VwGH 94/17/0119

VwGH94/17/011918.11.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Kramer und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, in der Beschwerdesache des J in F, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in G, gegen den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über eine Berufung betreffend Lustbarkeitsabgabe und Lustbarkeitsabgabezuschlag (Kriegsopferzuschlag) für den Monat Februar 1993, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §1;
AVG §2;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art132;
B-VG Art140 Abs7;
LustbarkeitsabgabezuschlagsG Stmk;
VwGG §27;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §1;
AVG §2;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art132;
B-VG Art140 Abs7;
LustbarkeitsabgabezuschlagsG Stmk;
VwGG §27;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

1. Die Beschwerde wird, soweit sie die Verletzung der Entscheidungspflicht i.A. Vorschreibung der Lustbarkeitsabgabe betrifft, zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde wird, soweit sie die Verletzung der Entscheidungspflicht i.A. Vorschreibung des Lustbarkeitsabgabezuschlages (Kriegsopferzuschlages) betrifft, als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 6.610,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 30. März 1993, GZ. A 8a-St.Nr. 12/06/225-1993, mit Schriftsatz vom 23. April 1993 Berufung.

Mit der vorliegenden, am 9. Februar 1994 zur Post gegebenen, am 10. Februar 1994 hg. eingelangten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Verletzung der Entscheidungspflicht über diese Berufung durch die belangte Behörde geltend.

Der Beschwerde steht der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung insoweit entgegen, als sie sich gegen die Verletzung der Entscheidungspflicht i.A. Vorschreibung der Lustbarkeitsabgabe richtet. Aus der von der belangten Behörde zur Beschwerde erstatteten Stellungnahme vom 26. Mai 1994 und aus dem in Ablichtung vorgelegten Bescheid des Gemeinderates vom 9. Dezember 1993, GZ. A 8 - K 206/1993-1, ergibt sich nämlich, daß mit diesem Bescheid u.a. die beschwerdegegenständliche Berufung hinsichtlich der Vorschreibung von Lustbarkeitsabgabe als unbegründet abgewiesen wurde. Weiters wurde im Spruch dieses Bescheides ausgesprochen:

"Der gleichzeitig vorgeschriebene Kriegsopferzuschlag ist von dieser Entscheidung nicht betroffen." In der Begründung des Bescheides heißt es u.a., daß über die Berufungen gegen die Vorschreibung des Kriegsopferzuschlages (einer Landesabgabe) die Steiermärkische Landesregierung auf zweitinstanzlicher Ebene zu entscheiden habe. Die Verwaltungsakten würden daher dieser zur Entscheidung vorgelegt.

Nach dem ebenfalls in Ablichtung vorgelegten Zustellschein wurde dieser Bescheid dem Beschwerdeführer am 22. Dezember 1993 zugestellt.

Ausgehend davon, daß hinsichtlich der Vorschreibung der Lustbarkeitsabgabe mit dem Bescheid vom 9. Dezember 1993 (zulässigerweise; vgl. u.a. den hg. Beschluß vom 23. Juni 1994, Zlen. 94/17/0135, 0136) im Instanzenzug ein gesonderter Abspruch erfolgte und insoweit bei Erhebung der Beschwerde eine Säumnis der belangten Behörde nicht mehr vorlag, war die Beschwerde in diesem Umfang gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluß zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Vorschreibung des Lustbarkeitsabgabezuschlages (Kriegsopferzuschlages) geht aus der von der belangten Behörde erstatteten Stellungnahme vom 20. September 1994 und aus dem in Ablichtung vorgelegten Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 22. Februar 1994, GZ. 10-2 Ga 7/1-1994, hervor, daß mit diesem Bescheid u.a. der beschwerdegegenständlichen Berufung stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid hinsichtlich des Zuschlages zur Lustbarkeitsabgabe behoben wurde. Dieser Bescheid wurde nach Erhebung der vorliegenden Säumnisbeschwerde, aber vor Einleitung des Vorverfahrens (Setzung einer Nachholfrist) durch den Verwaltungsgerichtshof erlassen (Zustellung dieses Bescheides am 24. Februar 1994).

Auf dem Boden der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach dieser auch dann eine Sachentscheidung nicht mehr treffen darf und das Verfahren über die Säumnisbeschwerde wegen Klaglosstellung einzustellen hat, wenn eine unzuständige Behörde den versäumten Bescheid erlassen hat (vgl. u.a. die hg. Beschlüsse vom 9. März 1970, Slg. N.F. Nr. 7754/A, vom 9. Juli 1980, Slg. N.F. Nr. 10.206/A, und vom 13. April 1982, Slg. N.F. Nr. 10.702/A), wurde der Beschwerdeführer, insoweit in der Beschwerde eine Verletzung der Entscheidungspflicht i.A. Vorschreibung des Lustbarkeitsabgabezuschlages (Kriegsopferzuschlages) geltend gemacht wird, im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG klaglosgestellt.

In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß die vorliegende Säumnisbeschwerde hinsichtlich des Lustbarkeitsabgabezuschlages (Kriegsopferzuschlages) nicht etwa deswegen zurückzuweisen war, weil dem Beschwerdeführer diesbezüglich der belangten Behörde gegenüber die Beschwerdelegitimation gefehlt hätte (vgl. u.a. den hg. Beschluß vom 30. September 1993, Zl. 92/17/0223).

Es ist zwar unabdingbare Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG, daß jene Behörde, der Säumnis zur Last gelegt wird, verpflichtet war, über den betreffenden Antrag (Parteibegehren) zu entscheiden. Mit anderen Worten: Die Pflicht zur Entscheidung kann nur eine Behörde treffen, die zum Abspruch über das Parteibegehren sachlich und örtlich zuständig war (vgl. hiezu beispielsweise die hg. Beschlüsse vom 2. Dezember 1987, Zl. 87/13/0216, vom 2. Dezember 1988, Zl. 88/17/0123, und vom 22. Februar 1991, Zl. 90/17/0181).

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, G 230-232/93, das Stmk. Lustbarkeitsabgabezuschlagsgesetz 1950, als verfassungswidrig aufgehoben. Dieses Erkenntnis enthält auch den auf Art. 140 Abs. 7 B-VG gestützten Ausspruch, daß das aufgehobene Gesetz (insgesamt) nicht mehr anzuwenden ist. Ausgehend von der Gestaltungswirkung des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1993 (vgl. die Kundmachung des Landeshauptmannes von Steiermark LGBl. Nr. 5/1994) besteht eine gesetzliche Ermächtigung zur Vorschreibung eines Lustbarkeitsabgabezuschlages nicht mehr. Auf dem Boden dieser Rechtslage kann die Entscheidung der Berufungsbehörde nur in einer ersatzlosen Behebung des erstinstanzlichen Bescheides - im Umfang des Ausspruches über die Vorschreibung des Lustbarkeitsabgabezuschlages - bestehen.

Bei der Landeshauptstadt Graz handelt es sich um eine Stadt mit eigenem Statut. Sie hat daher nach Art. 116 Abs. 3 B-VG neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch jene der Bezirksverwaltung zu besorgen. Hinsichtlich der Besorgung der Aufgaben der Gemeindeverwaltung ist noch zu unterscheiden, ob diese den eigenen oder übertragenen Wirkungsbereich betreffen.

Die Abs. 1 und 2 des § 61 des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967, LGBl. Nr. 130, haben folgenden Wortlaut:

"(1) Dem Stadtsenat obliegt die Vorberatung und Antragstellung in den der Erledigung des Gemeinderates vorbehaltenen Angelegenheiten, soweit der Gemeinderat nicht eigene Ausschüsse zur Vorberatung und Antragstellung bestellt hat.

(2) Dem Stadtsenat obliegt ferner die Besorgung aller Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches, die ihm durch dieses Statut oder durch andere Gesetze übertragen sind, sowie aller übrigen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches, die durch Gesetz keinem anderen Organ der Stadt ausdrücklich vorbehalten sind."

Der Stadtsenat der Landeshaupstadt Graz ist derart als Behörde nur des eigenen Wirkungsbereiches eingerichtet.

Ausgehend von der Prämisse, daß es für die Beurteilung des administrativen Instanzenzuges nicht maßgebend ist, in welchem Behördenbereich der unterinstanzliche Bescheid gesetzmäßigerweise erlassen hätte werden sollen, sondern in welchem Behördenbereich er tatsächlich erlassen worden ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. März 1985, Slg. N.F. Nr. 11.692/A), ist der erstinstanzliche Bescheid im eigenen Wirkungsbereich (als Behördenbereich) ergangen.

Das bedeutet wiederum für den vorliegenden Fall, daß auch insoweit der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz gemäß § 100 Abs. 1 des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967 die zuständige Berufungsbehörde gewesen wäre. Eine andere durch Gesetz gegebene Berufungsinstanz (etwa ein Instanzenzug vom Bürgermeister an die Landesregierung gemäß § 48 LAO) kann auf Grund der bereits genannten Gestaltungswirkung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1993 insbesondere auch nicht aus dem (aufgehobenen) Lustbarkeitsabgabezuschlagsgesetz 1950 abgeleitet werden.

Daraus folgt aber schließlich, daß der Gemeinderat der Landeshaupstadt Graz zur Erlassung eines Berufungsbescheides auch hinsichtlich des Lustbarkeitsabgabezuschlages zuständig gewesen wäre. Die Beschwerde (hinsichtlich des Lustbarkeitsabgabezuschlages) ist daher auch nicht mangels Entscheidungspflicht der belangten Behörde zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.

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