VwGH 94/14/0171

VwGH94/14/017131.1.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat) vom 27. September 1994, Zl. B 16-4/94, betreffend Körperschaftsteuer für 1991 und 1992 sowie Gewerbesteuermeßbetrag für 1991 (mitbeteiligte Partei: A-AG), zu Recht erkannt:

Normen

AktG §224 Abs3;
AktG §226 Abs3;
KStG §19 Abs2;
KStG §26 Abs3 Z2 litb;
KStG §8 Abs4 Z3;
StruktVG 1969 §1 Abs1;
StruktVG 1969 §1 Abs5;
UmgrStG 1991 §3 Abs2 Z2;
UmgrStG 1991 §3 Abs3 Z1;
AktG §224 Abs3;
AktG §226 Abs3;
KStG §19 Abs2;
KStG §26 Abs3 Z2 litb;
KStG §8 Abs4 Z3;
StruktVG 1969 §1 Abs1;
StruktVG 1969 §1 Abs5;
UmgrStG 1991 §3 Abs2 Z2;
UmgrStG 1991 §3 Abs3 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem in Ablichtung vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die mitbeteiligte Partei war bis zum 31. Dezember 1988 eine GmbH, seither ist sie eine AG. Die M-GmbH war alleinige Gesellschafterin der Mitbeteiligten. Produktionseinschränkungen und Betriebsstillegungen bei der Mitbeteiligten führten zu einer Abschreibung des Teilwertes dieser Beteiligung durch die M-GmbH, welche aus diesem Grund im Jahre 1988 einen Verlust bzw gewerbesteuerlichen Fehlbetrag erzielte.

Zum 31. Dezember 1988 wurde die M-GmbH nach Art I StruktVG auf die mitbeteiligte Partei als aufnehmende Gesellschaft verschmolzen, wobei gemäß § 1 Abs 1 lit c StruktVG eine Kapitalerhöhung unterblieb, weil die M-GmbH alle Anteile an der mitbeteiligten Gesellschaft gehalten hatte. Die Mitbeteiligte machte im Zuge der Veranlagung zur Körperschaft- und Gewerbesteuer für 1991 und 1992 den bei der M-GmbH im Jahre 1988 entstandenen Verlust als Verlustvortrag bzw gewerbesteuerlichen Fehlbetrag geltend. Dem versagte das Finanzamt die Anerkennung mit Hinweis darauf, daß gemäß § 1 Abs 5 StruktVG der Abzug von Verlusten und von gewerbesteuerlichen Fehlbeträgen, die bei der übertragenden Gesellschaft vor der Verschmelzung entstanden sind, von der übernehmenden Gesellschaft nur insoweit in Anspruch genommen werden kann, als jene Vermögensteile, Betriebe oder Teilbetriebe, die die Verluste oder Fehlbeträge verursacht haben, übertragen wurden. Der Verlust bzw. Fehlbetrag sei durch eine Teilwertabschreibung der Beteiligung an der Mitbeteiligten entstanden, gerade diese Beteiligung sei aber im Zuge der Verschmelzung nicht auf die Mitbeteiligte übertragen worden.

In der Berufung wendete die Mitbeteiligte u.a. ein, durch die Verschmelzung sei nur das die übertragende Gesellschaft und die übernehmende Gesellschaft trennende bzw. auch verbindende Rechtskleid untergegangen. Der den Verlust erzeugende Betrieb bzw. das den Verlust erzeugende Vermögen existierten jedoch weiter. Zudem gingen bei der Verschmelzung einer Mutter- auf die Tochtergesellschaft die von der Muttergesellschaft gehaltenen Anteile "für eine juristische Sekunde" auf die Tochtergesellschaft über und würden von dieser sodann zur Abfindung der Anteilsinhaber der untergegangenen Gesellschaft wieder ausgegeben. Es sei daher tatsächlich zu einer Übertragung der entsprechenden Anteile gekommen.

Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid Folge. Durch die Verschmelzung sei "keinerlei Vermögensmasse (bzw. Betrieb oder Teilbetrieb)", sondern nur das die übertragende Gesellschaft und deren vormalige Tochtergesellschaft verbindende "Rechtskleid" systemgerecht untergegangen. Aus diesem Grunde bleibe aber für die Anwendung der einschränkenden Vorschrift des Art I § 1 Abs 5 StruktVG kein Raum.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf § 292 BAO gestützte, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion. Gemäß § 1 Abs 5 StruktVG dürfe bei Verschmelzungen der Rechtsnachfolger die vom Rechtsvorgänger erwirtschafteten (Gewerbe)Verluste nur insoweit abziehen, als die diese verursachenden Vermögensteile, Betriebe oder Teilbetriebe übertragen würden. Bei der Beteiligung an der Mitbeteiligten handle es sich um ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut, dessen Teilwertabschreibung den beschwerdegegenständlichen Verlust nach sich gezogen, diesen aber nicht verursacht habe. Die Teilwertabschreibung fuße nämlich darauf, daß bei der Mitbeteiligten durch Betriebsstillegungen und einschneidende Produktionseinschränkungen Mehraufwendungen für Personal und Abschreibung entstanden seien. Diese Aufwendungen sowie ein negatives Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit hätten zu einem Jahresverlust und damit zu einer Verringerung der buchmäßigen Eigenmittel der Gesellschaft geführt. Die Teilwertabschreibung sei somit ausschließlich durch Umstände ausgelöst, die in dem der Mitbeteiligten zum Zeitpunkt der Verschmelzung bereits selbst gehörenden Betrieb lägen. Es sei somit nicht zu einem Übergang des den Verlust verursachenden Betriebsvermögens gekommen. Die Anerkennung des Verlustes bei der Mitbeteiligten liefe im übrigen dem Grundsatz zuwider, daß Aufwendungen nicht doppelt berücksichtigt werden dürften, zumal die entsprechenden Aufwendungen bereits den Gewinn der mitbeteiligten Partei gemindert hätten. Der beschwerdegegenständliche (Gewerbe)Verlust dürfte aber auch nicht anerkannt werden, wenn man davon ausginge, er sei durch die Beteiligung verursacht. Nach herrschender Lehre sei zwar die von der M-GmbH gehaltene Beteiligung zivilrechtlich auf die Mitbeteiligte übergegangen, aber nur um sodann umgehend zur Abfindung der Anteilsinhaber an der untergegangenen M-GmbH ausgegeben zu werden. Die Mitbeteiligte habe somit auf die den Verlust verursachende Beteiligung selbst keine Aktivitäten zur Erzielung von Einkünften setzen können; § 1 Abs 5 StruktVG knüpfe aber den Übergang des Verlustvortrages daran, daß der Rechtsnachfolger auch hinsichtlich der den Verlust verursachenden Wirtschaftsgüter Aktivitäten zur Erzielung von Einkünften setzen könne.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art I § 1 Abs 1 StruktVG ist § 19 Abs 2 KStG bei Verschmelzungen auch dann anzuwenden, wenn und soweit bei der übernehmenden Gesellschaft eine Kapitalerhöhung unterbleibt, weil

...

c) die übertragende Gesellschaft eigene Anteile oder Anteile an der übernehmenden Gesellschaft besitzt, oder

...

Art I § 1 Abs 5 Satz 2 StruktVG lautet:

"Der Abzug von Verlusten gemäß § 18 Abs 1 Z 4 des Einkommensteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 440, und von Fehlbeträgen gemäß § 6 Abs 3 des Gewerbesteuergesetzes 1953, BGBl. Nr. 2/1954, die bei der übertragenden Gesellschaft vor der Verschmelzung oder Einbringung entstanden sind, kann von der übernehmenden Gesellschaft insoweit in Anspruch genommen werden, als jene Vermögensteile, Betriebe oder Teilbetriebe, die die Verluste oder Fehlbeträge verursacht haben, übertragen werden; dies gilt jedoch nicht, wenn der Umfang der übertragenen Vermögensteile, Betriebe oder Teilbetriebe gegenüber jenem in Zeitpunkt des Entstehens der Verluste oder Fehlbeträge derart vermindert ist, daß nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben ist."

Gemäß § 26 Abs 3 Z 2 lit b KStG 1988 erstreckt sich der Verlustabzug iSd § 8 Abs 4 Z 3 KStG 1988 auch auf im zeitlichen Geltungsbereich des EStG 1972 entstandene Verluste.

Es trifft zwar zu, daß auch außerhalb einer Gesellschaft gelegene Umstände Ursache für Verluste der Gesellschaft sein können. Soweit aber § 1 Abs 5 StruktVG auf Vermögensteile, Betriebe und Teilbetriebe, die Verluste oder Fehlbeträge verursacht haben, abstellt, kommt es nicht auf eine allfällige außerhalb der Gesellschaft liegende Verlustursache, sondern darauf an, in welchem Vermögensbereich innerhalb der Gesellschaft der Verlust entstanden und von welchem Vermögensteil, Betrieb bzw. Teilbetrieb er in diesem Sinne verursacht ist. § 1 Abs 5 Satz 2 StruktVG will nämlich nicht bei bestimmten Arten von Verlusten den Übergang des Verlustvortragsrechtes ausschließen, sondern diesen Übergang an die Übertragung der entsprechenden Verlustentstehungsquelle knüpfen.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers führt der Übergang des Verlustvortragsrechtes von der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft im vorliegenden Fall nicht dazu, daß Aufwendungen "doppelt berücksichtigt" würden. Die Minderung des Betriebsvermögens der Tochtergesellschaft einerseits und die Minderung des Vermögens der Muttergesellschaft andererseits sind nämlich unterschiedliche Vorgänge.

Der beschwerdeführende Präsident ist somit mit seiner Auffassung, weil wirtschaftliche Vorgänge bei der Mitbeteiligten zu einer Minderung des Teilwertes der von der M-GmbH gehaltenen Beteiligung geführt haben, wäre bei der M-GmbH ein Vermögensteil, Betrieb oder Teilbetrieb, der den Verlust verursacht hat, nicht vorhanden gewesen (und daher nicht übertragen worden), nicht im Recht.

In der Beschwerde wird weiters eingewendet, die Beteiligung an der Mitbeteiligten sei nicht iSd § 1 Abs 5 StruktVG auf die Mitbeteiligte übertragen worden. Hiezu ist zunächst zu bemerken, daß die genannte Bestimmung auf die Übertragung von Vermögensteilen, Betrieben und Teilbetrieben abstellt. Durch den Ausdruck "Vermögensteil" soll normiert werden, daß ein Übergang des Verlustes auch bei nur vermögensverwaltenden Tätigkeiten möglich ist. Im gegenständlichen Fall käme es somit - vom Fall mangelnder Vergleichbarkeit wegen Verringerung des Betriebsumfanges abgesehen - auf die Übertragung der Beteiligung nicht maßgeblich an, wenn die M-GmbH eine betriebliche Tätigkeit entfaltet hätte und die Beteiligung zum entsprechenden Betriebsvermögen rechnete. Ob eine derartige betriebliche Tätigkeit vorgelegen ist, kann aber dahinstehen, weil jedenfalls die Beteiligung auf die Mitbeteiligte iSd § 1 Abs 5 StruktVG übertragen worden ist:

Wenn bei einer Verschmelzung der Mutter- auf die Tochtergesellschaft die von der übertragenden Gesellschaft gehaltenen Anteile an der übernehmenden Gesellschaft an die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft ausgegeben werden, liegt zivilrechtlich zunächst ein Erwerb eigener Anteile durch die Tochtergesellschaft vor (vgl. u.a. Helbich, Umgründungen4, Seite 254); die Tochtergesellschaft verwendet diese durch die Verschmelzung erworbenen, damit eigene Aktien gewordenen Anteile zum Umtausch der Anteile für die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft. Diese Auffassung liegt auch den Gesetzesmaterialien zur klarstellenden Bestimmung des § 224 Abs 3 AktG idF des Gesellschaftsrechtsänderungsgesetzes (wiedergegeben bei Helbich/Wiesner, Umgründungen5, Seite 361) zugrunde. Ihr tritt der Verwaltungsgerichtshof bei. Die Richtigkeit dieses Verständnisses leuchtet im übrigen auch aus den Bestimmungen des § 3 Abs 2 Z 2 und Abs 3 Z 1 Umgründungssteuergesetz hervor, die für Anteile an der übernehmenden Körperschaft hinsichtlich des in ihren Anschaffungskosten enthaltenen Firmenwertes bzw der übertragenen stillen Reserven bestimmte Rechtsfolgen normieren (vgl. Helbich/Wiesner, Umgründungen5, Seite 63 und 66).

Der beschwerdeführende Präsident bestreitet nun auch gar nicht den Übergang der Anteile auf die Mitbeteiligte als aufnehmende Gesellschaft, meint aber, § 1 Abs 5 Satz 2 StruktVG fordere auch, daß die übertragenen Vermögensteile der aufnehmenden Gesellschaft zur Erzielung von Einkünften (dauerhaft) dienen müßten. Damit verkennt er aber die Rechtslage. Die zitierte Bestimmung stellt auf die Übertragung der Vermögensteile, Betriebe bzw. Teilbetriebe ab und nicht auf das Halten zum Zwecke einer auf Dauer angelegten Einkünfteerzielung. Im Falle einer echten Verschmelzung nach § 1 Abs 1 StruktVG ist die Voraussetzung des § 1 Abs 5 Satz 2 StruktVG erfüllt, wenn die Vermögensteile bzw der Betrieb - Vergleichbarkeit gegenüber dem Zeitpunkt der Verlustentstehung mangels gravierender Verminderung des Umfanges vorausgesetzt - im Zeitpunkt des zivilrechtlichen Vermögensüberganges im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 226 Abs 3 AktG) vorhanden sind (vgl. auch Amann, Der Verlustvortrag bei Verschmelzungen, SWK 1991 AI 345 (347)).

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtswidrigkeit - zwar nicht aus den von der belangten Behörde herangezogenen, aber aus den oben dargestellten Gründen - nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

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