlichkeitsbild, das schwerwiegende Charakterschwächen erkennen lasse. Daraus sei - unter Hintanstellung subjektiver Momente - unter Anlegung des gebotenen strengen Maßstabes das Fehlen der erforderlichen Vertrauenswürdigkeit abzuleiten.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer zunächst die Unterlassung der Einvernahme der in der Berufung beantragten Zeugen. Dem ist jedoch zu entgegnen, daß die Gattin sowie die Töchter des Beschwerdeführers nur zur Frage des Inhalts der mit R geführten Telefongespräche namhaft gemacht wurden. Wie der Verwaltungsgerichtshof jedoch bereits in seinem aufhebenden Erkenntnis dargelegt hat, ist ausschlaggebend, aus welchen Motiven der Beschwerdeführer gehandelt hat. Der diesbezügliche Schluß der Behörden des Verwaltungsverfahrens beruht jedoch auf dem u.a. durch andere glaubwürdige Zeugenaussagen festgestellten Gesamtverhalten des Beschwerdeführers und ist schlüssig begründet. So verweist der Beschwerdeführer noch vor dem Verwaltungsgerichtshof darauf, daß er ab Juni 1990 Frau R wiederholt angerufen und ihr von Mai bis August täglich eine rote Rose gesandt und sich mit ihr "kurz ab und zu in ihrem Vorzimmer getroffen" habe. Wenn daher die belangte Behörde aus dem von ihr festgestellten Gesamtverhalten des Beschwerdeführers den Schluß zog, ihm sei es um die Fortsetzung des Verhältnisses mit R gegangen, kann dem nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Ein wesentlicher Verfahrensmangel infolge der unterlassenen Vernehmung der beantragten Zeugen zum Inhalt der Telefongespräche vermag der Beschwerdeführer daher nicht aufzuzeigen.

Der Beschwerdeführer erblickt einen weiteren Verfahrensmangel darin, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, die Frage der Berechtigung der Anzeige an das Finanzamt aufzuklären. Auch hier liegt jedoch nach Ansicht des Gerichtshofes kein wesentlicher Verfahrensmangel vor: Er bestreitet nämlich nicht, daß andere Anzeigen, insbesondere die wegen unbefugter Gewerbeausübung als Prostituierte bei der Wiener Polizeidirektion, unberechtigt waren.

Soweit der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides geltend macht, ist er auf die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes in seinem aufhebenden Erkenntnis zu verweisen. Danach liegt

- zusammengefaßt - dann eine Vertrauensunwürdigkeit des Beschwerdeführers vor, die zum Entzug seiner Befugnis als Sachverständiger führen muß, wenn die Motive seiner Handlung auf einen Charaktermangel schließen lassen. Im Hinblick auf den nunmehr festgestellten Sachverhalt kann der Ansicht der belangten Behörde, in dem Versuch des Beschwerdeführers, R unter massiven Druck zu setzen, um die Beziehung mit ihm fortzuführen, läge ein die Vertrauenswürdigkeit ausschließendes Verhalten, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Selbst dann, wenn die einzelnen Handlungen des Beschwerdeführers (straf)rechtlich nicht relevant sein sollten, zeigen sie doch einen bedenkenlosen Einsatz rechtlicher (und tatsächlicher) Möglichkeiten zur Durchsetzung eines letztlich von der Rechtsordnung nicht gebilligten Zieles, nämlich einen anderen Menschen gegen dessen Willen zu einem seine persönliche Freiheit einschränkenden Verhalten zu bewegen.

Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III.

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