VwGH 94/18/1153

VwGH94/18/115321.3.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Rutter, über die Beschwerde der V in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 17. November 1994, Zl. SD 847/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs2 Z8;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z8;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 17. November 1994 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Z. 8 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin sei im Oktober 1991 sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist und habe nach Vorlage einer Verpflichtungserklärung einen Sichtvermerk bis Ende Mai 1992 erhalten. Erst nach Ablauf dieser Frist habe sie einen weiteren Sichtvermerk beantragt und - aufgrund einer weiteren Verpflichtungserklärung - auch bis Ende Jänner 1993 erhalten. Nach Ablauf von dessen Gültigkeitsdauer habe sie sich drei Monate illegal im Bundesgebiet aufgehalten und anschließend einen weiteren Sichtvermerk bis Ende Oktober 1993 erhalten. Seit diesem Zeitpunkt halte sie sich illegal im Bundesgebiet auf.

Am 18. Juni 1993 sei sie von Organen des Landesarbeitsamtes Wien bei einer Beschäftigung (nach der von der belangten Behörde übernommenen Begründung des Bescheides der Erstbehörde:

Servieren von Getränken in einem Lokal) betreten worden, die sie nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nicht hätte ausüben dürfen. Entgegen dem Berufungsvorbringen habe die Beschwerdeführerin nicht nur an einem Tag unentgeltlich ausgeholfen. Sie habe gegenüber den Organen des Landesarbeitsamtes selbst zugegeben, seit einer Woche gegen Entgelt zu arbeiten. Die Arbeitgeberin sei wegen dieses Vorfalles rechtskräftig bestraft worden.

Nachdem die Beschwerdeführerin am 3. Jänner 1994 zum Vorhaben der Erstbehörde, gegen sie ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, niederschriftlich vernommen worden sei, habe sie am 14. März 1994 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet. Dieser habe angegeben, seine Gattin erst zwei Tage vor der Eheschließung über Vermittlung eines jugoslawischen Staatsangehörigen kennengelernt zu haben und mit ihr nur im Zusammenhang mit der Eheschließung und der Geldübergabe in Kontakt getreten zu sein. Das Ehepaar habe keinen gemeinsamen Haushalt. Ein Verfahren zur Nichtigerklärung der Ehe sei bereits anhängig. Es bestünden "nicht unerhebliche Anhaltspunkte" dafür, daß die Beschwerdeführerin die Ehe nur zur Erlangung "fremdenpolizeilicher Vorteile" geschlossen habe. Die (anderslautenden) Berufungsausführungen seien nicht glaubwürdig.

Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG sei erfüllt.

Die vom Verhalten der Beschwerdeführerin ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung (einer geordneten Arbeitsmarktverwaltung und eines geordneten Fremdenwesens) lasse die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme als gerechtfertigt erscheinen.

Im Hinblick darauf, daß die Beschwerdeführerin die Ehe erst im Zuge des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und während ihres illegalen Aufenthaltes geschlossen habe, kein gemeinsamer Haushalt mit dem Gatten bestehe und sie sich nur zwei Jahre legal in Österreich aufgehalten habe, liege ein Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin im Sinne des § 19 FrG nicht vor. Aber selbst dann, wenn man aufgrund des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin bei ihrer Tante und deren Gatten lebe und diese Personen pflege, vom Vorliegen eines derartigen Eingriffes ausgehe, sei dieser zur Erreichung "einer geordneten Arbeitsmarktverwaltung und eines geordneten Fremdenwesens", somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten (und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig). Die mit der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes verbundenen nachteiligen Folgen wögen schwerer als die privaten Interessen der Beschwerdeführerin.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesem Grund aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde wendet sich zunächst (in der Sachverhaltsdarstellung) gegen die Feststellung der belangten Behörde, daß sie eine Beschäftigung ausgeübt habe, die sie nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen. Sie sei nur kurzzeitig und unentgeltlich als Serviererin tätig gewesen, weil sie für die erkrankte Frau des ihr persönlich bekannten Inhabers des Lokales "einsprang".

Die Beschwerdeführerin hat anläßlich ihrer Betretung am 18. Juni 1993 gegenüber dem Organ des Landesarbeitsamtes Wien ausgeführt, seit sieben Tagen im Lokal zu arbeiten und dafür ein tägliches Entgelt von S 200,-- bis S 300,-- sowie Trinkgeld zu erhalten. In ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 4. Jänner 1994 schwächte sie dies insofern ab, als sie ausführte, nur an drei Tagen jeweils wenige Stunden ohne vereinbartes Entgelt gearbeitet zu haben. Später habe sie "als Geschenk" vom Arbeitgeber S 300,-- erhalten. In der Berufung vermeinte sie dann, "nirgends und niemals schwarz gearbeitet" zu haben. Sie habe nur an einem Tag ohne Entgelt Gläser gewaschen. Schon im Hinblick auf diese Widersprüchlichkeit und das offensichtliche Bemühen der Beschwerdeführerin, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Betretung getätigte Aussage möglichst abzuschwächen, beruht die Feststellung der belangten Behörde, daß die Beschwerdeführerin nicht nur an einem Tag unentgeltlich ausgeholfen habe, keineswegs auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung.

Auf Grundlage dieser Feststellung ist die belangte Behörde zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG erfüllt sei.

2. Die belangte Behörde hat zu Recht aufgrund der Gefährdung der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens und der Arbeitsmarktverwaltung) durch die "Schwarzarbeit" (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/0102) und den illegalen Aufenthalt seit November 1993 die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme als gerechtfertigt erachtet. Da der Hinweis auf das Bestehen "nicht unerheblicher Anhaltspunkte" dafür, daß die Beschwerdeführerin die Ehe (nur) zur Erlangung "fremdenpolizeilicher Vorteile" geschlossen habe, keine tragende Begründung des angefochtenen Bescheides darstellt, braucht auf das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen nicht eingegangen zu werden.

3. Zur Frage des Dringend-geboten-seins des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG und der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung enthält die Beschwerde kein Vorbringen. Im Hinblick auf die große Beeinträchtigung öffentlicher Interessen durch das beschriebene Verhalten der Beschwerdeführerin begegnet die Ansicht der belangten Behörde, daß das Aufenthaltsverbot - unter der Annahme, daß mit seiner Erlassung ein Eingriff in das Privat- oder Familienleben der Beschwerdeführerin verbunden ist - zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (hier: zum Schutz der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und der Arbeitsmarktverwaltung) dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig sei, keinen Bedenken.

Die Tatsache, daß die Beschwerdeführerin bei ihrer Tante und deren Gatten lebt und diese Personen pflegt, wurde von der belangten Behörde berücksichtigt. Aufgrund des Umstandes, daß sich die Beschwerdeführerin nur zwei Jahre legal in Österreich aufhielt und ihr Aufenthalt die maßgeblichen öffentlichen Interessen - wie dargestellt - in mehrfacher Hinsicht gefährdet, hegt der Gerichtshof auch gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG keine Bedenken.

4. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Die von der Beschwerdeführerin beantragte Weiterleitung der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist gesetzlich nicht vorgesehen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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