Normen
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, beantragte am 4. Dezember 1992, ihm Asyl zu gewähren. Er wurde am selben Tag vom Bundesasylamt niederschriftlich befragt und gab dabei im wesentlichen an, er habe wegen des Regierungsumbruches im April 1992 Afghanistan verlassen. Aufgrund dieses Machtwechsels sei seine Partei, die "Demokratische Partei des Volkes Afghanistan" verboten worden. Der Beschwerdeführer sei seit 1984 Mitglied dieser Partei gewesen und habe deshalb nunmehr Schwierigkeiten mit den herrschenden Parteien befürchtet. Im Juni 1992 sei in der Wohnung der Eltern des Beschwerdeführers nach ihm gesucht worden; er sei jedoch nicht anwesend gewesen. Der Bruder des Beschwerdeführers sei verhaftet worden. Aus Angst, ebenfalls verhaftet zu werden, habe sich der Beschwerdeführer entschlossen, seine Heimat zu verlassen. Bis zum Zeitpunkt seiner Flucht habe er sich bei Freunden aufgehalten. Von diesen sei ihm mitgeteilt worden, daß er von der Polizei beschattet werde; warum er nicht festgenommen worden sei, obwohl die Polizei seinen Aufenthalt gekannt habe, sei ihm nicht weiter erklärlich. Weiters gab der Beschwerdeführer noch an, für seine Partei Propaganda betrieben und Mitglieder geworben zu haben; er sei "aus diesem Grund" auch zehn Monate in den Jahren 1984 und 1985 in Moskau bei einer Einschulung gewesen. Darüber hinaus führte der Beschwerdeführer noch an, vom 15. Oktober 1985 bis zum 26. Jänner 1990 als Soldat und danach - bis zur Schließung der Schulen - als Volksschullehrer Russisch unterrichtet zu haben.
Mit Bescheid vom 4. Dezember 1992 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers, ihm Asyl zu gewähren, ab. In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen aus, daß er zu den Personen zähle, die unter dem "neuen Regime" ohne Gerichtsurteil hingerichtet würden; seine Identität sei durch die Mudjahedin erkannt worden, er sei auch durch sie gesucht worden. Sein Leben in Afghanistan sei "hundertprozentig in Gefahr".
Mit Bescheid vom 21. Dezember 1992 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Das Ermittlungsverfahren habe keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte dafür erbracht, daß der Beschwerdeführer in seinem Heimatland aus einem der in § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründe der Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Da der Beschwerdeführer in seiner Niederschrift am 4. Dezember 1992 angegeben habe, nie konkret verfolgt worden zu sein, in der Berufung jedoch vorgebracht habe, auf jeden Fall um sein Leben zu fürchten, liege darin ein grober Widerspruch. Als glaubwürdig könnten Fluchtgründe im allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung ein Asyltatbestand begründeten Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstelle. Die Verhaftung des Bruders des Beschwerdeführers betreffe diesen nicht unmittelbar; Verfolgungshandlungen gegen Familienmitglieder könnten nicht den gewünschten Verfahrensausgang bewirken. Die Furcht des Beschwerdeführers vor einer Verhaftung erscheine weiters deshalb unglaubwürdig und unbegründet, da er nach seinen eigenen Angaben beschattet, dann jedoch nicht festgenommen worden sei. Hätte die Behörde des Heimatlandes des Beschwerdeführers Interesse an seiner Inhaftierung gehabt, wäre er nicht unbehelligt geblieben, da der Polizei sein Aufenthalt bekannt gewesen sei.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 17. März 1993, Zl. B 34/93-6, die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG ab.
Der Beschwerdeführer bekämpft den Bescheid der belangten Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst rügt der Beschwerdeführer, die von der belangten Behörde angestellten Erwägungen seien nicht stichhaltig. Der ihm gemachte Vorwurf, keine konkreten Angaben hinsichtlich jener politischen Gruppe, für die er tätig gewesen sei, machen zu können, sei unberechtigt, da er bei seiner Ersteinvernahme über seine politischen Aktivitäten im Zusammenhang mit dieser politischen Partei ganz konkrete Angaben gemacht habe; darüber hinausgehende Fragen seien jedoch gar nicht an ihn gerichtet worden. Zutreffend verweist hier der Beschwerdeführer darauf, daß dann, wenn einem Asylwerber vorgehalten werden soll, er sei nicht in der Lage gewesen, nähere Angaben über ein bestimmtes Beweisthema zu machen, zunächst einmal festgestellt werden muß, daß solche näheren Angaben als möglicherweise entscheidungswesentliche Kriterien überhaupt erfragt worden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1994, Zl. 92/01/1117).
Auch die Ansicht der belangte Behörde über das Vorliegen eines Widerspruches der Angaben des Beschwerdeführers zwischen seiner Ersteinvernahme und dem Berufungsvorbringen kann so vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt werden, hätte doch die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 allein die Ergebnisse des erstinstanzlichen Verfahrens heranzuziehen und das Berufungsvorbringen nicht zu berücksichtigen gehabt. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer sehr wohl angegeben, betrachtet man seine Aussage bei der Ersteinvernahme insgesamt, verfolgt worden zu sein. Er sei der Verhaftung in der Wohnung seiner Eltern nur dadurch entgangen, daß er zufälligerweise nicht anwesend gewesen sei, während sein Bruder verhaftet worden sei. Darin kann nicht eine nur gegen den Bruder gerichtete Verfolgungshandlung gesehen werden. Auch hat der Beschwerdeführer in seiner Ersteinvernahme konkret angegeben, daß nach ihm gesucht worden sei.
Auch den Ausführungen der belangten Behörde darüber, daß der Beschwerdeführer bei einem bestehenden Interesse der Behörden seines Heimatstaates verhaftet worden wäre, da er ja "beschattet" worden sei, vermögen nicht zu überzeugen. Eine "Beschattung" muß nämlich nicht bedeuten, daß (volle) Kenntnis der Identität des "Beschatteten" vorliegt; allenfalls sollen durch die "Beschattung" auch erst die Kontakte des Verdächtigten ermittelt werden. Der Begriff der "Beschattung" ist jedenfalls insoweit mehrdeutig und erscheint dem Gerichtshof im gegebenen Zusammenhang aufklärungsbedürftig.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf das Beschwerdevorbringen; auch konnte die beantragte mündliche Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.
Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde kann eine Entscheidung des Berichters über den neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, unterbleiben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verodnung BGBl. Nr. 104/1991.
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