VwGH 94/17/0164

VwGH94/17/016420.4.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des S, vertreten durch D, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich III der Agrarmarkt Austria vom 4. Februar 1994, Zl. GB I/Ref.1/Dr.Ko/ph/622, betreffend Aufteilung einer Einzelrichtmenge (mitbeteiligte Partei: 1. J, vertreten durch P, Rechtsanwalt in S, und 2. M), zu Recht erkannt:

Normen

MOG 1985 §73 Abs2 idF 1988/330;
MOG 1985 §76 Abs1 idF 1986/183;
VwGG §42 Abs2 Z2;
MOG 1985 §73 Abs2 idF 1988/330;
MOG 1985 §76 Abs1 idF 1986/183;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verpachtete im Jahre 1972 den Bauernhof L. an die erstmitbeteiligte Partei. Der Pachtvertrag wurde zunächst für die Dauer von zwei Jahren geschlossen und sodann jährlich um jeweils ein Jahr verlängert. Der Pachtvertrag umfaßte den gesamten Hof ausgenommen den Obstanger und Hausgarten, in der Aufzählung im Vertrag sind u.a. ein Kuhstall mit kompletter Melkanlage, ein Siloraum, eine Streuscheune, eine Garage anschließend an den Stall, eine Tenne, ein Aufenthaltsraum und ein Gülledruckfaß genannt. Die erstmitbeteiligte Partei verpflichtete sich in dem Pachtvertrag u. a. dazu, "auf die Dauer der Viehhaltung auf dem Hof" dem Verpächter täglich zwei Liter Vollmilch unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.

Im Jahre 1992 habe der Beschwerdeführer - so meint die belangte Behörde - einen Antrag auf Teilung der bis zum Ende der Verpachtung des L-Hofes dem Erstmitbeteiligten als Verfügungsberechtigten über den L-Hof sowie den Hi-Hof zustehenden Einzelrichtmenge gestellt. Im Akt befindet sich jedoch lediglich ein Schreiben des Beschwerdeführers an einen Mitarbeiter des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft mit dem Datum 6. April 1992, in dem der Beschwerdeführer den Sachverhalt darstellt, aber keine konkreten Anträge stellt. Auch in der Beschwerde sind keine näheren Angaben über diesen Antrag enthalten.

Nach Durchführung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens zur Frage der Milchlieferung vom L-Hof in den Jahren 1972 bis 1990 erging der angefochtene Bescheid, mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers "vom 6. April 1992 auf Teilung der bis zum Ende der Verpachtung des L-Hofes an Herrn ÄErstmitbeteiligterö dem Verfügungsberechtigten über den L-Hof sowie den Hi-Hof zustehenden Einzelrichtmenge" abgewiesen wurde.

Begründend führt die belangte Behörde nach Wiedergabe der Rechtsgrundlagen des Marktordnungsgesetzes 1985 (teilweise auch in Fassungen des Jahres 1992 und 1993) aus, daß gemäß § 73 Abs. 2 vierter Satz MOG in der Fassung BGBl. Nr. 380/1991 und Nr. 373/1992 die Einzelrichtmenge aufzuteilen sei, wenn ein bisher einheitlich bewirtschafteter Betrieb in mehrere selbständig bewirtschaftete Betriebe aufgeteilt werde oder wenn bisher gemeinsam bewirtschaftete Betriebe aufgeteilt würden. Anhaltspunkte dafür, daß bis 30. April 1991 ein durch den Erstmitbeteiligten einheitlich bewirtschafteter Betrieb oder vom Erstmitbeteiligten gemeinsam bewirtschaftete Betriebe vorgelegen wären, hätten nicht gefunden werden können.

Unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 18. April 1986, Zl. 86/17/0069, kommt die belangte Behörde zum Schluß, daß im Beschwerdefall deshalb kein einheitlicher Betrieb vorgelegen sei, da der Erstmitbeteiligte Verfügungsberechtigter über den Betrieb L, seine Gattin (die Zweitmitbeteiligte) jedoch Verfügungsberechtigte über den Betrieb Hi. gewesen sei. Die Gehöfte L. und Hi. seien voneinander getrennt gelegen. Die Eigentümer der beiden Betriebe seien nicht ident. Die entsprechenden Feststellungen seien auch durch die Aussage des Zeugen D., der die Jungviehfütterung und die übrige Stallarbeit für den Erstmitbeteiligten auf dem Hof L. durchgeführt habe, bestätigt worden. Bis zur Auflösung des Pachtvertrages am Betrieb L. sei auf diesem Betrieb nur Jungvieh gehalten worden. Die Angabe des Erstmitbeteiligten, daß für das Jungvieh am Hof L. nur das dort geworbene Futter verwendet worden sei, sei unwidersprochen geblieben und stelle ein Indiz dafür dar, daß kein einheitlicher Futtermitteleinkauf vorgelegen sei. Die Betriebe L. und Hi. seien somit nicht gemeinsam bewirtschaftet worden.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen hielt es die belangte Behörde nicht für entscheidungserheblich, welche Richtmengen der Erstmitbeteiligte bzw. dessen Gattin auf dem Hof Hi. besessen bzw. "im Lauf des Pachtvertrages aufgebaut" hätten. Auch wenn in den letzten Jahren des Pachtvertrages viel frisches Heu vom L-Hof nach Hi. und von einer bestimmten Firma in S. viel Jauche und Mist von Hi. zum Hof L. gefahren worden sein sollten, könnten Anhaltspunkte für eine Zusammenfassung der Bewirtschaftung in einer organisatorischen Einheit nicht gefunden werden. Auch im Falle des Zutreffens der vom Beschwerdeführer behaupteten Zusicherung des Erstmitbeteiligten, daß er "bezüglich des Milchkontingents alles ordnungsgemäß" regeln werde, hätte keine Möglichkeit der Vereinbarung einer Einzelrichtmengenaufteilung innerhalb eines Jahres nach dem Pachtende bestanden. Dies ungeachtet des Umstandes, daß aus einer Mitteilung eines Zeugen der Erstmitbeteiligte vorerst bereit gewesen sein soll, 8.000 bis 10.000 kg Richtmenge an den Beschwerdeführer zu übertragen. Da bis zur Pachtauflösung mit 30. April 1991 hinsichtlich des Betriebes L. und Hi. weder ein bisher einheitlich bewirtschafteter Betrieb vorgelegen sei noch bisher gemeinsam bewirtschaftete Betriebe gegeben gewesen seien, sei eine derartige Aufteilung nicht in Betracht gekommen. Die im Verfahren durch den Erstmitbeteiligten und seinen Vertreter abgegeben Stellungnahmen seien dem Vertreter des Beschwerdeführers zur Kenntnis gebracht worden. Im Hinblick auf den umfangreichen Gebrauch von dem eingeräumten Parteiengehör sei der Sachverhalt als erschöpfend erhoben anzusehen und es werde daher von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen.

Aus diesem Grund hätte der gestellte Antrag abgewiesen werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung im Recht, daß das dem Beschwerdeführer zustehende Milchkontingent, das von ihm aufgebaut worden sei und ausschließlich ihm zustehe, erhalten bleibe und im Recht auf allfällige quotenmäßige Aufteilung der dem Erst- bzw. der Zweitmitbeteiligten zustehenden Einzelrichtmenge geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 73 Abs. 2 MOG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 330/1988 lautete:

"(2) Die Einzelrichtmenge steht dem jeweiligen Verfügungsberechtigten über einen milcherzeugenden Betrieb zu. Geht das Verfügungsrecht auf einen anderen über, so bleibt die Einzelrichtmenge bestehen, sofern der Betrieb weiterhin selbständig bewirtschaftet wird oder bewirtschaftbar ist. Ist der Verfügungsberechtigte Pächter, so steht ihm die Einzelrichtmenge nur dann zu, wenn außerdem die Pachtdauer mindestens ein Wirtschaftsjahr beträgt und er alle vor Beginn des Pachtverhältnisses zum milcherzeugenden Betrieb gehörenden Flächen pachtet; zu diesen Flächen gehören nicht Bauflächen, Weingärten, Wald, Ödland, Hausgärten und Obstgärten, die sich der Verpächter zurückbehalten hat. Wenn ein bisher einheitlich bewirtschafteter Betrieb in mehrere selbständige bewirtschaftete Betriebe aufgeteilt wird oder wenn bisher gemeinsam bewirtschaftete Betriebe aufgeteilt werden, ist die Einzelrichtmenge entsprechend einer Vereinbarung aufzuteilen, die spätestens ein Jahr nach dieser Aufteilung geschlossen wurde; sie wird mit dem auf die Bekanntgabe der Vereinbarung an den zuständigen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb folgenden Monatsersten wirksam. Kommt innerhalb eines Jahres nach der vorgenannten Aufteilung eine Vereinbarung nicht zustande, so ist die Einzelrichtmenge in jenem Verhältnis aufzuteilen, wie die zum Grundbestand der aufgeteilten Betriebe gehörigen Flächen (ohne Berücksichtigung von Bauflächen, Weingärten, Wald, Almen, Ödland, Hausgärten und Obstgärten) aufgeteilt wurden. Bis zur endgültigen Aufteilung der Einzelrichtmenge wird diese gleichmäßig aufgeteilt. Sofern im folgenden nicht anderes bestimmt wird, bleibt die Einzelrichtmenge von Wirtschaftsjahr zu Wirtschaftsjahr gleich (Wahrungsmenge)."

Gemäß § 76 Abs. 1 MOG 1985 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 183/1986 hatte der zuständige Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb den Milcherzeugern die ihnen im nächsten Wirtschaftsjahr zustehenden Einzelrichtmengen schriftlich bis zum 15. Juni mitzuteilen. Personen, die bis zu diesem Termin keine solche Mitteilung erhalten hatten, sowie Milcherzeuger, welche die Mitteilung durch den zuständigen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb als unrichtig ansahen, konnten bis 30. Juni einen Antrag auf Feststellung der Einzelrichtmenge beim Milchwirtschaftsfonds stellen. Der Milchwirtschaftsfonds hatte bis 31. Juli über solche Anträge zu entscheiden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. Oktober 1996, Zl. 94/17/0300, ausgesprochen hat, ergibt sich aus § 73 Abs. 2 MOG 1985 nicht, daß im Falle der Rückstellung des Pachtgegenstandes eine (rechtsgestaltende) Aufteilung der Einzelrichtmenge durch Organe der AMA vorgesehen war.

In dem dem genannten Erkenntnis zugrundeliegenden Beschwerdefall hatten sich die Beschwerdeführer lediglich zur Begründung ihres ausdrücklich auf Feststellung der Einzelrichtmenge gemäß § 76 Abs. 1 MOG 1985 gerichteten Antrages darauf berufen, daß die Einzelrichtmenge zwischen den in Rede stehenden Betrieben nach den Kriterien des § 73 Abs. 2 fünfter Satz MOG 1985 aufzuteilen sei. Der Verwaltungsgerichtshof kam im damaligen Beschwerdefall zum Ergebnis, daß die belangte Behörde durch die Abweisung eines Aufteilungsantrages einen von den Beschwerdeführern im Verwaltungsverfahren gar nicht gestellten Antrag abgewiesen habe.

Im vorliegenden Beschwerdefall geht die belangte Behörde von einem Antrag vom 6. April 1992 auf Teilung der bis zum Ende der Verpachtung des L-Hofes an den Erstmitbeteiligten aus. Dieser sogenannte Antrag kann mangels anderer Anhaltspunkte nur das Schreiben des Beschwerdevertreters an einen Mitarbeiter des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 6. April 1992 sein, in dem der Sachverhalt aus der Sicht des Beschwerdeführers dargestellt wird und abschließend gebeten wird, "die entsprechenden Veranlassungen zu treffen". Das Schreiben schließt mit den Worten: "Ich wäre Ihnen für eine recht baldige und positive Erledigung zu Dank verbunden und wäre ich auch froh, wenn Sie es sich terminlich so einrichten könnten, daß ich am 9.4.1992 um 8.30 Uhr zu einem kurzen Gespräch bei Ihnen erscheinen kann."

Dieses Gespräch hat nach einem Schreiben des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 14. April 1992 stattgefunden. In dem Schreiben ist davon die Rede, daß der Beschwerdevertreter angegeben habe, "direkt mit dem Milchwirtschaftsfonds Kontakt aufzunehmen". Es wird auf eine in der Anlage übermittelte Unterlage verwiesen, bei der es sich nur um das erwähnte Schreiben des Beschwerdevertreters vom 6. April 1992 handeln kann. Ein ausdrücklicher schriftlicher Antrag ist im vorgelegten Akt nicht enthalten.

Es ist daher im Beschwerdefall nicht feststellbar, ob - wie dies in dem dem oben genannten Erkenntnis zugrundeliegenden Beschwerdefall gegeben war - ein Antrag auf Feststellung der Einzelrichtmenge gemäß § 76 Abs. 1 MOG gestellt wurde. Daher scheidet auch die Möglichkeit aus, den angefochtenen Bescheid als Abweisung eines derartigen Antrages, der lediglich fälschlich unter Berufung auf § 73 Abs. 2 MOG 1985 allein begründet wird, zu deuten (und davon auszugehen, die belangte Behörde habe sich lediglich im Ausdruck vergriffen; gegen eine solche Umdeutung spricht auch der Umstand, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides keinen Bezug auf einen Antrag nach § 76 Abs. 1 MOG nimmt).

Im Hinblick auf die in dem genannten Erkenntnis dargelegten Gründe - von denen abzugehen der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlaß sieht - kommt eine selbständige Entscheidung über einen "Antrag gemäß § 73 Abs. 2 MOG 1985" nicht in Betracht. Mit der Entscheidung über einen solchen Antrag gemäß § 73 Abs. 2 MOG 1985, hat die belangte Behörde eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zukommt.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Auf die Frage, ob dem Beschwerdeführer eine Einzelrichtmenge (und für welches Jahr) zustehe oder nicht, ist bei diesem Ergebnis nicht näher einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Ersatz von Stempelaufwand für Beilagen, deren Vorlage nicht erforderlich war.

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